Die Belagerund von Alamo im texanischen Unabhängigkeitskrieg ist eine bekannte, oft verfilmte Begebenheit in den USA. Am bekanntesten ist wohl die Verfilmung von und mit John Wayne. In der der historische Hintergrund nicht ganz so gut dargestellt wurde. Kennt man ja.
Also, der historische Hintergrund ist der, dass Mexiko die Unabhängigkeit von Spanien erlangte, allerdings bald darauf zu einer Diktatur wurde, die unter anderen gegen illegale Einwanderer aus den USA hart durchgreifen wollte, die sich in der mexikanischen Mehrheitsgesellschaft nur schlecht intergrierten – die örtlichen Ureinwohner räuspern sich an der Stelle vernehmlich – unter anderen, indem sie Sklaven mitbrachten. Diktatur oder nicht, Mexiko war diesbezüglich schon weiter. Und Texas, seinerzeit ein Teil einer mexikanischen Provinz, hatte einen besonders hohen Ausländeranteil. Jaja, die Indianer fanden das auch.
Die Mexikaner zogen jedenfalls in den Krieg, um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Texaner zu unterbinden. Unter denen unter anderen ein gewisser Bowie war, der urspünglich aus Louisiana kam. Wo er in jungen Jahren zusammen mit seinem Bruder, dem Erfinder des gleichnamigen Messers, ein Vermögen mit dem Verkauf von Afrikanern machte, die gerade mit brutaler Gewalt aus Afrika verschleppt worden sind, was damals sogar in den USA schon verboten war. Aber sie waren jung und brauchten die 65.000 $. Nach heutiger Kaufkraft kann man wohl zwei Nullen dranhängen oder so. Man könnte sogar sagen, dass Bowie nicht einfach seine „Freiheit“ verteidigte, sondern seine Freiheit, mit Menschenhandel Geld zu verdienen. Auch, wenn er in dem Teil seiner Karriere mit Grundstücken sein Geld verdiente. Floskel des Jahres 1836 2022.
Jedenfalls war seine Sicht der Dinge, und die seiner Mitkombatanten, dass er seine Rechte und Lebensart sich nicht von irgendwelchen Mexikanern oder so nehmen lassen will, sondern lieber sterben! „Der weiße Mann heule leiser!“ hätten wohl die Indianer gesagt. Insbesondere die Stämme, die er (der historische Bowie jedenfalls) um Unterstützung gegen die mexikanische Armee gefragt hat. Das Herz des weißen Mannes kennt überraschend viele Arten von Schmerz.
Nun ist der Film nicht historisch korrekt und etwas kitschig, aber das Thema Sklaverei wird tatsächlich gezeigt, denn Film-Bowie hat einen Sklaven namens Jethro (es ist nicht ganz geklärt, ob RL-Bowie einen Sklaven mit in Alamo hatte, oder ob der ein Bediensteter von Bowies angeheirateter Verwandtschaft war, oder ob der mit jemand ganz anderen verwechselt wurde, und wenn es ihn gab, hieß er Sam), aber jedenfalls gab Film-Bowie ihm die Freiheit. Die Film-Freiheit jedenfalls. (Ich finde irgendwie den entsprechenden Filmausschnitt nicht, aber die Szene ist mir erinnerlich – ich kann jetzt aber nicht mehr sagen, ob das Teil eines Charakterbogens ist oder sein soll, bzw., ob das Reue seitens Bowie sein soll. Er liegt krank verletzt und wartet auf das letzte Gefecht, um um seine Freiheit zu kämpfen, aber die fehlende Freiheit anderer hat ihm seinerzeit einen fünfstelligen Dollarbetrag verschafft – vllt. nimmt er das zum Anlass, sein Leben zu überdenken?)
Die Szene, auf die ich hier aber eingehen will, ist das „pay-off“ dazu. Wenn man das Pay-off nennen will. Historizität, jaja. Die Spannungen zwischen Travis, Bowie und Crockett mag es gegeben haben, ob die genau SO abgelaufen sind, kann man nicht wissen – weil alle Beteiligten und Ohrenzeugen die Belagerung nicht überlebten – aber fürs Drama ist das schon ok. Die Sache mit der Riesenkanone war definitiv nicht so, aber gut. Das genaue Aussehen von Kulissen, Kostümen, Waffen und dergleichen war wohl auch nicht richtig, aber auch hier: na gut. Der Hauptangriff begann mitten in der Nacht und endete vor dem Morgengrauen, aber wenn man nachts dreht, dann sieht man viel zu wenig. Manche Kompromisse müssen gemacht werden. Und das Ende ist eeetwas kitschig.
Aber dass der frischbefreite Sklave mit seiner frischerworbenen Freiheit nicht nur nichts besseres anzufangen weiß, als seinen Ex-Gefangenhalter zu verteidigen gegen die Mexikaner – Bowie war zu schwach zum Stehen und „musste“ vom Bett aus kämpfen, bzw. hätte sich auch ergeben können (worauf man ihn vllt. trotzdem erschossen hätte), aber Freiheit! – sondern sich sogar noch in einem völlig unweiblichen Anfall von Stockholmsyndrom vor ihn wirft, damit die Bajonette ihn treffen? Was Bowies Leben um ein rundes Dutzend Sekunden verlängert? Also, wenn man denkt, dass schon Onkel Tom sich zu viel gefallen lässt und zu nett zu Weißen ist – das hat noch eine völlig andere Qualität.
Es ist übrigens verbürgt, dass die realiter anwesenden Schwarzen sich einfach ergaben, und dann nicht erschossen wurden. Nagut, einer hatte sicherheitshalber noch einen Mexikaner als Geisel genommen, aber offenbar machten die Mexikaner einen Unterschied nach Hautfarbe zugunsten der Schwarzen, und die ganze Opferszene war eigentlich doppelt und dreifach sinnlos. Soll man das etwa mit „das ist ein Film und keine Doku!“ schönreden? Ja, dieser ehemalige Sklave scheint mit seiner Freiheit nicht so super gut zurecht gekommen zu sein, aber hier geht es um eine andere Freiheit – künstlerische Freiheit! Dann muss man nicht mehr denken.