Worauf wartet ihr?
Also, ich warte auf gar nichts. Und fürs Protokoll, die vorgeschriebene OP ist tatsächlich eine ziemlich hohe Hürde, aber dann wäre ich dafür, eine kleinere, zumutbare Hürde einzubauen (wie ein psychologisches Gutachten) statt den Vorgang komplett abzuschaffen.
Das Selbstbestimmungsgesetz soll den Alltag von trans Menschen erleichtern. Je mehr es sich verzögert, desto wilder wuchern Gerüchte und Gewalt.
Gerüchte und Gewalt. Jaaaa, ne.
Für Betroffene drängt aber die Zeit.
Wieso genau?
Unter trans Personen wächst die Ungeduld und leider auch wieder vermehrt die Sorge. Wir wissen schlicht nicht: Was kommt da auf uns zu und vor allem: Wann?
Hachja. Es hat also nichts damit zu tun, dass längere Wartezeiten auch mehr Argumente gegen das Gesetz in der vorliegenden Form liefern könnte, weil andere Länder mehr Erfahrungen damit machen?
Ich bin nichtbinär trans und bin es gewohnt, innerhalb eines Spektrums zu oszillieren.
Und ich oszilliere zwischen Genie und Depp. Feiert mich!
Ich spiele gerne mit Geschlechterklischees und erweitere meine und die Perspektiven anderer Menschen dadurch.
Und ich hätte mich mit 19 einfach als Frau definieren können, der Wehrpflicht ausweichen, ein Jahr eher ins Berufleben einsteigen, und mit 28 (wenn ich nicht mehr gezogen werden könnte) zurückoszillieren. Wie so ein Mathematiker, der Schafe fängt.
Denn wann immer es um Themen wie LGBTQIA-Rechte geht, müssen Betroffene mit einer wahren Flutwelle an Hass und leider auch Gewalt rechnen.
Also ist dieses „sichtbar machen“ gar nicht so gut, wie alle denken? So, wie das formuliert wird, ist es dann ja schlecht, wenn man über die Probleme von LGBTQIA+ redet.
Man konnte hoffen, dass es bald möglich sein würde, ohne externe Validierung, ohne demütigende Gutachten, Namen und Personenstand zu ändern.
Wie gesagt, die geschlechtsangleichende OP als notwendige Voraussetzung, die den Menschen irreversibel sterilisiert, ist eine hohe Hürde, ein Gutachten, das möglicherweise „demütigend“ ist, ist eine vergleichsweise niedrige Hürde. Gar keine Hürde, nunja…
Darum und eigentlich auch nur darum dreht sich ja das Gesetz: um die Beschleunigung bestehender Verfahren. Darüber hinaus soll dieses Verfahren leichter zugänglich sein für Minderjährige.
„Beschleunigung“ könnte man tatsächlich auch mit mehr Gutachtern erreichen. Und bei Minderjährigen weiß ich ganz ehrlich nicht, ob IHR ernsthaft wollt, dass es da keine externe Validisierung geben sollte. Wenn doch, seid ihr sehr dumme oder sehr schlechte Menschen.
Im Selbstbestimmungsgesetz wird es nicht um medizinische Maßnahmen gehen, weder für Erwachsene noch für Minderjährige. Ebenso wenig werden Abstammungsrechte für queere Eltern geregelt oder Entschädigungszahlungen für vergangenes Unrecht, etwa verfassungswidrige Zwangssterilisierung oder Zwangsscheidung, wie sie vor 2011 noch Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags waren.
Also, wenn medizinische Maßnahmen abgeschafft werden sollen, geht es auch darum. Zwangssterilisierung hieße: „Du lässt Dich operieren, oder Du wirst eingesperrt.“, was so nicht stattgefunden hat. Die Sache mit der Scheidung ist tatsächlich durch die Ehe für alle erledigt. Wenn das Geschlecht der Brautleute egal ist, ist es das Geschlecht der Eheleute auch.
Doch bereits daran entzündete sich eine Debatte, in der von transfeindlichen Akteur*innen, etwa aus der radikalfeministischen Ecke, nicht weniger als der Untergang der Gesellschaft heraufbeschworen wurde.
Wenn ich zynisch wäre, würde ich ja sagen, dass die radikalen Feministinnen deshalb so dagegen sind, weil der Verlust von Privilegien nicht als Gleichberechtigung, sondern als Benachteiligung betrachtet wird. Aber hey, ich bin ja zynisch. Also lass ich das so.
Kinder seien in Gefahr und die Kategorie Frau drohe sich aufzulösen, werde gar abgeschafft.
Männer ziehen nicht mehr in den Krieg, wenn sie nicht wollen…
Die „Argumente“, mit denen diese moralische Panik geschürt wird, sind inzwischen an vielen Stellen widerlegt und spiegeln sich auch in keiner Weise in jenen Ländern wider, die bereits ein ähnliches Gesetz eingeführt haben.
Ich könnte mich ja rückwirkend als Frau definieren und den Einkommensverlust als Zivi einklagen, oder?
Die Meldung, dass es noch „ungeklärte Fachfragen“ gebe, wie es der Queerbeauftragte Sven Lehmann (Grüne) formulierte, half nicht wirklich gegen dieses Gefühl in der trans Community.
Ja, das klingt wirklich nach „keine Lust“.
So solle es weiterhin möglich sein, Menschen aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung aus geschlechtlich eingeschränkten Räumen auszuschließen.
Wenn man als hässlicher Mensch nicht in eine Schöne-Leute-Disse darf, OHNE wegen Diskriminierung klagen zu können, wen schert’s?
