Iterationen der Iterationen

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WAS IST TOXISCHE MÄNNLICHKEIT?

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Toxisch bedeutet giftig oder, im übertragenen Sinne, schädlich.

Toxisch bedeutet giftig, und kein Mensch ist toxisch. Wenn das eine Metapher sein soll, warum nicht „radioaktiv“ oder „einsturzgefährdet“? Oder einfach direkt „schädlich“?

Maskulinität heißt Männlichkeit.

Weil die den Text nicht überarbeitet haben, habe ich einerseits nicht allzuviel Lust auf komplett neue Sachen, andererseits erklären die „Maskulinität“, welches Wort bis hier nicht vorkam, immer noch, anstatt wenigstens DAS umzuformulieren.

 Giftige Männlichkeit – das klingt irgendwie abstrakt und ein bisschen übertrieben.

Ja. Kein Mensch ist giftig.

Dabei kann Männlichkeit wirklich toxisch sein. Und zwar auch für männliche Personen selbst.

Schädlich. Wenn das eine Metapher sein sollte, dann kann die beim Erklären nicht mehr benutzt werden, sondern man diskutiert die intendierte Bedeutung. Kann es den männlichen Personen schaden, männlich zu sein? Auf jeden Fall! Will man daran was ändern? Nur, wenn es vor allem den nicht-männlichen Personen hilft.

Vielleicht hilft ja ein Beispiel zur Veranschaulichung. Ein kleiner Junge wird in der Schule von seinem Lehrer dafür ausgelacht, dass er seiner Mama zum Abschied zuwinkt. Folge: Er will ihr nicht mehr winken.

Erstens: das Verhalten des Lehrers schadet nicht dem Lehrer selbst. Zweitens: ja, das ist nicht besonders pädagogisch, aber warum kritisiert man nicht den Lehrer persönlich, sondern „Männlichkeit“? Soll gemeint sein, dass eine Lehrerin den Jungen nicht ausgelacht hätte? Oder dass der Lehrer ein Mädchen nicht ausgelacht hätte? Drittens: anekdotische Evidenz.

Er lernt durch die Reaktion seines Lehrers, dass Gefühle wie Zuneigung offen auszudrücken für Jungs nicht okay ist und passt sein Verhalten an.

Ist das so gemeint gewesen? Klar, wenn das so rüberkommt – wegen pädagogischer Defizite – hat das den Effekt, aber war das so gemeint, oder mehr: Winken ist übertrieben, wenn man sich später am selben Tag wiedersieht?

Das kann sich später negativ auf sein Leben auswirken.

Weil niemand mit einem ehrenlosen Soziopathen befreundet sein will, der beim Abschied nicht winkt. Klar.

Genau darum geht es bei dem Begriff toxische Männlichkeit. Um eindimensionale, einschränkende und schädliche Vorstellungen davon, wie sich männliche Personen zu verhalten und zu fühlen haben, um in der Gesellschaft als männlich zu gelten und akzeptiert zu werden.

Wenn DU, liebe Leserschaft, zum Abschied gewunken werden willst (sagt man so?), dann mach das selbst, und dann klappt das auch oder nicht. Aber ansonsten ist das ein schlechtes Beispiel. Vor allem gilt Winken nicht als „weiblich“.

Jede*r, der maskulin wirken will und sich deshalb entsprechend verhält, kann in toxische Männlichkeit abrutschen.

Weil man nicht zum Abschied winkt, geht man nicht nach einem Herzinfarkt zum Arzt. Klar.

Ein „richtiger Mann“ zu sein bedeutet demnach: Nie Schwäche zeigen, keinesfalls um Hilfe fragen, bloß nicht liebevoll und zärtlich sein, keine Fehler zugeben.

Heißt im Umkehrschluss, richtige Frauen zeigen auch dann Schwächen, wenn sie keine haben, fragen nach Hilfe, obwohl sie die Möbel auch selber schleppen könnten, täuschen Liebe und Zärtlichkeit vor und geben Fehler zu? Nee, bestimmt nicht.

Und schon gar nicht öffentlich weinen – es sei denn, der Lieblings-Verein verliert.

Männer, die nicht weinen, werden hier verächtlich gemacht, Männer, die doch weinen, ebenso. Hatte ich alles schon mal geschrieben, ich weiß.

Dieses Männerbild sehen wir in Büchern, Serien und Filmen oder auch in der Werbung.

Dann lest Ihr eben die falschen Bücher, schaut die falschen Serien und Filme, und zumindest die Edeka-Werbung hättet ihr austauschen können. Aber eigentlich gehe ich bei Edeka davon aus, dass die das männerfeindlich meinen.

Doch auch auf dem Schulhof, in der Uni oder am Arbeitsplatz wird jeden Tag festgelegt, was Männlichkeit heißt. Durch Gesten, Gespräche und Reaktionen. Wie bei dem Jungen am Anfang des Textes.

Männlichkeit ist alles, was Männer bei Frauen attraktiv erscheinen lässt. Also ist insbesondere Asexualität unmännlich. Und das Frauen auf Männer stehen, die (ihre) Hilfe brauchen, also ständig, wie ein kleiner Junge, der zur Schule geht, wäre mir neu.

