Die Macht der Emotionen

Sie machen unglücklich, also sind sie schlecht.

Emojis. Fast dasselbe wie Emotionen.

EIN CRASHKURS IN “EMOJIKETTE”

Um den Wolf Fenris zu fesseln, schmiedeten die Asen eine Kette namens Droma, das heißt „Sitte“. Als er sie mit Leichtigkeit zerriss, schmiedeten sie eine dünnere, aber härtere, die hieß Lädung, das heißt „Gesetz“. Auch diese hielt den Wolf nicht in Banden. Dann beauftragten die Götter die Zwerge, und lieferten ein Seil, fast nur eine Schnur, namens Gleipnir, das „Gewissen“, und damit ist Fenris gebunden bis zum Ende der Welt. Bzw. bis kurz davor, weil die Welt endet, weil er sich losreißt. Eine Emojikette ist natürlich noch viel, viel härter.

🤵🏻‍♂️💔👰🏻‍♀️ – Na, habt ihr’s lesen können? Emojis sind super. Mit nur wenigen Symbolen können wir eine ganze Geschichte erzählen.

Brautpaar trennt sich noch vor der Hochzeit. Wie heißen die beiden? Ohne diese Information ist die Geschichte nur unvollständig.

Aber ist euch was aufgefallen? Das Brautpaar sieht ganz schön stereotyp aus. Was ist eigentlich mit Menschen, die nicht in weißem Kleid und Smoking heiraten, sondern andere traditionelle Kleidung tragen?

Keine Ahnung? In Indien ist mWn safrangelb die Farbe von Brautleuten. Aber wenn ich zwei in safrangelb gekleidete Personen sähe, würde ich nicht sicher wissen, ob das ein Brautpaar ist oder Leute, die zufällig safrangelb tragen.

Oder gleichgeschlechtlichen Paaren, bei denen zum Beispiel die Frau kein Brautkleid trägt? Die sind gar nicht abgebildet.

Wer ist bei einem gleichgeschlechtlichen Brautpaar die Frau? Entweder alle oder keine! Für die Emojis würde man das Symbol für „Braut“ zweimal verwenden oder gar nicht, egal, was die Personen konkret zum Trennungszeitpunkt trugen.

 Wie benutzt man Emojis eigentlich richtig und vor allem diskriminierungssensibel? Welche Emojis fehlen im Hinblick auf Diversität noch? Unser Emoji-Crashkurs gibt Hilfestellung – und schaut schon mal in die Zukunft.

Am besten gar nichts, dann kann man auch nichts falsch machen.

Hände in verschiedenen Hauttönen, Herzen zwischen zwei Frauen, eine genderneutrale, schwangere Person: Die Emoji-Auswahl ist in den letzten Jahren immer vielfältiger geworden.

Die Zeichenfolge Frau-Herz-Frau war aber schon so möglich, oder?

Zu der Frage, wer welchen Hautton bei Emojis benutzen sollte, hat es in der Vergangenheit bereits ordentlich Diskussionen gegeben. In der gängigen Emoji-Tabelle von Apple und Whatsapp lassen sich nämlich insgesamt sechs unterschiedliche Hauttöne auswählen.

Irgendwer hat dann einen siebten Hautton. Und dann kommt die Hautfarbenpolizei und buchtet einen ein. Wegen: Hautfarbe.

Dass es diese Möglichkeit gibt, ist wichtig, denn gerade für BIPoC (Black, Indigenous and People of Color, also Schwarze Menschen, Indigene Menschen und Menschen of Color) ist es in Deutschland und anderen Ländern Alltag, nicht gesehen zu werden.

Indigene Menschen in Deutschland haben die Mehrheitshautfarbe. Da fällt man natürlich nicht auf. Anders ist es bei Leuten mit anderen Hautfarben, die man dementsprechend besonders gut sieht.

Klar ist dabei: Als weiße Person Emojis zu wählen, die dunklere Hauttöne haben, als man selbst, ist eine Form des digitalen Blackfacings und rassistisch.

Das ist in der Form Blödsinn. Minstrel-Shows sind offensichtlich dazu gedacht, Schwarze verächtlich zu machen. Dass jeder Weiße, der sich schwarz schminkt, unabhängig vom Kontext, Schwarze verächtlich machen will, ist bestensfalls ein Zirkelschluss, aber in dubio contra reo. Der Punkt ist aber, dass das Bild einer schwarzen Person kein Blackfacing ist.

Auch wenn du es gar nicht böse meinst: Als weiße Person sind Schwarze Emojis schlicht nicht für dich gedacht.

Ich dürfte das Bild einer Braut und eines Bräutigams verwenden, auch wenn ich beides nicht bin, aber nicht das Bild eines Schwarzen? Ausdrücklich auch dann nicht, wenn ich nicht behaupte, dieser Schwarze zu sein? Wer darf dann denn das schwangere-Mann-Emoji benutzen?

In einer rassistischen Welt, in der Schwarze Menschen, Indigene und Personen of Color täglich mit rassistischen Herabwürdigungen und Ungleichbehandlungen konfrontiert sind, ist es wie ein Hohn, ihre Hauttöne wie ein Kostüm an und wieder auszuziehen.

