Männerarbeit!

Nein, nicht Möbelschleppen. Laut dem hier gilt:

Männerarbeit ist Versöhnungsarbeit

Versöhnung von Männern oder Versöhnung an Männern? Man weiß es nicht. Der Vortrag ist von 2018, also nicht aktuell, aber so richtig scheint er sich nicht geändert zu haben.

Geschätzte Anwesende

Liebe Kollegen

Die weiblichen Anwesenden sind also alles keine Kolleginnen? Oder benutzt er etwa das generische Maskulinum?

Mir gefällt es, dass die katholische und die evangelische Männerarbeit ihre Ressourcen an diesem Tag zusammenlegen und gemeinsam eine ökumenische Tagung durchführen.

Die Witze von wegen: „Feminismus der vierten Welle hat selbst schon Religionsstatus erreicht!“ bitte sparen. Dazu kommen wir später.

Mir gefällt auch der Tagungstitel: „Einfach Mann sein?!“

Es gibt kirchlicherseits diverse Einschränkungen, denen man als Mann oder Frau unterworfen sein sollte; aber immerhin, als Mönch lebt man so lange wie als Nonne, also länger als der Durchschnittsmann. Im kirchlichen Zusammenhang lautet die Antwort also: „Lieber nicht, sondern lebe so, dass Dein Geschlecht gar keine Rolle spielt.“

Ja, diese Sehnsucht kenne ich auch: „Einfach“ Mann zu sein.

So verlockend ist das aber gar nicht. Und jetzt nicht nur aus feministischen Gründen, insofern ist diese Sehnsucht Sehnsucht nach etwas, was man eh‘ nie kriegt.

Doch Moment, was soll das eigentlich heissen, „einfach Mann zu sein“? Unreflektiert Mann sein? Einfältig Mann sein? Rücksichtslos Mann sein? Kaum.

Doppelt Mann sein schon mal gar nicht. Aber da „wir“ uns eh nicht drauf einigen werden, was „wir“ uns jeweils darunter vorstellen – was will uns dieser Vortrag überhaupt sagen?

Fürwahr, am einfachsten wäre Mann-sein, wenn es dabei nichts zu überlegen und zu gestalten gäbe, weil bereits alles vorgegeben ist.

Warum wäre das so? Ich könnte auch sagen, dass, wenn es keinerlei Vorgaben gäbe, es noch einfacher wäre. Nebenbei, lieber Feminismus, Du betrachtest Dinge als „männlich“, die meiner Meinung nach mit dem Geschlecht wenig bis gar nichts zu tun haben – warum eigentlich?

Doch das ist ja genau die Situation, die wir ändern wollen.

„Ihr“ wollt die Vorgaben ersatzlos streichen, oder „Ihr“ wollt neue Vorgaben machen? Ich weiß, das wird weiter unten ausgeführt, aber an DER Formulierung ist das nicht erkennbar.

Wir wollen raus aus vorgefertigten Schablonen, wollen Männlichkeitskorsette sprengen

Fun-Fact: Korsette waren deutlich besser als ihr heutiger Ruf. Welcher zwar viel Luft nach oben lässt, aber der bessere Vergleich für das, was er „uns“ vermutlich sagen will, wäre „Zwangsjacke“. Aber dann könnte er das Männerrollenbild nicht „weiblich“ markieren.

und uns eben gerade nicht in der Zwangsjacke unserer Väter und Vorväter wiederfinden

Seht Ihr? Er benutzt beides. Ich bin (fürs Protokoll) nicht der Ansicht, dass mein Vater demselben Rollenbild unterworfen war wie mein Großvater.

uns eben gerade nicht resouveränisierend einer vermeintlich einfachen „Männlichkeit“ versichern.

Ich glaube NICHT, dass die Mehrheit heutiger Männer, oder auch nur eine besonders große Minderheit, die Schützengräben vermisst.

Doch warum soll das Beschreiten von Neuland „einfach“ sein?

In dem Fall? Weil man einfach nichts mehr machen muss, was einem „früher“ per Geschlecht aufgedrückt wird, sondern nur die Dinge davon, die einem tatsächlich Spaß machen, oder deren Sinn und Nutzen man geschlechtsunabhängig nachvollziehen kann.

Es geht also wohl weniger darum, einen einfachen Weg zu beschreiten als vielmehr darum, auf einem schwierigen Weg einfach Schritt um Schritt gehen zu können.

