Ideologisch

Bei der Standard.

Hören wir endlich auf, vom „Gendern“ zu reden

Wer ist wir?

In Bayern wurde beschlossen, Sonderzeichen für geschlechtergerechtes Formulieren an Schulen oder bei Behörden den Garaus zu machen.

Man kann auch ohne Sonderzeichen „geschlechtergerecht“ Formulieren. Erstens, weil Sprache sowieso weder „gerecht“ noch „ungerecht“ ist – siehe Dachdecker – zweitens, weil Sprache auch nicht besonders logisch oder intuitiv erfassbar ist, und drittens, weil man problemlos, also OHNE dass es ein Grammatik- oder Rechtschreibfehler wäre, „Dachdeckerinnen und nicht-männliche Dachdecker“ sagen, wenn man insbesondere auch nicht-binär-geschlechtliche Dachdecker miterfassen wollte.

Diese seien „Ideologie“. Und ein Verbot wäre das nicht?

Auf allgemein anerkannte Regeln zu bestehen, mag ideologisch sein, gegen solche Regeln zu verstoßen ist ideologisch und außerdem regelwidrig. Ein Gegenargument vs. zwei Gegenargumente.

Am Dienstag wurde das sogenannte Gendern-Verbot für Bayern fixiert. „Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben“, sprach Ministerpräsident Markus Söder (CDU) sein Machtwort

Das mit dem „verpflichtend“ ist so eine Sache – dass Gendern niemals nirgendwo verpflichtend wäre, weil es keine Vorschrift dafür gibt, ist so ein bisschen wie mit dem „Code Red“ in „Eine Frage der Ehre“: wenn es ihn gäbe, so das Argument, stünde er in den Vorschriften des United! States! Marine! Corps, und das tut er nicht, also gibt es ihn auch nicht. Andererseits: keine Vorschrift wäre das bessere. Ist nebenbei ähnlich wie bei alter und neuer Rechtschreibung (und verschiedene Reformen daraus setzten sich trotzdem nicht durch).

Nun beschloss das Kabinett in einer Sitzung, Sonderzeichen im Sinne einer geschlechtergerechten Sprache zu untersagen. Konkret gilt das Verbot für Behörden, Schulen und Hochschulen und wird in der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) festgelegt.

Wie gesagt, wenn man – sei es aus Prinzip, sei es, weil betont werden soll, dass man etwas nicht generisch meint – kein generisches Maskulinum verwenden will, kann man Beidnennung verwenden. Oder türkisch sprechen eine sonstwie bessere Formulierung wählen. Dass bspw. Mönchengladbach mit M’gladbach abgekürzt wird und so gelesen wird, hat ja auch eine Weile gedauert, und keine Ahnung, ob das in Bayern als Fehler angekreuzt würde.

Eine Debatte mit Bart

Genau – Sex und Genus sind beides nicht Gender. Das Gender von Debatten ändert sich ja stündlich.

Über die Forderung, die Geschlechter gleichermaßen sprachlich zu berücksichtigen, kann man trefflich streiten

Oder Tempus und Numerus. Oder umgekehrt – angenommen, eine konkrete Gruppe beinhaltet gar keine nicht-binären Mitglieder, wäre das Gender* dann nicht einfach falsch?

Viele finden Schüler:innen inzwischen praktischer als Schülerinnen und Schüler

Schülerinnen und nicht-weibliche Schüler bitteschön, wegen Inklusion und so.

andere bemängeln, dass nach dem Binnen-I zu rasch und zu viele andere Sonderzeichen hinzukamen und dass das für die Akzeptanz der Lösung mit Sonderzeichen nicht gerade geholfen habe.

Ursprünglich war das auch gar nicht dazu gedacht, akzeptiert zu werden, sondern eine punkige Graswurzel-Gegenbewegung zum generischen Maskulinum. Dann kamen die bildungsbürgerlichen Spießer und erklärten, dass alles andere unwissenschaftlich und unmoralisch sei.

 Wiederum andere finden überhaupt, das generische Maskulinum reiche völlig, bei den Schülern seien die Schülerinnen mitgemeint.

Manchmal ja, manchmal nein. Wie gesagt, im Zweifel bekäme man das auch ohne Sonderzeichen hin.

Dass es umgekehrt ein riesiges Drama wäre, wenn irgendwo „der Einfachheit halber“ ein generisches Femininum verankert würde, ist allerdings auch sehr wahrscheinlich.

Weil man stehende Redensarten nicht per Order von oben verändern kann. Mich stört z.B. seit immer die Redensart, ein Kleidungsstück „auf links“ zu tragen. Wenn ich die durch die gleichermaßen schwachsinnige Formulierung „auf rechts“ ersetzen würde, würden mich auch alle dumm ansehen.

Sonderzeichen, mit denen man festhalten will, dass es mehr als das männliche Geschlecht gibt, sind also „ideologisch“.

