Tiroler-feindlichkeit

Hachja.

Der diskriminierte Tiroler

Ist der sowas wie der Saarländer Österreichs?

Wir haben ein Riesenproblem mit Gewalt gegen Frauen.

Weil in Österreich mehr Frauen als Männer ermordet werden! MEHR! Wie konnte das passieren? Muss man jetzt ein paar Männer extra erschießen? Was ist da los?? „… Bei den aktuellsten vorliegenden EUROSTAT-Daten aus dem Jahr 2018 (im Jahr 2020 veröffentlicht) zeigt sich neben Österreich auch in Lettland, Malta und der Schweiz ein größerer Anteil an weiblichen Mordopfern, in Ungarn und Slowenien war das Verhältnis gleich. In der Schweiz war der Anteil der weiblichen Opfer mit 28 von 50 Mordopfern größer als der in Österreich mit 44 Frauen unter 86 Mordopfern.“ Zwei weibliche Opfer mehr als männliche! 2! Hätten die einfach eine Frau weniger und einen Mann mehr ermordet, wäre endlich Gleichberechtigung erreicht! Bisschen mehr Mühe geben, ja?

Trotzdem wehren sich Unternehmen gegen ein Plakat, das diesen Missstand anprangert.

Machen die mit Morden Geld?

Dieses sei nämlich zu fies gegenüber Tirolern.

Wenn ein Unternehmen in der Werbung Witze über die barbarischen Tiroler machte, fände der, die oder auch das Standard das gut?

Der Begriff „Cancel Culture“ wird gerne und schnell eingesetzt.

Joah, aber das hat Gründe…

Oft aber sehen sich gerade jene von dieser „Cancel Culture“ bedroht, die sich über großflächige PR und Medienöffentlichkeit eigentlich nicht beklagen könnten.

Österreicherinnen haben eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt. Insbesondere die Mordraten sind sehr niedrig. Trotzdem beklagen sie sich – und warum auch nicht? Nur, weil es einem nicht schlecht geht, ist immer noch Luft nach oben. Genauso ist es mit der Cancel Culture.

Wo der Begriff aber möglicherweise doch zutreffen könnte, ist bei einer Plakataktion in Tirol, wo es nicht alle Sujets gleichermaßen in die Öffentlichkeit schafften.

Was ist das für eine Cancel Culture, bei der die angeblich gecancelten Tags darauf in der überregionalen Zeitung stehen? Standard-Erklärung, warum angebliche Cancel-Culture keine Cancel-Culture ist.

Für die Plakataktion wurden Künsterler:innen beauftragt, Sujets für eine Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen zu entwerfen (DER STANDARD berichtete).Die Sujets wurden ziemlich gut. Auf einem steht: „Du hast keine Freundinnen mehr? Wie schade! Aber wenn du welche hattest, bevor du ihn getroffen hast, dann ist es Gewalt“

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was das bedeuten soll? Ich treffe einen Mann, und der vertreibt alle meine Freundinnen mit Gewalt? Oder bringt sie um? Und bin „ich“ in dem Beispiel ein Mann oder eine Frau? Außerdem, wenn ich doch Freundinnen habe, wo ist dann das Problem? Schreibt’s mir in die Kommentare.

…auf einem anderen lesen wir: „Es ist nicht interpretierbar. Es ist Mord.“

Kontext??? Ja, es gibt bestimmt Fälle, wo etwas eindeutig Mord ist.

Es sind in der Tat neue Ideen, um auf Gewalt gegen Frauen und den verniedlichenden Umgang damit aufmerksam zu machen.

Ist das in Tirol eigentlich so viel schlimmer als in Vorarlberg? Die Mordraten in Österreich sind tatsächlich sehr niedrig, da kann es leicht passieren, dass ein Bundesland rausreißt.

„Im Märchen tötet der Prinz den Drachen. In Tirol seine Ex“

HA! In Tirol gibt es gar keine Prinzen! Das Plakat ist falsch! Kein Wunder, dass das nicht gut ankommt.