Darf ein Schauspieler einen Obdachlosen spielen?

Es fetischisiert sie und degradiert ihre Merkmale zu einer Art Schmuck

Um das jetzt abzukürzen: es gibt sicher Fälle, wo genau DAS passiert, es gibt Fälle, wo man das vermuten kann, aber ein Emoji ist kein Kostüm, keine Verkleidung und kein Schmuck.

Und, wenn du einen bestimmten Hautton vermeiden willst? Zum Beispiel wenn du dich gar nicht selbst meinst und mit deinen Emojis eher etwas Allgemeines erzählen willst? Dafür gäbe es ja noch die gelben Emojis.

Ja, aber das ist jetzt nicht der Punkt. Was, wenn ich jemanden erzählen will, dass ein schwarzhäutiger Bräutigam aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis sich von seiner olivhäutigen Braut getrennt hat? Oder umgekehrt?

Die gelbe Farbe soll gar keinen tatsächlichen Hautton abbilden, sondern gilt einfach als Farbe des Standard-Emojis.

Was etwas darstellen SOLL, ist ja sonst auch egal, oder? Verbrennt die Rassisten!

Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, vermeidet die Nutzung gelber Emojis.

Mein Vater hatte mal „Gelbsucht“. War nicht wirkliche Gelbsucht, aber die Hautfarbe halt. Welches Emoji nehme ich dann bitteschön dafür?

Fassen wir also zusammen: Wenn du Emojis in Hauttönen nutzt, wähle am besten einen Ton, der sich möglichst nah an deiner eigenen Hautfarbe orientiert.

Auch, wenn das Brautpaar eine andere Hautfarbe hat. Diese Tipps sind nicht einfach unlogisch, sondern vor allem unpraktikabel.

Emojis verstärken ein heteronormatives Weltbild

Nicht: Hetero-Emojis, sondern ALLE! Auch die, die Elefanten, Hamburger oder Schneeregen darstellen sollen.

Wie wär’s denn, wenn man sich die Kleidung, oder zumindest die Farbe der Kleidung, und die Hairstyles selbst aussuchen könnte?

Außerdem Haarfarbe und Augenfarbe, Anzahl der Finger – KI scheitert an so etwas ganz über – sowie die Farbe der Haut…? Achnee, Hautfarbe darf man sich nicht aussuchen. Alles andere, aber DAS nicht.

Auch im Bereich körperlicher Diversitäten und Behinderungen hat sich viel in Sachen Sichtbarkeit getan. So gibt es inzwischen Emojis von Personen, die einen Rollstuhl nutzen, von sehbehinderten Personen und sogar Prothesen und ein Hörgerät. Für eine sensible Nutzung dieser Emojis gilt das Gleiche wie für die Auswahl verschiedener Hauttöne: Wenn du nicht betroffen bist, benutze sie nicht für dich selbst.

Wenn man bei TwiX Flaggen verwendet, deren Nationalität man nicht hat, gilt das als Zeichen der Solidarität. Bei rigoroser Anwendung muss für Flaggen, Wappen und religiöse Symbole genau dasselbe gelten. Aber macht mal.

Selbstverständlich kannst du das Rollstuhl-Emoji nutzen, wenn du tatsächlich über einen Rollstuhl sprichst und diesen abbilden möchtest. Willst du allerdings lediglich zum Ausdruck bringen, dass du heute nicht laufen magst und müde bist oder Muskelkater hast, dann wähle unbedingt ein anderes Emoji

Random Beispiel – ist das schon mal vorgekommen?

Es fällt auf, dass trotz der mittlerweile breiten Palette an Anpassungsmöglichkeiten bei Emojis – von Frisuren bis hin zu Kleidungsstücken – die Darstellung dicker Menschen noch immer zu wünschen übrig lässt. Ist es nicht merkwürdig, dass wir in einem mittlerweile hoch diversifizierten Emoji-Universum immer noch keine Emojis für Personen mit verschiedenen Körperformen haben?

Könnte man das schwangerer-Mann-Emoji nicht dafür…? Nein? Ok, WENN es Emojis für verschiedene Körperformen gäbe, käme jetzt die Vorschrift, dass alle nur die verwenden dürften, die dem eigenen BMI am besten entsprechen. D.h., das Mehr an Freiheit würde unmittelbar wieder eingeschränkt werden. Wozu das also? Bringt lieber ein paar mehr Tier-Emojis.

Dabei ist es keineswegs diskriminierend, Menschen mit Mehrgewicht als solche zu benennen und zu zeigen. Viel problematischer ist es, diese Vielfalt absichtlich zu ignorieren und zu verschweigen.

Übergewicht ist kein Kostüm oder Schmuck. Wenn sich das ein normalgewichtiger Mensch aneignet, fetischisiert er übergewichtige Menschen. Bzw., ich werde Euch das einfach SO unterstellen und jeden Versuch einer Rechtfertigung Eurerseits als Lüge bezeichnen.

