Radioaktive Weiblichkeit II

Denn: kein Mensch ist toxisch.

Hierzu.

Autorin Sophia Fritz: „Wen muss ich beeindrucken?“

Arbeitgeber? Kundschaft? Potenziellen Lebensgefährten? Keine Ahnung.

Nicht nur Männer erhalten durch „toxische Männlichkeit“ patriarchale Strukturen.

„Erhalten“ wie in „bekommen“ oder wie in „aufrecht erhalten“? Surrealer Nonsens, wie so oft.

Auch Frauen ziehen einen Nutzen aus diesen.

Ja, darum gibt es die überhaupt. Welcher Mann würde einfach so nicht zum Arzt gehen?

Sophia Fritz befragt sich selbst, warum sie oft weiterlächelt und Konflikte umschifft

Wegen: Patriarchat? Hirnwellenstrahlern? Gedankenkontrolle durch nicht gegenderte Pluralbildung? Oder weil sie davon einen Vorteil hat? *Popcorn kauf!

Die „toxische Männlichkeit“ ist zu einem gängigen Begriff geworden. Er soll beschreiben, wie immer wieder von neuem eingeimpftes Dominanzgebaren oder Gewaltbereitschaft die Geschlechterhierarchien aufrechterhalten – zu seinen Gunsten.

Nicht zum Arzt zu gehen ist weder Dominanzgebaren noch zu seinen Gunsten, aber quasi der Nominalfall „toxischer Männlichkeit“. Und weil Feministinnen sich nicht einmal dazu überwinden können zu sagen, dass solche Verhaltensweisen zumindest ambivalent sind, ist dieses Interview direkt „vergiftet“. Kein Interview ist giftig, jaja.

Die Frage, was Frauen dazu beitragen, ist zwar in der zweiten Frauenbewegung aufgekommen, aber wieder weitgehend verschwunden

Schade, was?

abgesehen von sexistischen Diskursen, die die Geschlechterverhältnisse in der „Natur“ von Frauen und Männern begründet sehen.

Man könnte durchaus argumentieren, dass bestimmte Verhaltensweisen bei Männern und Frauen einen Grund haben, der in deren bewussten Entscheidungen liegt; ob diese Entscheidungen dann biologische oder finanzielle oder sonstige Gründe haben, wäre dann nebensächlich.

Das ist wohl einer der Gründe, warum die Debatten über die Mitarbeit von Frauen am Patriarchat eingeschlafen sind: die Sorge, in diese Ecke gedrängt zu werden.

Häretikerinnen und Klassenfeindinnen sind die allerschlimmsten. Ein Feind ist ein Feind und kann daher niemals ein Verräter sein.

Sophia Fritz traut sich trotzdem. Mit einer klar feministsichen Haltung fragt sie sich, warum sie noch immer vermeintlich weiblichen Prototypen wie dem „guten Mädchen“, der „Powerfrau“ oder auch dem „Opfer“ entsprechen will.

Hirnwellenstrahlen, eindeutig.

Obwohl sie längst niemand mehr dazu zwingt.

Hirnwellen!!!

STANDARD: Warum haben Sie sich ausgerechnet für diesen aufgeladenen Begriff des „Toxischen“ entschieden?

Naja, warum hat das überhaupt irgendjemand gemacht, wenn nicht, um bestimmte Menschen zu entmenschlichen?

Fritz: Wir haben jahrelang über Mansplaining, Manspreading, alte weiße Männer und toxische Männlichkeit geredet. Da erscheint es mir unumgänglich, dass der Fokus umschwenken wird.

„Unumgänglich“ ist bestimmt auch nur ein Euphemismus. Aber ja, dass man irgendwie das Verhalten von Feministinnen kritisieren könnte, ist jetzt so gar nicht abwegig.

Die Frage ist nur, aus welcher Haltung heraus das passiert.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.

Wir Frauen sollten uns jetzt eigenverantwortlich mit dem Begriff auseinandersetzen und ihn als Chance wahrnehmen, um letztendlich solidarischer, ehrlicher und souveräner zu werden.