Frage an „den“ Feminismus: was lässt „Dich“ vermuten, dass alle Männer dasselbe wollen? Oder, wenn Du das nicht vermutest, warum drängst Du darauf, dass alle in dieselbe metaphorische Richtung gehen?

Was macht das Gelände so unwegsam?

Ihr.

Ich vereinfache grob und sage: Dass wir uns als progressive Männer mitten im Spannungsfeld von feministischen Ansprüchen und einem Männlichkeits-Backlash wiederfinden.

Um den Vorwurf des „victim blaming“ vorwegzunehmen: ich sage nicht, dass Ihr das so „verdient“ hättet, aber ich muss feststellen, dass Ihr Euch freiwillig und ohne besonderen äußeren Druck in diese Situation begeben habt.

Wir leben in einer Zeit, in der Männer mit Macht die Welt wieder einmal in den Abgrund zu führen drohen.

Danke, Merkel!

Wir sehen Männer mit Macht in einer Handlungslogik von grosser Schlichtheit – so wie damals auf dem Schulhof: Aug um Aug, Zahn um Zahn.

Auf meinem Schulhof war das aber nicht so. Aber gut, Trump und Putin sind nicht ganz die 3D-Schachspieler, für die ihre Fans sie halten…

Wer ist der Stärkere, wer hat den Grösseren?

Wer hat den meisten Erfolg bei Mädchen?

Ich möchte mich heute deshalb auch der Frage zuwenden, welche Aufgabe Männer und Männerarbeit in einer Zeit haben, in der Männlichkeits-Karikaturen wie Trump, Putin & Co. genau jene toxischen Männlichkeiten neu aufleben lassen

Auch ohne die jetzt in Schutz nehmen zu wollen: kein Mensch ist toxisch. Ansonsten ja, Populisten versuchen, die einfachsten Lösungen für komplexe Probleme anzubieten, weil das das ist, „was die Leute wollen“, aber es ist auch eine einfache Lösung, Männer in der Schweiz umzuerziehen, damit Putin gestürzt wird.

Was ist die Alternative zu Wut und Hass gegenüber diesen Figuren? Was ist die Alternative zu Ohnmacht und Rückzug in dieser Situation?

Freude und Liebe gegenüber anderen Figuren? Irgendwie bin ich derartig nicht seine Zielgruppe, dass ich nicht einmal intuitiv erraten kann, was er will…

Ich möchte dabei starten mit einer persönlichen Wahrnehmung: Wenn ich diese mächtigen Männer ansehe, dann kann ich das Bild, das sie abgeben wollen, kaum halten.

Das ist so etwas Triviales, dass ist noch trivialer als „Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden“. Natürlich sind antisemitische Vorurteile falsch. Natürlich können Frauen autofahren. Natürlich sind Trump und Putin nicht Gottes Geschenk an die Menschheit. Wenn er tatsächlich darüber diskutieren will, bin nicht nur ich nicht seine Zielgruppe.

Spätestens nach ein paar Sekunden sehe ich nicht mehr den mächtigen Mann, sondern den ohnmächtigen Jungen. Aus der Verachtung wird dann plötzlich Mitleid, manchmal Mitgefühl. Das lindert die Wut. Die Angst aber, die bleibt.

„Die Gefahr ist real, Angst eine Entscheidung.“ – „Der Pfad zur dunklen Seite Angst ist.“ – „Angst ist eine Emotion.“ – „Ich habe keine Angst. Sie ist der kleine Tod.“ Man sieht, ich kann endlos über Gefühle reden, indem ich einfach Filme zitiere.

Denn diese ohnmächtigen Männer sind verletzte Jungen, die sich entschieden haben, lieber die Welt untergehen zu sehen als sich ihrer Verletztheit zu stellen.

Das will ich noch nicht einmal ausschließen, ist aber kein Problem, dass er mit Männerarbeit wird lösen können.

Diese mächtigen Männer sind isolierte Männer, gespaltene Männer, einsame Männer auch, denn sie haben das Wichtigste verloren: sich selbst.

Angst essen Seele auf!

Eine erste Antwort haben wir dadurch bereits: Progressive Männerarbeit sollte das besser machen, sollte sich den Wunden und Verletzungen zuwenden.

Ich möchte hinzufügen: ohne Viktimbläming. Was regelmäßig passiert, wenn gesagt, dass die Wunde oder Verletzung dieses Mannes durch einen anderen Mann verursacht wurde.

