Die Wizard-World-weite Verschwörung des internal. Goblintums, Ltd.

Eine gewisse Kritik an Rowling kann ich vergleichsweise gut nachvollziehen, vor allem, weil man sie auch mit „totem Autoren“ aufstellen kann, ist die des „Antisemitismus“.

Die Bänker in der Zaubererwelt sind alle Goblins, dt. Kobolde, was offenbar nicht heißt, dass alle Kobolde als Bankkaufleute (Bankhausmeister, Bankwachposten, etc.) arbeiten, aber you got the idea. Man kann sich schon etwas streiten, ob Goblins und Kobolde in alten Sagen und Märchen überhaupt dasselbe sind; manche leiten Goblin von griechisch „Kobalos“ ab (was meiner unmaßgeblichen Meinung auch die Wurzel von „Kobold“ sein könnte), andererseits wird „Kobold“ von „dem Koben hold“ abgeleitet, also ein Wesen, dass sich zwar um Haus und Hof kümmert, aber nicht umbedingt um dessen menschliche Bewohner, denen sie im Unterschied zu Heinzelmännern gerne Streiche spielen. Spätere Koboldgeschichten spielen in Bergwerken, wo sie wertvolles Erz in Kobalt-Erz verwandeln (darum heißt das Zeug auch so!), oder in der Seefahrt, wo der Klabautermann sich zwar ums Schiff kümmert, die Bestzung als ein mehr oder weniger notwendiges Übel betrachtet.

Jedenfalls sind sie mehr Kulturfolger als Naturgeister und regelmäßig klein, magisch begabt, handwerklich begabt, Menschen nicht direkt wohlgesonnen (obwohl sie sie typischerweise nicht töten oder sonstwie schwer schaden wollen) und listig. Gelegenlich schützen sie Schätze oder verstecken sie vor Menschen. Und das ist die „magiehistorische“ Verbindung zum Bankenwesen – im ersten HP-Buch ist Gringotts Bank weniger ein Kreditinstitut, sondern eine Schließ“fach“-Vermietung. Harrys Geld liegt da einfach in einem Verließ herum. (Kann sein, das magische Zinsgeschäfte so funktionieren, dass jeden Vollmond aus 1997 Goldstücken 1999 Goldstücke werden, wegen Primzahlmagie, und von der Differenz kriegen Gringotts und Harry je eines, aber: kA) Hat bis dahin alles nicht mehr mit Juden zu tun als der Troll Chrysopras von der Scheibenwelt.

Im ersten Film sieht das ein bisschen anders auch: die Kobolde haben Hakennasen, und spitze Zähne wie ein Ferengi (oder halt Kredithai) und der Boden ihrer Bank ist mit einem Davidsstern gepflastert… autsch.

Anscheinend war der Davidsstern schon am Drehort, bevor er ausgewählt wurde, aber einfach einen Teppich darüber legen? Anyone? Und Stubsnasen, wie dieser Professor in Hogwarts, gingen nicht, weil…? Die Filme sind nicht derartig auf Rowlings Mist gewachsen wie die Bücher, was die Schuld ein Stück weit verschiebt, und, ehrlich gesagt, da reale Juden tatsächlich nicht so aussehen, wird die Botschaft „Goblins = Juden“ hauptsächlich bei solchen Menschen ankommen, die an solche Stereotypen glauben, andererseits ist das auch völlig unnötig gewesen. (Bzw., im späteren Verlauf wird Zauber-Nazi Voldemort gegen die Goblins sein, so dass die nolens volens zu den Guten zu zählen sind, und Judenfeindlichkeit ist ja eine Standardfeindlichkeit von Faschisten, so dass möglicherweise das thematisiert wurde, aber auf die denkbar ungeschickteste Art, die Menschen möglich wäre, so dass es umso besser wäre, man hätte es gelassen.)