Solidarisch mit wem jetzt? Untereinander etwa?

STANDARD: Wo liegt der Unterschied zwischen toxischer Weiblichkeit und toxischer Männlichkeit?

Das eine ist ein polemischer Kampfbegriff, mit dem man Bücher verkaufen will, und das andere ist ein Begriff aus dem Buchhandel, um eine kämpferische Polemik zu vermarkten. Oder umgekehrt.

Fritz: Toxisch männliches Verhalten dient der Verteidigung einer vermeintlichen Machtstellung.

Nein. Bzw., nicht jedes Verhalten, das irgendwer so bezeichnet, hat diesen Zweck, oder sonst einen Zweck, und umgekehrt frage ich mich, warum diese „männliche Machtstellung“ plötzlich vermeintlich sein soll.

Natürlich gibt es auch weibliche Verhaltensweisen, die Ungerechtigkeiten in den Systemen, in denen wir leben, weiter unterstützen.

Das Patriarchat schadet bekanntlich auch Männern. Aber indem es Frauen unterstützt.

Toxisch weibliches Verhalten ist nicht so tödlich wie toxische Männlichkeit — es geht häufiger um Anpassung und weniger um Machtdemonstration.

Es ist für Frauen weniger tödlich als für Männer, ja, deshalb leben Frauen eben länger als Männer.

Anders zu sein konnte für Frauen lange Zeit sehr gefährlich werden, denken wir nur an die Hexenverbrennungen.

Und für Männer nicht?

Auf der anderen Seite haben wir diese vielen Bilder von Männern, die einsam durch das Leben gehen. Und das gilt als völlig okay.

Sind diese einsamen Männer freiwillig einsam, oder weil Frauen nichts mit ihnen zu tun haben wollen? Bzw., Einsamkeit ist nicht das, was typischerweise als „toxische Männlichkeit“ gilt, weil „seiner Frau nicht sagen, dass man einen Herzinfarkt hatte“ oder auch „Möglichst viel Sex mit möglichst vielen Frauen haben“ gleichermaßen vorraussetzt, dass man nicht einsam ist. Und nebenbei, WENN jemand „einsam“ ist, anstelle von einfach nur „anders“, wen sollte das stören?

Der einsame Cowboy, der verschrobene Erfinder oder das geniale Genie.

Mal abgesehen davon, dass das Klischees sind, bzw. doppelt gemoppelt – die erbringen Leistungen, von denen die Gesellschaft, einschließlich der darin enthaltenen Frauen, profitiert. Also eher noch ein Grund, sich nicht über sie zu beschweren.

STANDARD: In den 1970er-Jahren brachten Feministinnen den Begriff der Mittäterinnenschaft auf. Auch Frauen würden demnach innerhalb patriarchaler Strukturen Anerkennung bekommen, die schwer aufzugeben ist.

Nicht nur Anerkennung. Diverse Formen von Rücksichtsnahme, die man als „echter Mann“ zu erbringen habe, dienten ausschließlich den Interessen von Frauen, umgekehrt waren und sind eine Menge Dinge, die angeblich toxisch sind, auch attraktiv für Frauen und werden daher mit Zuneigung belohnt. Wie „arbeitet viel“, „redet wenig über die eigenen Probleme“ und „Waschbrettbauch“. Wie, Waschbrettbauch zählt nicht? Menno!

Wenn auch aus feministischer Sicht fragwürdige Anerkennung für Sanftmut oder Schönheit.

Wenn es nur das gewesen wäre.

Warum ist dieser Blick auf diese Komplizinnenschaft wieder verschwunden?

Ach, da fallen einem soooo vieeeele Ideeeeeen ein.

Fritz: Stefanie Lohaus hat im vergangenen Jahr ein großartiges Buch über die Chronologie des Feminismus geschrieben: Stärker als Wut. Darin lässt sich ablesen, wie alles in Wellen wiederkommt.