Das ist die Voraussetzung, damit man(n) einfach sei kann. Über Wunden und Verletzungen zu sprechen, ist aber selbst in diesem Kreis nicht unproblematisch.

Wenn man – was ja vorkommt – keine Wunden oder Verletzungen hat? Bzw., wenn diese verheilt oder vernarbt sind? Außer meiner Sicht ist der Hauptgrund, nicht darüber zu Reden, die Erfahrung, dass das nichts bringt.

Schliesslich sollen wir ja ressourcen-orientiert sein, Kraft geben, „empowern“.

Ich will das eigentlich gar nicht sein, andererseits ist das noch ein Argument – wenn andere einfach finden, dass sie von meinen Problemen verschont bleiben wollen, weil sie sie runterziehen, und sie mir trotzdem nicht helfen können, ist das schon ein Grund für mich, die Klappe zu halten.

Es sind letztlich zwei einfache Fragen, die ich stelle:

Woran leiden Männer? Und wie heilen Männer?

Die Fragen sind nicht „einfach“. Es wird unzulässig vereinfacht, indem suggeriert wird, alle Männer litten an derselben Sache. Außerdem, wie ist die zweite Frage gemeint? Wie Männer andere heilen? Oder wie Männer verheilen?

  1. Woran leiden Männer?

Dafür nutze ich das Bild des Eisbergs, bei dem nur der oberste Teil gut sichtbar ist. Lassen Sie uns gemeinsam in die Tiefe tauchen.

Yäy, Liste!

1.1 Biologie und Biografie

Ganz dünnes Eis, diese Biologie, gaaaanz dünnes Eis.

Wenn ich Ihnen die Frage „Woran leiden Sie?“ stelle, dann werde ich mit grösster Wahrscheinlichkeit sehr konkrete Aussagen erhalten:

Nein, wieso? Meint er jetzt gerade oder grundsätzlich?

An meinem Vorgesetzten.

Hab ich nicht.

An den Launen meiner Frau.

Hab ich auch nicht. Aber Gefühle sind was Tolles, woll?

An der Höhe meines Salärs.

Ein „Salär“ habe ich auch nicht.

An der Höhe des Salärs meines Nachbarn.

Kenne ich nicht, ist mir aber egal. Ok, das sind mögliche Antworten.

An meinem Gewicht oder meinem Aussehen.

Übergewicht verursacht Krankheiten, denen ich Narben zu verdanken habe. Was wäre anders, wenn ich eine Frau wäre? All das hat nichts mit meiner männlichen Biologie oder Biographie zu tun.

1.2 Zeitgeist und Kultur

Schon weniger sichtbar, aber wohl für alle von uns spürbar ist der Wandel des Männerbilds, der sich am Vollziehen ist.

Schützengräben sind inzwischen leider wieder „im Kommen“. Ich fand es ohne auch besser!

Wir nehmen einerseits wahr, dass traditionell männliches Verhalten zusehends problematisiert wird.

Das war „früher“ auch schon so. Theunert hat es bloß nicht wahrgenommen.

Übergriffige Männlichkeit wird nicht mehr gedeckt. Das „Kavaliersdelikt“ gibt es nicht mehr.

„Das“ Kavaliersdelikt gab es sowieso nie. Ein Kavaliersdelikt ist eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die von der Gesellschaft oder jedenfalls größeren Teilen davon, nicht als ehrenrührig oder unmoralisch angesehen wird. Das kann Falschparken sein oder auch Duelle mit scharfen Degen.

Das ist grundsätzlich begrüssenswert. Aber die Problematik bleibt: Es reicht nicht, die Liste von unerwünschtem Verhalten einfach zu verlängern und die Verunsicherung entsprechend zu vergrössern.

Ich kann mich an meine Schulzeit erinnern, wo (männliche) Lehrer deutlich machten, dass sie es unterstützen, wenn Mädchen Jungs eine Ohrfeige verpassen würden, nachdem diese sie begrabschten. Oder zwei. Das war definitiv VOR #metoo

Wir müssen vielmehr das Orientierungsvakuum füllen. Uns fehlt der Kompass, was nachhaltige Männlichkeit ist.

Ich habe keinen Tag meines Lebens gedacht, dass Übergriffigkeiten „gedeckt“ würden. Ich bin auch tatsächlich nicht rückblickend der Ansicht, dass ich die Gelegenheit  damals verpasst hätte. Worin bestünde das Vakuum?

Die Verkehrung traditioneller Männlichkeitsbilder in ihr saft-und kraftloses Gegenteil ist keine gelingende Option.

