Weinstein IIIa

Achwas.

#MeToo ist längst über Weinstein hinausgewachsen

Das ist tatsächlich schon ziemlich lange so. Und rein von der Logik her, wenn es nur Weinstein gewesen wäre, wäre das Thema lange durch. Andererseits liegt zwischen „Weinstein“ und „Yes, all men!“ eine Menge Luft.

Aktivistinnen kritisieren die Aufhebung eines der prominentesten #MeToo-Urteile als fatales Signal für Betroffene.

Das Signal wäre weniger fatal, wenn man Weinstein nicht so als „Gallionsfigur“ aufgebaut hätte. Andererseits gibt es „Signale“ in der Politik, aber eher nicht in der Justiz.

Doch um andere Betroffene gehe es eben nicht, so das Argument des Berufungsgerichts

Darum geht es eigentlich nie. Weil es keine „Pauschalurteile“ gibt, nur Urteile in genau DER Sache, die gerade ansteht. Was auch die einzige Art von Gerechtigkeit ist. Und ja, es gibt in den USA Sammelklagen, aber das ist eine Möglichkeit, wenn jemand mehrere Personen durch dieselbe Aktion zugleich geschädigt hat. Hätte Weinstein z.B. einmal radioaktiven Müll irgendwo vergraben, und es gäbe 50 Geschädigte, dürfen die Geld zusammenlegen, eine Anwaltskanzlei mit einer Sammelklage beauftragen, und das wird EIN Gerichtsprozess. Wenn Weinstein 50-mal Müll irgendwo vergraben hat, bzw. haben soll, zu 50 unterschiedlichen Zeiten an 50 unterschiedlichen Stellen mit jeweils einer anderen geschädigten Person, und es ist noch nicht einmal immer dieselbe Müll-Sorte, sähe das deutlich anders aus; denn es könnte durchaus sein, dass es in 10, 25 oder 50 dieser Fälle ein anderer gewesen wäre, und damit müsste jeder dieser Fälle einzeln betrachtet werden. (Bzw., was genau die Kriterien wären, weiß ich auch nicht, aber anscheinend kam das hier nicht in Betracht…)

Es war ein symbolträchtiges Urteil. … Nun wurde das damals aufsehenerregende Urteil wegen eines Verfahrensfehlers überraschend aufgehoben.

Diese Überraschung ist vermutlich nicht in der Sache selbst begründet, sondern in der Ahnung, die die Überraschten vom Thema haben. Andere Zeitungen waren es anscheinend nicht.

Das Urteil im Jahr 2020 wurde von vielen auch als Sieg für die #MeToo-Bewegung gedeutet. Nun könnte man fragen: voreilig?

Wenn der Anspruch, dass nicht allein Weinstein ein schlechter Mann sei, einigermaßen zutrifft, kann der eine Prozess so oder so nichts beweisen: weder sagt ein Freispruch Weinsteins etwas über andere Männer aus, noch ein Schuldspruch. Wenn allerdings der Übereifer von Staatsanwaltschaft, Gericht und Aktivisten dazu führen, dass das Urteil aufgehoben wird – der Prozess wird ja vllt neu geführt werden – ist der Übereifer vllt ein Fehler gewesen?

#MeToo hat genau Fragen wie diese erstmals breitenwirksam aufs Tapet gebracht: Was kann gegen missbräuchliche Verhaltensmuster von Menschen in Machtpositionen getan werden, gegen Strukturen, die Übergriffe begünstigen und Anzeigen verhindern?

Es war nicht das Justiz-System, das Anzeigen verhindert hat, „der Staat“ oder „die Gesellschaft“. Es war Weinstein selbst, bzw. das System, das er um sich aufgebaut hatte. Einen Hausmeister in Hollywood hätte man relativ zeitnah nach dem ersten (und vermutlich dann einzigen) Übergriff angezeigt, man hätte ihn angeklagt und er hätte seinen Job verloren. Und wenn der Hausmeister nicht von Verfahrensfehlern profitiert, liegt das vllt eher daran, dass solche Verfahrensfehler bei einem nicht-prominenten Fall eher nicht passieren, als an irgendwelchen „Juristentricks“.

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