Der Witz ist, dass Rowling, soweit wir wissen, nicht irgendwie judenfeindlich getwittert hat, und die Filme sind nicht gerade neu, so dass die derzeitige Kritik wohl eher wegen ihrer krass terfigen Tweets entflammt als aus ehrlichen Anti-Antisemitismus.

Aber, Mycroft, im Spiel sind Kobolde doch die Bösen! Einige wohl, aber in dem Stream, den ich zu Recherchezwecken gesehen habe, wird recht früh ein Kobold von einem anderen umgebracht, weil der sich für die Hauptperson einsetzte – wenn in einer Geschichte die Hauptperson ein Mensch wäre, hieße das, dass alle Menschen böse sind? Keine Ahnung.

Fairerweise muss gesagt sein, dass es Leute gibt, die sich von Franchise getrennt haben, wegen diverser moralischer Fragwürdigkeiten im Franchise selbst, und nicht wegen der Autorin; Dinge wie den möglicherweise „jüdischen“ Goblins (dass die auch Handwerker sind, und teilweise bessere als Magier, passt so gar nicht zu Vorurteilen über Juden, aber ja…), oder dass die Zauberergesellschaft so heteronormativ ist. Dumbledores Homosexualität kommt sehr wie eine Alibi-Ausnahme rüber, inzwischen.

Gaaanz vorsichtig formuliert, auch, wenn Rowling ihre Welt als eigentlich ganz tolerant (nach dem Sieg über Voldemort) darstellen will, zumindest die Toleranz ggü. Homosexuellen käme mit unplausibel vor. Eine Gesellschaft mit zahlenmäßig sehr überschaubarer Bevölkerung, deren Migliedschaft durch erbliche Eigenschaften definiert, die selten bei den Kindern von Nicht-Mitgliedern auftreten. Eine Gesellschaft, die jetzt nicht direkt „Ahnenkult“ betreibt, aber in der viele stolz auf das Alter ihrer Familien sind. Eine Gesellschaft, in der Ehen mit Außenstehenden sehr selten sind (und teilweise auch sehr verpönt). Aber DU kommst jetzt an und sagst: „Mama, Papa, ich bin schwul und werde keinen Stammhalter zeugen!“

Es ist nicht schwulenfeindlich, für eine Geschichte eine Gesellschaft zu erfinden, die schwulenfeindlich ist. Und, wenn man das tut, kann es sogar schwulenfreundlich sein, zu schildern, wie Grindeldore genau deshalb zusammenfinden, sich von anderen distanzieren, sich eine „bessere“ Gesellschaft vorstellen, und hinterher niemanden genau erklären, warum sie sich früher so gut verstanden und jetzt nicht mehr. Real existierende Schwule könnten vllt. „relaten“. Aber dieses verklemmte Herumgedruckse ist möglicherweise nicht ganz optimal.

Ungeachtet dessen: wer Harry Potter mag – die Bücher, Filme, Spiele oder wasauchimmer – ist dadurch kein schlechter Mensch, und wer das nicht mag, ist nicht automatisch ein guter Mensch. Gegenteiligen Behautpungen zu beiden Positionen zum Trotze.

Ein Gedanke zu “Die Wizard-World-weite Verschwörung des internal. Goblintums, Ltd.

  1. Und dann gibt’s da noch diese Goblins aus Nilbog, die Trolle genannt werden, sich auch so verhalten, aber mit diesen nichts zu tun haben und die fleischfressende pseudo-Vegetarier sind, was auf den ersten Blick hahnebüchend klingt [sic], aber 2020+ so einiges erklärt bzw. als Allegorie für „false flags“ dient, womit sich auch einige der hitziger verfechtenden Potterköpfe konfrontiert sehen Bonuspunkte für die hellsichtigen Maskenbildner jener Zeit…

    Mind blown indeed.

    (Oder wie manch Potterhead über die JKR-Verfolgung sagen würde: „They’re eating her. And then they’re going to eat me. Oh my gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawd“

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