Einst, als Zivi…

…habe ich in der Zivizeitung einen Bericht gelesen, wonach Ex-Zivis weder Bundeskanzler noch Verteidigungsminister werden dürfen. Nicht „nicht können“ oder „nicht sollten“, sondern nicht dürfen, weil in Friedenszeiten der Verteidigungsminister der oberste Bewehlshaber der Bundeswehr ist, und im Krieg der Kanzler. Und, wenn man selbst nicht in der Krieg will, darf man andere auch nicht in den Krieg schicken.

Dazu kann ich eine Menge sagen, wie zum Beispiel:

  • es käme auf die genaue Begründung des Ex-Zivis an; wenn er grundsätzlich Gewalt gegen Menschen für legitim hält, aber nicht anderen Menschen die Entscheidung überlassen will, in welchen Situationen das der Fall ist, und deshalb kein Soldat werden wollte (bzw.: keine Blankovollmacht geben, in jedweden denkbaren Krieg geschickt zu werden), könnte als Kanzler sagen: „Wenn ICH die Entscheidung treffe, trifft der Grund nicht zu.“
  • weil jeder Bundeswehrsoldat die Möglichkeit hatte, zu verweigern (bzw. inzwischen die Jahrgänge, die das heute betrifft), darf man konkludent annehmen, dass die nichts dagegen haben können, von einen Ex-Zivi befehligt zu werden, denn diese Situation wurde nie ausgeschlossen – ein Gesetz, dass Ex-Zivis vom passiven Wahlrecht ausschließt, gibt es nicht und wäre mEn auch verfassungsfeindlich. Und ein Soldat der Bundeswehr ist auch dann an politische Entscheidungen der jeweiligen, demokratisch gewählten Regierung gebunden, wenn er persönlich diese nicht gewählt hat oder die spezielle Entscheidung nicht mag.
  • wenn ich als Ex-Zivi Kanzler werden würde, und D. wird in einen Krieg verwickelt, könnte ich auch zurücktreten, weil ich es nicht geschafft habe, Schaden von D. abzuwenden.
  • man könnte einen Adenauer bauen: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Es ist nämlich ebenso nicht verboten, seine Meinung zu ändern und als Ex-Zivi Bundeswehrsoldat zu werden.
  • als Ex-Zivi ist Verteidigungsminister in Hinblick auf erwünschte Vorkenntnisse möglicherweise doch der semi-optimal Posten, aber solange kein Krieg ist und ich der Truppe verbiete, irgendwo einzumarschieren, handle ich im Einklang mit meinem Gewissen. Insbesondere zwei Szenarien fallen mir ein, in denen ein Ex-Zivi sogar die bessere Wahl sein könnte: erstens, wenn der totale Weltfrieden ausbricht, und die Bundeswehr aus Kostengründen abgewickelt werden muss, und zweitens, wenn ein so gravierender und umfassender Skandal aufgearbeitet werden muss, dass niemand, der mit der Truppe in der Vergangenheit zu tun hatte, damit betraut werden sollte. (Ok, das eine Szenario ist leider unwahrscheinlicher als das andere)

Es gibt kein Gesetz, und darf es mMn auch nicht geben, das das passive Wahlrecht und insbesondere die Teilnahme an der Regierung eines demokratischen Staates anhand von persönlichen Einstellungen beschränkt (sofern diese nicht antidemokratisch oder aus anderen rechtstaatlichen Gründen illegal sind); wenn man wegen solcher Einstellungen dann möglicherweise eine Wahl verliert, ist das demokratisch, weil das Wahlergebnis somit nicht per Gesetz vorweggenommen wurde. Wenn jemand mich nicht wählt, weil ich nicht beim Bund war, habe ich halt Pech gehabt. Wenn mich niemand wählen darf, weil ich nicht beim Bund war, hätte der Gesetzgeber von 19xy einen Einfluss auf die Wahlergebnisse von 20z+, was nicht sein darf.

Wie komme ich jetzt darauf? Weil Lambrecht geht – aus Gründen, die ich jetzt nicht soooo schlimm finde wie Rudolf „bin Baden“ Scharping, Männer können das nämlich auch nicht automatisch – und wird jetzt – Schock – durch den Ex-Wehrdienstleistenden Boris Pistorius ersetzt.

Die ganzen Feministinnen, die nach Parität schreien, haben auch eine Liste mit 22 geeigneten weiblichen Kandidaten gefunden. Jetzt wird die taz sicher jede der 22 Kandidatinnen anschreiben und die Frage stellen, ob sie sich um den Posten beworben habe, wenn nicht, welche Gründe sie hatte, und wenn doch, warum sie (ihrer Meinung nach) nicht genommen wurde. Das wäre ja das Mindeste an Recherche. Aber im real existierenden Feminismus steht das Ergebnis schon fest: die patentierten Hypnostrahler der patriarchalen Wahlmanipulatoren.

Und natürlich ist es denen egal, warum in der Bundeswehr selbst keine Parität herrscht, aber die Wehrpflicht ist ja ausgesetzt.

5 Gedanken zu “Einst, als Zivi…

  1. Hast du die Quelle noch? ich wüßte nicht, dass es da eine Regelung gibt. Vielleicht ist es eher eine unausgesprochene Praxis, weil dann zu viele Fragen auftrauchen (wobei man ja unproblematisch anführen kann, dass man seine Meinung eben geändert hat)

    Like

  2. > (sofern diese nicht antidemokratisch oder aus anderen rechtstaatlichen Gründen illegal sind)

    Blaschwafel. Der Bundestag und jede Landesregierung ist rappelvoll mit Leuten, die für festgestellt verfassungsfreindliche Gesetze und Regeln gestimmt haben. Konsequenzen? Keine.

    Like

  3. Wie du ja selbst geschrieben hast: Rechtsstaatlich ist unhaltbar, dass ein erlaubter Vorgang („Verweigern“) zur Aberkennung eines passiven Wahlrechts führt.
    Andererseits haben wir ja auch andere rechtsstaatlich unhaltbare Gesetze, mir fiele da als Beispiel die Jungenbeschneidung ein. Soweit ich weiß, hält selbst Ex-BGH-Richter Thomas Fischer die für verfassungswidrig.

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s