„Keine Frauen begrabschen“ ist nicht das „saft- und kraftlose“ Gegenteil von „Frauen begrabschen“, aber das Gegenteil UND eine Option. Und ich finde die Wortwahl doch sehr befremdlich.

Auf der anderen Seite verlängert sich die Liste der Ansprüche an Männer in ebenfalls erstaunlicher Geschwindigkeit.

Ja, die beliebten catch-22s aus der Hölle.

[Lange Liste von Superkräften…] Auch dieses männliche Chamäleon von heute muss volle Performance in jeder Lebenslage erbringen, ist leistungsstark und erfolgreich, fit und kräftig, souverän und abgebrüht.

Ja, aber nicht, um ein erfolgreicher Mann zu sein, sondern um ein erfolgreicher Mensch zu sein. Wenn das von Männern erwartet wird, dann eben auch von Frauen.

Unser Männlichkeitsverständnis ist in rasantem Wandel. Bloss: Es erneuert sich nicht, sondern erweitert sich nur.

Wäre es ihm lieber, es würde sich einengen? Die rückgratlose Drohne, die für genau eine Sache gut ist?

Ein „richtiger“ Mann kombiniert die Qualitäten seines Vaters und Grossvaters mit den neuen Anforderungen an einen „modernen Mann“. Das ist unter dem Strich eine Überforderung – und bleibt Gewalt an sich selbst.

Nein, mein lieber Herr Theunert, einfach nur NEIN! Es ist eine Überforderung, aber keine Gewalt an sich selbst, weil diese Anforderungen nicht von den jeweiligen Männern ausgehen. Oder von anderen Männern, was das betrifft…

Männlichkeit ist auch heute nicht trennbar von der Anforderung, sich selbst und andere zu beherrschen und auszubeuten.

Warum „andere“ ausbeuten? Eben war doch noch davon die Rede, alles alleine zu schaffen. Solche „non sequiturs“ sind mittlerweile Standard.

Mann sein heisst, an unerreichbaren Männlichkeitsidealen zu scheitern.

Eigentlich nicht. Bzw., ich persönlich bin tatsächlich nicht der Ansicht, diese Ideale erreichen zu können, aber wenn ich scheitere, scheitere ich nicht an den Idealen, sondern an denen, die ihnen näher kommen als ich: meiner männlichen Konkurrenz.

So wie ich bin, bin ich nie genug.

Die Konsequenz wäre entweder: ich muss nicht schneller sein als der Löwe, sondern schneller als das langsamste Mitglied meiner Herde, oder: ich begebe mich nicht in Situationen mit Löwen.

Wir leiden weiter an einer Abwertung des Männlichen, an einer Art Sippenhaftung, an einer suggerierten Erbschuld.

Und unter einem Feminismus, der die Anforderungen jedes Jahr höher dreht. Aber hey, im Kirchenkontext ist Erbschuld etwas anderes.

Denn dass all dieses Leiden strukturell bedingt ist, uns von anderen Männern nicht unterscheidet sondern mit ihnen verbindet: Das dürfen wir nicht sehen.

Interessant. Wer würde es uns verbieten? Und wenn zumindest einige von uns der Ansicht sind, in diesem Rennen nie gewinnen zu werden und deshalb aufhören wollen, mitzulaufen – wer könnte sie zwingen, trotzdem mitzumachen? Theunert scheint keine Ahnung zu haben.

1.3 Sozialisation und Identität

Nun gut, die Herausforderungen mögen tough sein, aber wir Männer sind ja auch tough, wenden Sie ein?

Nein, wende ich nicht ein. Die Spiele werden härter, die Preise bleiben gleich, der Spaß, den man auch beim „Dabeisein“ hat, nimmt ab. Ich bin eher an Methoden interessiert, die „Herausforderung“ zu reduzieren.

Ich widerspreche. Männliche Sozialisation ist auch heute noch im Wesentlichen die Lernerfahrung, dass es leichter geht, wenn man weniger spürt,

Das ist KEIN Widerspruch. Das ist die Bestätigung. Nun bedeutet „Taffigkeit“ natürlich nicht, dass man Probleme löst, aber man leidet unter dem Versuch nicht so sehr, dass man ihn direkt abbricht.

Ein „richtiger Mann“ darf seinen Körper benutzen, nicht aber in seinem Körper zuhause sein, ihn nicht lieben, hegen und pflegen.