Indem bestimmte Körper(-formen) nicht abgebildet werden, entsteht überhaupt erst der falsche Eindruck, dass bestimmte Körpermerkmale nicht akzeptiert sind.

O-der, da nur übergewichtige Menschen übergewichtige Emojis verwenden dürften, will man verhindern, dass IHR die nutzt.

Das ist ein bisschen so, wie dicken Menschen dauernd zu sagen, sie seien ja gar nicht dick.

Das ist überhaupt nicht so.

Statt dauernd so zu tun, als seien wir alle gleich, sollten wir die Unterschiede benennen und dagegen aktiv werden, dass Menschen deshalb unterschiedlich behandelt werden.

Also, ich muss mir inzwischen engere Hosen kaufen, bin aber trotzdem dick. Wenn es Emojis für „Dicke Menschen“ gäbe, würde ich sie nicht benutzen und EUCH deren Nutzung verbieten, mit genau Eurer Begründung. Also Keks.

Insgesamt kommt auch die Frage auf, ob eine begrenzte Auswahl an universellen Emojis nicht schlauer wäre als eine immer weiter fortschreitende Diversifizierung des Emoji-Universums… Wie wär’s also nur noch mit Emojis, die keine typischen Geschlechtsmerkmale haben?

Ihr wollt darüber reden, dass jemand dick ist, aber nicht, dass er ein Mann ist? Nagut…

Tampon – immer noch not found auf der Emoji-Tastatur

Oder Zahnspangen.

Wie wäre es zum Beispiel mit einer Person mit Kippa, liebes Unicode-Consortium?

Welches Geschlecht hätte diese Person vermutlich?

Die Aubergine könnten wir gern mal gegen einen Penis ersetzen und das Emoji eines Pfirsichs mit dem einer Vulva tauschen.

Die Aubergine soll eine Aubergine darstellen und der Pfirsich einen Pfirsich. Wenn IHR die immer falsch verwendet, ist das nicht unsere Schuld.

Es geht darum, Menschen mit Behinderung als integraler Bestandteil unserer Gesellschaft zu zeigen. Als Polizistin…

Mit welcher Behinderung dürfte man eigentlich bei der Polizei arbeiten?

LGBTQ Flagge und Transgender Flagge sind toll. Aber wo sind die lesbische Flagge, die Schwule oder die Bi-Flagge? Her damit!

Sorry, die LGBTQ+*-Gemeinschaft denkt sich schneller neue Flaggen aus, als die Emoji-Macher nachkommen können. Beschwert Euch bitte bei denen.

Es wäre auch mega, eine erweiterte Auswahl an Kleidungsstücken zu haben, die über Kleid, T-Shirt und Hose hinausgehen. Es gibt viele traditionelle Trachten, Muster auf Kleidungsstücken, Schnitte aus aller Welt, die uns in der Auswahl noch fehlen.

Aber nur für die, die die auch in echt tragen dürften.

Dazu passt die immer noch recht eingeschränkte Auswahl an Lebensmitteln und Gerichten.

Weiter oben wolltet Ihr noch Auberginen und Pfirsiche abschaffen. Also, persönlich mag ich Auberginen auch nicht, aber ich bin nicht das Maß aller Dinge.

Statt alle (Geschlechts-) Identitäten unbedingt irgendwie abbilden zu wollen und damit unausweichlich Stereotype und bestimmte Narrative zu bestätigen, wollen wir mehr einfache Emojis, die eher die Botschaft als die Identität der Beteiligten in den Mittelpunkt stellen.

EINFACH. Schreiben. WAS. IHR! MEINT!!!111!

2 Gedanken zu “Die Macht der Emotionen

  1. Nicht „einfach schreiben“… Sondern: Einfach selbst BESSER machen:

    Einfach Emojis SELBST kreieren UND programmieren, einfach SELBST in die entsprechenden Gremien sitzen, die über die Aufnahme neuer Emojis (braucht die eigentlich jemand?) entscheiden oder, noch besser, selbst ein „WokeApp“ programmieren, in dem ihr EURE höchstpersönlich erträumten Emojis nutzen könnt. Kann nicht allzu schwer sein, soweit ich weiß, kann auf dem Opensource- Code von z.B. Signal aufgesetzt werden.

    Und damit Diskriminierung ausgeschlossen werden kann, am besten NUR gründlich auf Inklusivität geprüfte Emojis, aber keinesfalls Text zulassen. Sonst könnte irgendwelche Typen vielleicht das tolle Programm anders nutzen als von den Superprogrammierer innen, -außen und alles dazwischen gedacht …

    Dann wird das bestimmt ein genialer Erfolg, so wie … äh … ach, mir fällt aus unerfindlichen Gründen kein Programm ein, das aufgrund seiner Diversität durchschlagend wurde.

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  2. Insgesamt kommt auch die Frage auf, ob eine begrenzte Auswahl an universellen Emojis nicht schlauer wäre als eine immer weiter fortschreitende Diversifizierung des Emoji-Universums… Wie wär’s also nur noch mit Emojis, die keine typischen Geschlechtsmerkmale haben?

    Hat da etwa jemand „Jehova“ oder gar „generisches Maskulinum“ gesagt?

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