Ich hoffe, nicht, aber ich kann es leider nicht ganz ausschließen.

 Sie bemängelt in dem Buch auch, dass wir keine feministische Erinnerungskultur haben. Das hat wiederum etwas mit unseren patriarchalen Strukturen zu tun, dass uns die Errungenschaften von Frauen als unwichtiger oder banaler erscheinen als die Legenden über männliche Helden und Kriegsherren.

Dass IHR keine Erinnerungskultur habt, ist natürlich auch nicht Eure Schuld, weil Ihr noch nie Schuld an irgendetwas hattet. Aber jetzt fangt mal an mit „Eigenverantwortung“.

Dieses Fehlen einer feministischen Erinnerungskultur führt dazu, dass wir keine einheitlichere Vorstellung davon haben, woher wir kommen und wo wir hinwollen.

Nein, das liegt daran, dass Ihr keine einheitliche Vorstellung davon habt, was Ihr wollt.

STANDARD: Also alles von Botox bis finanzieller Abhängigkeit vom Partner wird im Sinne von „Ich entscheide, also ist es feministisch“ gedeutet?

Botox UND finanzielle Abhängigkeit vom Partner? Wenn beides feministisch ist, was wäre es denn nicht?

Fritz: Genau. Ich nehme auch kaum einen Erfahrungsaustausch zwischen älteren und jüngeren Frauen wahr.

Das könnte vllt daran liegen, dass die feministischen Ziele der älteren Frauen im Wesentlichen erreicht wurden, und es höchstens noch um persönliche Erfahrungen geht. Aber das schreibe ich nur, um die Hirnwellenstrahlerverschwörungstheorie zu verheimlichen.

STANDARD: Unter den Zuschreibungen, die Sie aufdröseln wollen, befindet sich auch jene des „Opfers“. Was macht die Aussage mit Betroffenen von Gewalt, dass Frauen bewusst einen Opferstatus aufrechterhalten würden?

Wieso „bewusst“? Bestimmt machen das auch ganz viele unbewusst…

Fritz: Das war definitiv das schwierigste Kapitel. Ich musste mir überlegen, wie ich so differenziere, dass eben keine Täter-Opfer-Umkehr entsteht.

Denn keine mag Hochverräterinnen. KEINE!

Ich habe daher zwischen einer öffentlichen Betroffenenhaltung und einer privaten Opferidentifikation unterschieden.

Ach, kein Scheiß? Ich sehe mich beeindruckt. Ach, deshalb der Titel!

Im Buch beschreibe ich aber auch private Situationen und schaue, wo ich in meinem Leben Verantwortung an eine andere Person abgebe.

Es gibt Situationen, wo das absolut vernünftig ist. Das Problem ist immer dann da, wenn die andere Person nichts davon weiß. Und manchmal, kann sie sie nicht wahrnehmen…

Oder wo ich durch eine mütterliche Aufopferung etwas bekommen will, also in eine Art emotionale Erpressung gehe.

Würden Väter aber bestimmt genauso machen, wenn man sie ließe…

Wo nutze ich eine Opferhaltung, ein inneres Kleinmachen, das mir niemand mehr von außen aufdrängt?

Beim Möbelschleppenlassen? Nur so geraten.

STANDARD: Sie geben in dem Buch sehr viel von sich preis. Wie ging es Ihnen damit?

Fritz: Gut. … weil es das einzige Angebot ist, das ich der Welt machen kann: dass ich versuche, mit mir ehrlich zu sein, und die Erkenntnisse dann zur Verfügung stelle.

Immerhin, sie versucht es. Aber was anderes Yoda Meister sagt.

Ich wollte nicht mit Beschämung arbeiten und den Diskurs über toxische Weiblichkeit anders gestalten.

Weil Beschämung und Schuldgefühle so ziemlich die Gammastrahlung der weiblichen Radioaktivitäten sind.

Bei toxischer Männlichkeit wurde viel mit Beschämung gearbeitet.

Sie hat „fast ausschließlich“ falsch ausgesprochen. Hallo Edeka.