Eine Frauensauna soll auch mit dem Selbstbestimmungsgesetz trans Frauen ohne geschlechtsangleichende Operation abweisen dürfen.
Oder ein Gefängnis. Oder eine Sportveranstaltung.
Diese Aussage weckt die Furcht, dass Diskriminierung durch das Selbstbestimmungsgesetz nicht abgebaut, sondern zementiert werden soll.
Tja.
Es lässt sich leider nicht überprüfen, wie der Gesetzentwurf nun aussieht, denn er wartet weiter im Bundesjustizministerium auf grünes Licht.
Das ist in der Tat frustrierend, unabhängig davon, wie man zum Ergebnis stehen wird.
Je länger man wartet, desto länger wuchern die Mythen und Horrorszenarien weiter. Transfeindliche Blasen in sozialen Medien erfinden jeden Tag neue Märchen und Unterstellungen, schüren irrationale Ängste vor einem Gesetz, das bisher kaum jemand zu Gesicht bekommen hat. Das einzige Mittel dagegen ist die Freigabe des Gesetzentwurfs, damit er endlich auf Basis von Fakten betrachtet werden kann.
Naja, wenn meinetwegen zur Sauna-Frage eine eindeutige Antwort kommt, wird entweder die transfeindliche oder die transfreundliche Blase diese schlecht finden. Insofern werden die irrationalen Ängste nur durch rationale ersetzt werden.
Je schneller das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft tritt, desto früher wird die Realität dafür sorgen, Scheinargumente endgültig zu widerlegen.
Naja, es kann passieren, dass der Entwurf nicht in Kraft tritt, weil er entweder zu weit geht oder nicht weit genug, und damit keine Mehrheit findet. Und das Scheinargumente durch die Realität widerlegt werden, ist eigentlich auch nur eine naive Theorie, aber das ist jetzt nicht die Schuld der Transaktiven.
So hat es in Argentinien, dem weltweit ersten Land mit Selbstbestimmungsgesetz, keinen Anstieg von Gewalt gegen Frauen gegeben.
Argentinien ist generell ein viel gewalttätigeres Land als Deutschland. Ungefähr um den Faktor 7-8. Aber der Anteil an getöteten Frauen… Bei ca. 2.300 Tötungen in 2017 und rd. 260 getötete Frauen in 2019 liegt die Mordrate an Frauen in Argentinien bei frauenfreundlichen rd. 11%. Aber der Anteil an Frauenmorden je 100.000 Einwohner ist immer noch höher als in D., von daher ist Frauenmorden vermutlich als Problem sowieso schon so größer als hierzulande?
In keinem Land mit einem ähnlichen Gesetz hat es einen Ansturm von cis Männern auf die Standesämter gegeben, um sich irgendwo „hineinzuidentifizieren“, wie immer wieder düster geraunt wird.
Tja, ohne Wehrpflicht fällt der Hauptgrund ja schonmal weg.
Warum wir so sehnsüchtig auf das Selbstbestimmungsgesetz warten? Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als einen Alltag in Ruhe und Frieden, frei von Zwangsouting und struktureller Diskriminierung.
In der Sauna lässt sich das mit dem Outing ohne OP schlecht vermeiden…
Das kann das Gesetz nicht alles leisten
Ok, dann habe ich nichts gesagt.
Wenn der richtige Name auf allen Dokumenten steht und die gelebte mit der dokumentierten Identität übereinstimmt, wäre das eine spürbare Erleichterung im Alltag.
Ehrlich gesagt, DAS ist tatsächlich mehr eine bürokratische Frage. Man sollte einfach alle falschen Dokumente direkt zurückschicken dürfen.
Für einige geht es auch schlicht um die Würde im Tod. Die Furcht, noch auf dem Totenschein und dem Grab mit dem abgelegten Namen (deadname) bedacht zu werden, ist nicht unrealistisch, wenn man sich den steigenden Grad der Gewalt gegen trans Personen ansieht.
Ja, das war tragisch – von allen möglichen Geschlechterstereotypen ist Malte ausgerechnet „Frauen vor Gewalt beschützen“ zum Opfer gefallen. Dieses Patriarchat schadet Männern eben nicht nur manchmal. Allerdings kann man ohne Gesetz auch per Testament verfügen, dass der deadname, trotz seiner Bzeichnung, nicht auf den Grabstein soll. Ist bestimmt nur ein halber Trost, ich weiß.
Gesetze zum Schutz von LGBTQIA-Rechten vorantreiben ist hilfreicher, als im Nachhinein Mitgefühl für die Hinterbliebenen der Ermordeten auszudrücken.
Ja, aber soweit ich weiß, ist es bereits jetzt verboten, LGBTQIA-Menschen umzubringen. Weil die einschlägigen Gesetze keine Einschränkung auf Heteroas machen. Es ist natürlich frustrierend, dass das länger dauert, aber der Streit ist auch innerhalb des LGBTQIA-Communitiy verbreitet.
Wenn ich für jede in Deutschland ermordete Transe eine Stunde gedenken würde, würde das laut queer.de genau 0 Sekunden dauern.
Und es gibt ausßer einem sexuellen Fetisch keinen vernünftigen Grund, auf eine Damentoilette zu wollen. Frag mal eine beliebige Frau, die mal auf einer Herrentoilette war („boah sind die sauber!“). Und wir normalen Männer wollen dann halt beim besten Willen nicht wissen, wie es dann auf Damentoiletten aussieht.
Aber schauen wir mal, was die für ein Gesetz machen. Wenn sie das so verbärbocken wie alles andere, kann ich mich ja zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eintragen lassen; die Leute im Standesamt hier machen fein und vorurteilsfrei Dienst nach Vorschrift.
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