Jetzt habe ich auch verstanden, was das Problem mit „true crime“ ist:
Der Serienmörder steht zu sehr im Focus. Oder überhaupt im Focus. Also nicht in der Zeitschrift, sondern metaphorisch gesprochen. Und das ist falsch. Weil es ja um die Opfer geht! Gehen soll! Gehen muss!!!
Das ist einerseits bei den True-Crime-Filmen oder -Podcasts, die sehr sensationslüstern sind, eine legitime Kritik, aber andererseits sind viele True-Crime-Formate nicht so. Es gibt etliche, die die Opfer als Personen beschreiben und auch immer etwas findet, was diese – soweit identifiziert – sympatisch macht und Mitgefühl erzeugt, abgesehen davon, brutal erschlagen oder kaltblütig vergiftet worden zu sein, und auch die Trauer und Leiden der Hinterblieben thematisieren. Auch ist nicht jede Erklärungsversuch, wieso, weshalb oder warum jemand Leute brutal erschlägt oder kaltblütig vergiftet, dazu gedacht oder geeignet, Mitgefühl oder gar Bewunderung mit dem Täter zu erzeugen. Oder Nachahmungstäter zu erzeugen.
Wobei ich sagen muss, dass ich auch die Geschichten über ungelöste oder erst nach langer Zeit gelöste Fälle am liebsten habe, weil mich die Perspektive der Ermittler am meisten interessiert. Aber ja, ein semi-fiktiver Film über einen etwas „schrägen“ Serienmörder mit Fuchsfell erzeugt evt. völlig falsche Vorstellungen. Echte Serienmörder sehen ganz normal aus. Das weiß ich aus dem semi-dokumentatorischen Film Copycat. Und mit „normal“ meinte Sigourney Weaver: wie ich. Insbesonder meine Brille damals sah der von Dahmer sehr ähnlich. (Keine Angst, Dahmer hat keine Frauen umgebracht, und die Hautfarbe seiner Opfer war ihm wohl egal…)
Jedenfalls kann man die Opfer besser „sichtbar“ machen als einfach Vorname + Initial aufzulisten: einfach erzählen, wer sie waren, wie sie lebten und was sie noch gemacht hätten, wenn sie keinem grausamen Verbrechen zum Opfer gefallen wären.