 Beschämung ist immer kränkend

Ja, deshalb machen die das doch!

eine gekränkte Person wird nicht anfangen, aus dieser Kränkung heraus offenherzig an sich zu arbeiten.

Darum geht es ja auch nicht. Es geht darum, anderen die Schuld am eigenen Missstand zuzuschreiben.

STANDARD: Sie schreiben im Kapitel „Mutti“ von „moralischer Überlegenheit“. Wollen viele Frauen nicht darauf verzichten, die „Guten“ zu sein?

Wenn Frauen die Guten sein wollen, sollen sie halt gut sein, indem sie Gutes tun. Nicht einmal das enge Netz der Hirnwellenstrahler hielte sie davon ab.

Fritz: Ja, und ich finde diese Zuschreibung sehr perfide. Grundsätzlich ist das eine Aussage, die einem erst einmal gefällt, zumindest mir hat sie gefallen.

Wenn man mit Beschämung niemanden dazu bringt, sich zu ändern, dann mit Lob doch wohl erst recht nicht.

Wir sind kulturell stark mit Bildern verknüpft, die den Mythos nähren, dass Frauen die moralisch Überlegeneren wären.

Tja, schade, dass Frauen keine Erinnerungskultur haben, was? Sonst würde sich das nicht lange halten.

Wenn man das vor sich selbst verstecken muss, wird Unehrlichkeit entstehen und Solidarität verhindert.

Ja, genau deshalb! DAS ist der Grund dafür! Nebenbei, wenn die Gesellschaft von Männern geprägt würde, würde man Männer als die moralisch Überlegeneren främen.

Das Problem ist, dass dieses „gut sein“ von außen zugeschrieben wird. Das ist nichts, was ich fühle, sondern ich muss mir das konstant von außen holen.

Männer werden als die moralisch Unterlegeneren dargestellt, und natürlich sind Frauen davon benachteiligt. Eine Runde Mitleid mit Fritz bitte.

STANDARD: Wie vermeidet man, dass alle diese Überlegungen nicht in ständiger Arbeit an sich selbst münden?

Die Frage ist, warum man das vermeiden sollte?

Fritz: Wenn ich Freundinnen von meinem Buchthema erzählt habe, wollten viele gleich ganz genau wissen: Ja, was ist denn das genau, diese toxische Weiblichkeit? Ich habe gemerkt, sie hätten gern eine Checkliste

DAS kann ich sehr gut nachvollziehen, aber wenn derselbe Vorwurf gegen Männer mehr schwammig, unklar definiert und teilweise widersprüchlich vorgebracht wird, sehe ich es gar nicht ein, warum Frauen es besser gehen sollte.

Wenn man das Gegenteil von toxisch sein will, dann sind da wieder diese Vorstellungen von der reinen, moralisch überlegenen Frau – als hätte man dann endlich seine Daseinsberechtigung, wenn man nicht mehr toxisch ist.

Das ist im Grunde das, was Männern erzählt worden ist. Herzlichen Glückwunsch zum Erkenntnisgewinn!

STANDARD: Worte, mit denen man sehr wohl auch destruktive weibliche Verhaltensmuster beschreibt, die man aber nicht gleich wegtrainieren muss?

Fritz: Genau. Es geht mir um Entspannung. Ich hätte gern mehr entspannte Frauen um mich herum – und auch entspannte Männer.

Dann hätte sie ihr Buch vllt etwas anders nennen sollen, aber nagut.

Es reicht nicht, einen gemeinsamen Feind zu haben. Es ist wichtig, über diese eigenen Schattenseiten sprechen zu können, erst dann können wir in eine wirkliche Solidarität miteinander kommen.

Braucht man noch Solidarität, wenn man keinen Feind mehr hätte? Mir ist immer noch nicht klar, ob sie Solidarität unter Frauen oder von Frauen gegenüber Männern meint. Solidarität von Männern gegenüber Frauen bringt erstere in den Schützengraben, das wird sie wohl kaum meinen…

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