Dabei entsprechen die allerwenigsten Männer diesen ultra-maskulinen Standards oder praktizieren sie zu 100 Prozent

Ja, was ist jetzt das Problem? Dass Männer so sind, oder dass sie nicht so sind? Wie ich nicht müde werde zu wiederholen: diese Eigenschaften sind Eigenschaften, die Frauen – nicht „die“ Gesellschaft – bei Männern mögen, in unterschiedlichen Stärkegraden vllt mögen, aber sie mögen sie. Und das ist der Grund, warum Männer so handeln. Die ganzen Beispiele mit Steak, Schlittschuhen und Schottenrock sind auch nicht ausgetauscht worden.

Wenn männliche Gefühle nur als Wut und Aggression ausgedrückt werden dürfen, dann ist das aber auch eine Erklärung für männliche Gewalt.

Ja, man darf Freude nicht als Freude ausdrücken, so als Mann, sondern nur als Wut und Aggression. Anscheinend sind mit „männlichen“ Gefühlen hier „negative“ Gefühle gemeint, weil sonst der Satz keinen Sinn ergibt. Ehrlich, wenn man schon recycelt, warum nicht einfach mal durchlesen, etwas überarbeiten oder irgendwas?

Von der Staats-Ebene in Form von eskalierenden Konflikten bis zu Gewalt gegen andere Männer

Die „allgemeine“ Wehrpflicht wurde ausdrücklich auch damit begründet, dass Männer Frauen beschützen müssten. Aber ja, Männer schlagen eher andere Männer als nicht-männliche Personen. Wäre das anders, wären die Vorwürfe noch härter. Ein paar Sachen überspringe ich mal…

Maskuline Personen gehen beispielsweise häufig nicht gut mit ihrem Körper um. Sie neigen eher zu Suchtverhalten und vernachlässigen ihre Gesundheit.

Bei der Feuerwehrwache im Link arbeitet auch eine Psychologin. Wäre es nicht schlauer, wenn es mehr weibliche Feuerwehrleute gäbe als das, wenn Frauen für diese Art Stress doch so viel besser geeignet sind? Bei der freiwilligen Feuerwehr? Nein?

Aber auch, wieso männliche Personen angeblich keine sexualisierte Gewalt erleben können: Weil sie Männer sind, wollen sie schließlich von Natur aus IMMER.

Wer sexualisierte Gewalt gegen Männer thematisiert, will ja doch nur derailen. Also Wayne.

Damit Frauen das schwache Geschlecht sein – und klein gehalten werden – können, müssen Männer die Starken sein.

Ja, schleppt Euch Eure Möbel doch einfach selbst. Männer „müssen“ die Starken sein, weil sie in Konkurrenz zueinander stehen, und das ist insofern tatsächlich ein Fall von selber Schuld, aber sie konkurrieren dabei um Frauen. Nennt mir einen Fall, wo Männer um etwas wetteifern, was ihnen keinen Vorteil bei der Suche nach Partnerinnen verschaffen würde, wenn sie es bekämen. (Spoiler: Papstwahlen, Gewinner in besonders sportfreien Nerdhobbys, Rülpswettbewerbe…)

Die Aufteilung in zwei voneinander abgegrenzte Geschlechter ist jedoch Quatsch. Diese Rollen sind bloß ausgedacht:

Blutgruppen sind nicht ausgedacht, aber eine bestimmt Tracht der Kleidung, die man je nach Blutgruppe zu trägen hätte, wäre es schon. Aber gut, die Rollenerwartungen wären änderbar, aber…

Niemand wird mit einem Prosecco-Glas oder einer Kurzhantel in der Hand geboren.

Schon, aber gerade im Bereich des Alkoholabbaus und des Muskelaufbaus existieren Unterschiede, die nicht sozial aufgedrückt werden.

Denn Männer sind so komplexe Wesen wie alle anderen Menschen auch. Mit einer Bandbreite an Gefühlen und Bedürfnissen, die vom Patriarchat eingeschränkt und unterdrückt werden.

Jaja, das „Patriarchat“. Nebenbei, wenn gewisse Leute „Gefühle“ sagen, wenn sie „Probleme“ meinen, über die Männer nicht sprechen wollten, könnten oder dürften, ist das Teil des Gefühles Problems, nicht der Lösung.

Männer dürfen weinen, Schwäche und Gefühle zeigen, zur Therapie gehen, etwas nicht wissen, keine Lust auf Sex haben und lieber kuscheln wollen, Nagellack tragen, Problemgespräche führen, Sekt schlürfen, Salat essen, Fußball doof finden und Eiskunstlauf lieben.

Bis eben war der Vorwurf, dass „die“ Gesellschaft oder „das“ Patriarchat es ihnen verbieten würde. Aber ja, ich finde Fußball doof, kann aber auch nicht Schlittschuh laufen.

Und dabei ganze Männer sein, wenn sie das wollen.

Wenn keine Frau mich attraktiv findet, nutzt mir meine Männlichkeit gar nichts.

Denn Männlichkeit an sich ist nicht das Problem, sondern wie sie definiert ist.

Wenn ich ein asexuelles Neutrum wäre, wäre ich ja vllt glücklicher?

Es liegt an uns, Männlichkeit – dieses ausgedachte Prinzip – umzudeuten und mit neuen Ideen zu besetzen.

Ja, vllt ist Männlichkeit das, was Fische am Köder mögen? WENN Männlichkeit komplett ausgedacht ist – nicht einfach nur die soziale Rollenerwartung, sondern komplett – dann ist sie offensichtlich von Frauen ausgedacht worden.

Ohne toxische Männlichkeit wäre die Welt ein besserer Ort. Und zwar für alle.

Schuldgefühle einzuflößen ist übrigens psychische Gewalt.

Ich mein ja nur.

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