WTF is Alice?

Schrupp über Schwarzer bei der Standard.

Was soll ich sagen?

Zum 80. Geburtstag von Alice Schwarzer

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Thesen der berühmten Feministin

Am interessantesten, was die Frage betrifft, ob Schwarzer in erster Linie Journalistin oder Aktivistin ist, wäre, dass sie wohl nie abgetrieben hat. Aber gut, Schrupp hat andere Prios.

Nachdem es jetzt rum ist, auch noch meine drei Cent zu Alice Schwarzer. Die Erzählung ging ja hauptsächlich darum, ob man ihr dankbar sein soll oder nicht.

Die „Erzählung“ ist leicht zu beantworten: ob man ihr dankbar sein soll oder nicht ist abhängig davon, wer „man“ ist.

Oder, wenn man eine Kontinuität sucht: Sie war eine persönlich schwierige Frau, man konnte schwer mit ihr zusammenarbeiten.

Wohingegen Schrupp superkooperativ ist. Aber das ist egal – offenbar hat Schwarzer nie was für „mich“ gemacht, also ist das Thema für mich durch. Die Welt ist hart.

Ich würde es ja besser gefunden haben, wenn man sich inhaltlich mit ihren Positionen auseinandergesetzt hätte. Denn die Frage ist doch nicht, ob man ihr dankbar ist oder nicht, sondern ob – wo und wo nicht – man mit ihr übereinstimmt.

Angenommen, ich hielte die meisten ihrer Positionen für falsch – dann wäre ich doch durch mit dem Thema, oder?

Für mich kann ich sagen, dass ich als junge Frau am Anfang meiner feministischen Politisierung (mit Anfang 20, also Mitte der 1980er) von Alice Schwarzer gelernt habe, die krasse patriarchale Struktur unserer Kultur zu sehen.

Was das betrifft – welche Gesetze, die seinerzeit Frauen theoretisch oder tatsächlich benachteiligten, gelten noch in Deutschland? Ich habe nämlich den Eindruck, dass Schwarzer und Schrupp den Erfolg der eigenen Bewegung geflissentlich ignorieren.

Das Ausmaß zu erkennen, in dem die Welt männlich dominiert ist, von männlicher Macht, männlichem Geld und vor allem männlicher symbolischer Ordnung.

Woran sieht man den Unterschied zwischen männlichem und weiblichen Geld? Geld paart sich nicht. Außerdem ist eine symbolische Ordnung nichts, was einen schaden kann. Aber ja, ein männlicher Obdachloser unterdrückt Schwarzer und Schrupp. Was sonst.

Schwarzers politische Reaktion auf diesen Befund war: Frauen müssen gleichberechtigten Anteil an dieser Macht, diesem Geld, dieser Ordnung haben.

Haben sie ja auch. Insofern: Keks.

Ich erinnere mich besonders an die Debatten über „Frauen in die Bundeswehr“, wo viele ältere, „grünere“, „linkere“ Feministinnen schon damals sagten, na ja, das ist vielleicht nicht so ganz die klügste Lösung, sollten wir das Problem nicht etwas breiter und grundsätzlicher angehen – und da stimmte ich ihnen auch durchaus zu.

Ich erinnere mich an meine eigene Probleme im Bundeswehrzusammenhang. Und ich muss sagen, dass zu meiner Zeit das Thema insofern durch war, als dass die Verweigerung eine Formalität war und Zivis auch nicht gerade eine kleine Minderheit waren – ich will mich nicht wegen Sachen beklagen, die für mich nicht so hart waren wie für andere – aber ich halte fest: Schwarzer war wohl damals nicht für eine Wehrpflicht für Frauen. (Oder, sie log sich später einen zurecht…) Jedenfalls, aus dem Link: „Als ich anno 1978 erstmals das Berufsverbot für Frauen bei der Bundeswehr kritisierte – verbunden mit der Forderung nach einem uneingeschränkten, freiwilligen Zugang für Frauen…“ Das ist keine Gleichberechtigung. Wenn in den USA meinetwegen zwar allgemeine Wehrpflicht herrscht, aber in der Praxis Schwarze fast immer eingezogen würden, Weiße aber nur, wenn sie wollen, was diese auch von ihren Karrieraussichten abhängig machten, weshalb diese proportional mehr Offiziere stellten… man ahnt vllt., worauf ich hinaus will.

Ob wir dann außerdem vielleicht auch noch den Militarismus hinterfragen, irgendeine Friedenspolitik machen und so weiter, das können wir dann ja diskutieren. Aber Frauen deswegen nicht in die Bundeswehr zu lassen ist nicht richtig.

Hehe. Frauen nicht in den Zivil-Dienst zu lassen, ist aber ok gewesen? Nebenbei, Schwarzer ist keine Feministin Pazifistin. Im „Krieg der Geschlechter“ propagiert sie Gewalt. Außer, wenn russische Männer ukrainische Frauen vergewaltigen. Weil… ehrlich gesagt, so ganz verstehe ich das Argument nicht.