Nur, weil man keine 20 Ocken für einen neuen Haarschnitt raushaut, heißt das nicht, dass man unter Selbsthass leidet.

Er darf seinen Verstand benutzen, aber er darf nichts fühlen, was die Fassade der Stärke in irgendeiner Weise besudeln könnte.

Wie könnte ein Gefühl irgendeine Fassade „besudeln“, und sei es auch nur metaphorisch? Nebenbei, weil das ein durchgehendes Problem mit Feminismus ist: wenn gemeint ist, Männer dürften nicht über ihre Gefühle reden, ist gemeint, dass sie nicht über ihre Probleme reden dürfen. Heißt in dem Kontext, der Mann dürfe seinen Verstand lösen, um seine Probleme zu lösen, aber wenn nicht, soll er den Rest der Welt damit in Ruhe lassen. Ok, das ist Männern gegenüber nicht ok, aber der Feminismus übernimmt die Gleichsetzung „Gefühle = Probleme“, also das, was daran eigentlich kritisiert werden sollte.

Er darf seine Freiheit benutzen, solange er sie in den gesetzten engen Grenzen zu halten weiss.

Jaaa, bei Feministen ist das völlig anders.

Mann-Sein ist bis heute verbunden mit der Pflicht zur Entfremdung vom «Eigentlichen», der Seele, dem Selbst, dem Wesen eines Menschen.

Ja, logisch. Sonst käme er erst gar nicht auf die IDEE, dass es süß sein könnte, fürs Vaterland zu sterben, auch wenn’s posthum geehrt wird. Oder fürs Mutterland, Gleichberechtigung und so.

Im traditionellen Arbeits­teilungsmodell, das Männern den Bereich der Erwerbsarbeit zuweist, kommt dazu die Verwehrung väterlicher Liebe und Zuwendung, das Fehlen eines lebensdienlichen Vorbilds.

Es gibt eine Menge Geschichten von Frauen, die väterliche Liebe und Zuwendung ihren Kindern verwehren. Aber mit „lebensdienlichen“ Vorbild hätte er mich fast gehabt.

Die Brutalität ist ganz offensichtlich – und trotzdem leiden wir still und einsam vor uns hin.

Play silly games, win silly prices. Ja, ein Stück ist dieses Problem wirklich selbstgemacht, aber weil er die Situation nicht durchschaut, sind Lösungsansätze fehlerhaft.

Wenn es männlichen Leidensdruck gibt und dieser gross ist, sich aber trotzdem nicht zu äussern vermag, dann muss es einen noch grösseren Gegendruck geben: die Angst vor dem Dammbruch.

Oder, die mögliche Belohnung ist „ein Stück“ besser als das Leiden. Aber nunja, was meint er mit Dammbruch?

Es ist ein Teufelskreis: Weil die Männlichkeitsideale gleichermassen unerfüllbar wie unentrinnbar sind, hält das Wachsen meines Leidensdrucks stets Schritt mit dem Wachsen meiner Angst davor, ihnen nicht zu genügen.

Müssten Frauen dann nicht dieselben Probleme mit Weiblichkeitsidealen haben?

Je mehr ich leide, umso mehr wächst meine Angst vor Veränderung und umso schärfer muss ich gegen jedes Anzeichen von Leiden vorgehen

Na, eigentlich ist die Idee, dass man „gut genug“ für irgendeine Frau sein kann; das wäre ja ein realistischer Gedanke. Wenn Theunert jetzt sagt, „Nein, kannst Du nicht!“, nagut, was will er noch von mir? Wenn ich ihm glaube, gebe ich auf.

bis dass ich innerlich tot oder geplatzt bin. So werden Bonsai-Männer gezüchtet. So entstehen «Männchen», aus denen nie Männer werden.

Komische Wortwahl, aber nagut – entweder, die, die Anforderungen an Männer haben, schrauben die etwas runter, oder es steigen so viele aus diesem Wettkampf aus, dass die paar, die da noch mitmachen – Female Choice – den „Heiratsmarkt“ unter sich aufteilen.

Auch nach 20 Jahren in der Männerarbeit empört es mich immer wieder von Neuem, welche Grausamkeit Jungen und Männern angetan wird, welche Grausamkeit sich Jungen und Männer antun.

Yäy, ein Gefühl, ein Gefühl!

Es gibt keinen Schuldigen, auf den man zeigen könnte

Doch, er zeigt auf Männer. Im Kollektiv.

