Theologie für Fortgeschrittene

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Jesus – auch als Mädchen berühmt?

Nein, bei Mädchen wäre es völlig normal, über Wasser zu gehen, Tote zu erwecken und Dämonenlegionen zu besiegen.

Das ist eine interessante Frage, liebe Lia! Solange aber niemand in die Vergangenheit reisen kann, um den kleinen Jesus mit einem Mädchen zu ersetzen, werden wir es nicht ganz sicher wissen können.

Selbst, wenn man den kleinen Jesus durch einen anderen Jungen ersetzen würde, würde dieser Junge sehr wahrscheinlich nicht so berühmt werden. Wenn man den kleinen Beethoven durch einen anderen ersetzen würde, wäre das ja auch nicht DER Beethoven. Oder eine Liese Beethoven. Oder eine Karla Marx.

Manche Menschen argumentieren damit, dass Jesus ja wegen seiner Wundertaten berühmt geworden ist.

Ja, und Beethoven ist durch seine musikalische Kreativität berühmt worden. Eine andere Person – männlich oder weiblich – müsste dieselbe Kreativität haben, um genauso berühmt zu werden.

Wenn eine Frau diese Wundertaten vollbracht hätte, dann stehen die Chancen nicht schlecht, oder?

Ich würde sogar sagen, dass eine hinreichend wundertätige Schildkröte berühmt geworden wäre, aber ok.

Wir sagen jetzt mal, Maria und Josef nennen das Kind Jess. Die kleine Jess darf genauso, wie es Jesus getan hat, in die Schule gehen und lesen und schreiben lernen.

Ja, oder, sie bringt sich das einfach selber bei. Wegen: „Wunderkind“ und so. Oder durch die Gnade Gottes hat sie das Wissen über die komplette Tora einfach so erlangt. Was? Auch kein sooo großes Wunder.

Wer weiß, vielleicht hätte sich das Christentum dann ganz anders entwickelt. Vielleicht hätte sich eine katholische Kirche etabliert, in der Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer.

Ob die dann überhaupt „katholisch“ hieße, wäre die erste Frage. Vllt hätten sich auch die – wusel in der Lostrommel – Arianer ja durchgesetzt. Und nur Frauen dürften im Zölibat leben, weil: Vorbild.

Es hätte aber auch anders laufen können. Vor 2.000 Jahren hatten oft die Männer das Sagen. Das war sehr unfair.

Es war noch viel unfairer. Freie hatten das Sagen über Sklaven, Römer über Nicht-Römer, Reiche über Arme…

Es wäre dann vielleicht so gewesen, dass unsere Jess gar nicht in die Schule hätte gehen dürfen. Vielleicht hätte sie früh heiraten müssen, um sich um Haus und Kinder zu kümmern.

Warum mussten Frauen heiraten, Männer aber nicht? Bzw., warum musste Jesus apokalyps offenbar nicht heiraten, wenn wir bei dem Thema sind? Wenn Männer nicht heiraten mussten, gab es nicht genug Männer für alle Frauen.

Und vielleicht hätte sie auch gar nicht so viele An­hän­ge­r:in­nen gefunden, einerseits, weil sie vor lauter Care-Arbeit gar keine Zeit für Wundertaten gehabt hätte, und andererseits, weil viele Männer sie als Frau gar nicht ernst genommen hätten.

Ja, letzteres wäre durchaus passiert. Aber wenn man paar tausend Menschen mit ein paar Broten und Fischen satt kriegt, wirkt man doch irgendwie autoritärer. Analog bekäme man die Care-Arbeit gelöst. (Ernsthaft, wenn man fürs Gedankenspiel annimmt, dass Jess Wunder vollbringen kann, sind die Begrenzungen der Gesellschaft „ein Klaks“. Und der Erfolg Jesu war nicht durch sein Geschlecht begründet, was man an seinen vielen unbekannten männlichen Zeitgenossen sieht.)

Leider gibt es immer noch Männer, die Frauen nicht ernst nehmen. Aber es werden weniger.

Hat jetzt nichts mit der Frage zu tun.

Aber es werden weniger. Wir sind schon weit gekommen, dank vieler starker, mutiger Frauen, die für ihre Rechte gekämpft haben.

Ach, ein Unterschied zwischen Jesus und Marx: Jesus wollte, dass sich die Menschen ändern, nicht die Gesellschaft. Man kann einwenden, dass Marxens Ansatz prinzipiell nachhaltiger wäre, aber dann ist er aus anderen Gründen gescheitert.

Von diesen Frauen wirst du vielleicht noch in der Schule lernen.

Bis dahin: trust me, sis.

Es ist noch ein weiter Weg, bis alle Menschen gleichberechtigt sind, niemand mehr diskriminiert wird und alle dieselben Chancen im Leben haben. Egal, welches Geschlecht man hat oder wo man herkommt. Vielleicht hätte Jess den Weg beschleunigt.

Ja, vllt hätte sie auch den Kommunismus ausgerufen. Oder sie wäre ein Alien gewesen. Oder taz-Journalistin. Wenn wir schon SO argumentieren, ist jede Spekulation gleichwertig.

3 Gedanken zu “Theologie für Fortgeschrittene

  1. Also, zunächst mal ist „Jesus – auch als Mädchen berühmt?“ keine Frage. Für Fragen braucht man w-Wörter, wie „wer, wie, was, wieso, weshalb, warum“. In diesem Fall „wäre“.

    Und ja, wenn Gott eine Tochter gewollt hätte, hätte er auch eine Tochter haben können, und die hätte auch viele Anhänger gefunden.

    Gott wollte aber keine Tochter. Gott wollte auch nicht, dass der Himmel grün blinkt, sonst würde der Himmel das tun.

    Gott wollte hingegen, dass Männer – und ja, explizit Männer – sich die Erde untertan machen. Also geh und lern kochen und überlass die schwierigen Fragen Männern; die können das schon schlecht genug.

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