Sonderzeichen, mit denen man sich die Mühe sparen will, jedesmal „Schülerinnen und nicht-weibliche Schüler“ zu schreiben, sind vor allem Faulheit.

Versuchen wir den Umkehrschluss: Wenn also jemand bewusst nicht gendert – ist das dann völlig neutral und hat nicht im Geringsten mit einer Überzeugung tun?

Das ist dann auch Faulheit. Sonderzeichen sollen ausdrücklich auch nicht-binäre Menschen miterfassen.

Auch die Einstellung, das generische Maskulinum müsse auch für die Sichtbarkeit von Frauen ausreichen, ist Ideologie.

Wie gesagt, generische Gruppe oder konkrete, hat die Person, die das schreibt, tatsächlich ein Sendungsbewusstsein oder ist bloß faul, darf ich auch Sonderzeichen verwenden, wenn ich einfach nicht weiß, wie ein Wordt geschrieben wird, so als Platzhalter?

Dass sich „Gendern“ überhaupt als Begriff für geschlechtergerechte Sprache durchgesetzt hat, zeigt, wie gut dieser Ideologie-Unsinn bisher funktioniert hat.

Tja, Sprache entwickelt sich halt weiter, und nicht immer logisch oder nachvollziehbar. Aber jedes Mal, wenn ich mich beschwere, teilt man mir mit, dass niemand Klugscheißer leiden kann, also seht mal zu, ob Ihr auch ohne meine Solidarität klarkommt.

Denn auch ein durchwegs im generischen Maskulinum formulierter Text ist ein „gegenderter“ Text, halt einer, der nur ein Geschlecht benennt.

Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch. Also, wenn alle das Wort so verwenden, dass „generisches Maskulinum“ nicht als gendern gilt, sondern Gender*, sonstige Sonderschreibweises, normale Femininformen oder auch Beidnennung, dann heißt das so. Leberkäse ist kein Käse, sondern eine Brühwurt, und enthält auch keine Leber. Auch, wenn man dann eigentlich „bayrische Art“ dazusagen müsste. Man erkennt vllt ein Muster…

„Man kann nicht nicht gendern“, brachte es der Moralphilosoph Gerhard Marschütz kürzlich in einem Interview in der „Taz“ auf den Punkt.

Außer, man spricht türkisch, finnisch und noch ein paar andere Sprachen…

Denn auch ein durchwegs im generischen Maskulinum formulierter Text ist ein „gegenderter“ Text, halt einer, der nur ein Geschlecht benennt.

…oder ich schreibe einen Text über Bäume, Tiere, Wüsten oder was auch immer. Achja, Seescheiden. Klassiker. Ich kann tausend Seiten vollschreiben, ohne ein einziges Mal generisches Maskulinum, Femininformen, Beidnennung oder Sonder* zu verwenden.

Sprachpolitik ist ein Teil von Gesellschaftspolitik und ein Prozess. Diesen kann man beschneiden oder nicht.

Mit Verlaub, bei sehr vielen Leuten, die sich für Gendern mit Sonderzeichen aussprechen, habe ich den schweren Verdacht, dass sie das per Verordnung durchsetzen würden, wenn sie dürften.

neben den bisher genannten seltsamen Begründungen auch mit dem Argument der scheinbar besseren „Verständlichkeit“

Ja, eben – wenn man es „Schüler’innen“ aussprechen soll, warum schreibt man das nicht so? Rhetorische Frage.

Dahingehend ist noch eine Aussage Herrmanns interessant: Mit dem Verbot wolle man „Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offen halten“. … Häh?

Damit die Vorgesetzten einen „Code Red“ nicht anordnen dürfen, aka: einen „Code Red“ dulden, sofern sie davon erfahren, muss er den Vorgesetzten verboten sein. Aber natürlich ist eine Schule oder gar ein Amt kein „offener“ Diskursraum, wegen Machtgefälle.

3 Gedanken zu “Ideologisch

  1. »Begründungen mit dem Argument der scheinbar besseren „Verständlichkeit“«

    Was hat das Adjektiv „scheinbar“ in diesem Kontext zu suchen? Keiner hat jemals ein Argument gegen das Gendern in dieser Form vorgebracht: »Bin dagegen, weil ohne Gendern sind Texte scheinbar besser verständlich.«

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  2. Männliche Katzen_ers und weibliche Hunde#innen muss man halt fragen, was das ist. Bei Schülern sieht man das, oder es ist Wurst. Außer, es ist nicht Wurst, dann sagt man es dazu. In jeder Sprache, ein deutscher Tisch unterscheidet sich vom objektiven Geschlecht nicht von einem italienischen wohl aber im „Gender“. Es ist aber schlicht meistens Wurst, daher sollte man den Quatsch lassen. Schon wegen der Umwelt, erzeugt nur CO2 und hilft niemandem. Gar niemandem, der nicht ausschließlich nur CO2 verbraucht. Ist quasi wie Brandstiftung.

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