Wenn wir Leiden sind wir keine „richtigen Männer“ mehr.

Nein. Wenn „wir“ leiden unter etwas, bei dem man von uns erwartet, dass es uns gefälligst Spaß zu machen hat, sind wir keine richtigen Männer. Warum ist „schwul“ eine Beleidigung? Schwulen macht es keinen Spaß, Frauen hinterherzulaufen.

1.4 Vergangenheit und Trauma

Verzeihen Sie, aber ich komme erst jetzt zum schwierigen Teil. Ich möchte Sie dafür kurz an etwas sehr Persönlichem teilhaben lassen.

Ja, das jetzt als „Daddy Issues“ oder dergleichen zu verharmlosen, wäre ein recht billiger rhetorischer Trick. Aber er ist nicht der erste Feminist mit einem schwierigen Vater. Außerdem: anekdotische Evidenz.

Wir müssen also davon ausgehen, dass wir nicht nur unsere eigenen Verletzungen in uns tragen, sondern auch die Wunden unserer Väter und Vorväter in uns schmerzen, natürlich auch die Wunden unserer Mütter und Grossmütter.

Ich trage ggfs. die Wunden meiner Eltern und Großeltern, aber nicht die von Theunerts Eltern und Großeltern. Also ja, mein Mitgefühl und so, aber das ist buchstäblich nicht mein Problem.

Wir müssen beispielsweise davon ausgehen, von Frauen grossgezogen worden zu sein, die selbst vergewaltigt wurden, Vergewaltigungen miterlebt haben, ständiger Angst vor Vergewaltigungen ausgesetzt waren. Was macht das mit uns?

Kann ich natürlich nicht pauschal ausschließen, wäre aber nicht meine Schuld. Bei allem Respekt. Aber keine Erbschuld suggerieren hier, naihn.

Was macht das mit unserer Sexualität? Wie können wir an die liebende Kraft männlicher Sexualität glauben und vertrauen, wenn unsere nächsten Angehörigen damit Schrecken und Leiden verbinden?

Keine Ahnung? Ich muss an die „liebende Kraft männlicher Sexualität“ nicht glauben oder gar vertrauen, oder irgendeiner Sexualität, wo wir davon sprechen, sonst wäre das jetzt wirklich eine Religion. Ich muss Verantwortung für das, was ICH tue, übernehmen, und bin einigermaßen zuversichtlich, als liebevoll gelesen zu werden. Oder ich lasse es gleich.

 Ich will aber mit Bestimmtheit sagen: Da ist noch ganz viel unbearbeitet.

Ja, aber ganz ehrlich – es kann effektiv nicht meine Aufgabe sein, jedes Trauma jedes Menschen in meinem Umfeld aufzuarbeiten. Und ganz sicher nicht, um Sexualität – ein recht durchschaubarer biologischer „Mechanismus“ – auf irgendeine Meta-Ebene zu erheben.

Und es ist unsere Pflicht, diese Arbeit endlich zu erledigen, die von unseren Vätern und Vorvätern nicht erledigt worden ist.

Keine unerfüllbaren Anforderungen und überhaupt keine Erbschuld an dieser Stelle, meine Dame und Herren, nicht die Spur von alledem!

Damit komme ich zur zweiten Frage.

Ja, die kommt morgen.

2 Gedanken zu “Männerarbeit!

  1. Jupp, Korsette für Frauen machen Frauen mehr sexy. Korsette für Männer machen Männer total tuntig. Das ist das schöne, wenn man ein Mann ist: kann man ja tragen, wenn man will.

    Frauen verstehen das nicht so.

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  2. Nachtrag: >Die Verkehrung traditioneller Männlichkeitsbilder in ihr saft-und kraftloses Gegenteil ist keine gelingende Option

    Das zitierte ist so der einzige Satz, den ich dem Autor glaube. Weil davon hat er offensichtlich Ahnung.

    Was das Geschwafel von „Männlichkeitsbilderm“ soll, weiß ist nicht. Ich bin nicht schwul. Ist angeboren oder enormer sexueller Missbrauch in der Kindheit, aber so als normaler, heterosexueller Mann empfinde ich nicht einmal Mitleid mit dem Deppen, weil der ist so rein praktisch schon ein Mann, und der kann sich ebenso offenbar selbst eine super-tiefe Grube graben. Ist ein Mann. Kann das. Oder stirbt halt.

    Das echte soziale Problem ist, dass wir ihm dabei nicht helfen. Sagt er ja auch.

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