Ich kann (natürlich, weil ich selber das damals vertrat) verstehen, dass man sie vertritt, aber heute finde ich sie falsch.

Weil es keine Gleichberechtigung ist, weil es militaristisch ist, oder weil sich die Umstände derartig geändert haben?

Denn später kam ich … zu der Auffassung, dass eine Beteiligung von Frauen an der männlich geprägten symbolischen Ordnung nicht gleichgültig ist …, sondern dass sie diese symbolisch bestärkt

Wenn die Bundeswehr für beide Geschlechter gleichermaßen dasselbe Recht oder dieselbe Pflicht wäre, wäre das keine „männlich geprägte“ Ordnung mehr, wie die allgemeine Schulpflicht. Aber klar, man hätte feministischerseits auch fordern können, die Wehrpflicht abzuschaffen, und nur noch Freiwillige zu nehmen. „Freiwillige“ muss man nicht gendern.

eine Bundeswehr, in der nicht nur Männer, sondern auch Frauen sind, hat eine größere Legitimität

Eine Bundeswehr, die geschlechtergerechterweise Männer und Frauen einzieht, hätte diese tatsächlich. Aber das war Schwarzers Ziel ja nicht.

Sie hat diese Position als „Differenzialismus“ diffamiert, nach dem Motto: Das sind alles weiblich-essenzialistische Friedenstussis, die ihre Forderung nach Frauen in der Bundeswehr nicht unterstützen.

In dem Artikel im Cicero ist sie für ein gleichberechtigtes Pflichtjahr. Aber das war 2010. Aber natürlich dürfen auch Frauen pazifistisch sein und für die Abschaffung der Wehrpflicht – dieser Konflikt ist keiner.

Von hier aus erklären sich meiner Ansicht nach auch die späteren Fehleinschätzungen Schwarzers.

Die Idee, die implizite Idee, dass Wehrpflicht und Dienst an der Waffe ein Privileg sei, ein Privileg in einer Gesellschaft, in der sie im Unterschied zum Kaiserreich nicht mehr die Hauptmethode zum sozialen Aufstieg ist, oder überhaupt eine realistische Methode, ist eine Fehleinschätzung, die Schwarzer und Schrupp teilen.

Sie hat nicht verstanden, dass die Gleichberechtigung im Westen die weißen bürgerlichen, einheimischen cis-Frauen zu einem stärkenden Faktor der weißen bürgerlichen antimigrantischen symbolischen Ordnung macht und damit die Grenzen, die das Patriarchat zwischen Männern und Frauen zieht, einfach nur anderswohin verlagert.

Ähh, kann ja sein. Aber das ist einerseits ja nicht das Problem Schwarzers, und andererseits kann man die Wehrpflicht ja auch auf migrantisch gelesene Menschen ausweiten, die dann zu irgendwelche Friedensmissionen geschickt werden, weil Krieg ja so ein tolles Privileg ist. Und nicht etwa ein Grund, Migrant zu werden. Fehleinschätzungen. Immer diese Fehleinschätzungen.

Sie hat nicht verstanden, dass die eurozentrischste patriarchale koloniale Norm durch die Emanzipation der Frauen nicht etwa untergraben wird, sondern glaubwürdiger!

Wenn Frauen in Europa Verteidigungsministerien führen, ohne je gedient zu haben, und in sagen wir Afrika nicht, ist das eurozentrisch, kolomialistisch und patriarchaisch. Also müssen die Afrikaner nachziehen, um sich davon zu distanzieren: afrikanische Familienministerien werden zukünftig nur noch von kinderlosen Männern geführt. HA!

Und dass aus genau diesem Grund sie niemals von einer Kritik anderer Diskriminierungsformen getrennt werden darf.

Ist es eigentlich diskriminierend, Menschen mit Geh- oder Sehbehinderung auszumustern? Ach, und natürlich die Kritik am dt. Steuerrecht. Oder an der Unschuldsvermutung. Patriarchale Kackscheiße.

Denn, muss man doch aus einer simplizistisch gleichstellungspolitischen Perspektive mal fragen: Wann wurden Kommentare zu einem männlichen Intellektuellen anlässlich seines 80. Geburtstags mit der Frage eingeholt, ob man ihm „dankbar“ sei?

Seit wann ist man Intellektuellen „dankbar“? Typischerweise kann man sie nicht leiden. Künstlern ist man dankbar. Aktivisten auch, je nachdem. Sportlern manchmal, wenn man ihretwegen selbst Sportler wurde. Aber ja, eigentlich will Schrupp Schwarzer hier als Intellektuelle främen, was, ehrlich gesagt, nicht funktioniert.

Anstatt mit der Frage, wie man zu seinen inhaltlichen Positionen und Forderungen steht?

Laudatio: „Zum 80. Geburtstag von N.N. stelle ich fest, dass ich folgenden seiner Positionen und Forderungen inhaltlich widerspreche,…(lange Liste). Hoch soll er leben!“ Habe ich zwar noch nie gehört, andererseits sterben männliche Intellektuelle auch früher…

Edit: Wortfindungsstörung behoben

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