 „Alle töten ihre Frauen, niemand tötet seinen Chef“

Die allermeisten töten ihre Frauen nicht, und es kann auch vorkommen, dass jemand ihren Chef tötet. Aber was genau ist hier der Vorwurf?

Vom italienisch-österreichischen Künstler Aldo Giannotti gibt es eines, das einen rudimentär gezeichneten Penis zeigt, dazu die Frage „Rechtfertigt das deine Gewalt?“

Angenommen, ein Mann sagt: „Ja.“ dazu? Oder eine Frau sagt dazu „Ja“? Bzw., was, wenn die Antwort ist: „Nein, aber [lange Liste von angeblichen Gründen]“? Oder – rein hypothetisch – jemand begeht gar keine Gewalt? Die Frage taugt nichts.

Doch anstatt Lobs für diese klugen Sujets abseits von stereotypen Darstellungen von Betroffenen und Tätern…

??? Warum wird „Täter“ eigentlich nicht gegendert? Und was an dem Penisbild ist nicht stereotyp? Und was, wenn jemand seine Chefin umbringt, ist das dann gut oder schlecht? Irgendwie hat das kein Lob verdient.

…die auch noch den Spagat zwischen Schmäh und harter Kritik an einer patriarchalen Gesellschaft schaffen…

Wieso ist das ein Spagat? Ansonsten ist das die übliche Sippenhaft: Wenn ich eine Frau schlage, bin ich böse. Wenn eine Frau von einer anderen Person geschlagen wird, bin ich böse, weil ich die Person nicht davon abgehalten habe.

gab es unsägliche Reaktionen von privaten Firmen und der ÖBB, die Werbeflächen im Außenraum vermieten.

Ist ja klar. Die wollen, das lieber Frauen als Männer ermordet werden.

„Vorsorglich“ wurden von einigen die Sujets über den Tiroler, den Chef und die Penis-Abbildung aussortiert.

Ooh, nein! Wenn die aufgehangen worden wären, hätte Gewalt gegen Frauen direkt aufgehört!

Die Argumentation dafür sind in ihrer Wehleidigkeit kaum zu ertragen.

Hachja. Eigentlich würde als Argumente reichen, dass die eigentlichen Täter sich wohl weniger um dergleichen scheren, und dass die Nicht-Täter beleidigt sind. Aber irgendwer bringt vllt. aus Trotz noch seinen oder ihren Chef um, oder Chefin, und davor hat so eine Unternehmensführung am meisten Angst.

Das Tiroler-Sujet würde Tiroler „diskriminieren“…

„Beleidigen“, das Wort lautet „beleidigen“.

…das Chef-Sujet könnte als Gewaltaufruf verstanden werden…

Außerdem bringen eben nicht alle ihre Frauen um. Nicht einmal die meisten…

…und das Penis-Sujet, nun ja – wegen des Penis halt.

Heißt das nicht „des Penisses“? Aber egal – wenn halbbekleidete Frauen schon nicht gehen…

Also wegen einer Zeichnung eines Penis, wie man sie auf jedem Schulklo zigfach findet, gleich neben den Sprüchen, wer alles eine „Bitch“ oder „Fotze“ ist.

Also auch auf den Mädchenklos? Aber hey – wer will, dass iose Wand wie eine Wand in einem Schulklo aussieht? Eben.

Worin lag also die Vorsorge? Dass sich womöglich ein paar Leute echauffieren, sie würden sich „als Tiroler“ schlecht behandelt fühlen

Nein. Die fraglichen Unternehmer sind Tiroler und echauffieren sich tatsächlich und wollen nicht das Medium stellen, dass sie beleidigt. Was man sich auch denken konnte, woll?

weil ja, bitte schön, nicht jeder Tiroler seine „Ex“ umbringt?

Wer so ein echter Tiroler ist, der bringt seine Frau direkt um und wartet nicht die Scheidung ab.

Oder weil sich ein Chef jetzt unbehaglich fühlt, weil sich der Radar von Gewalttätern nun auf ihn verlagern könnte?

Der Chef fühlt sich eventuell auch deshalb unbehaglich, weil die Autoren der Plakataktion Chefs für würdigere Ziele von Mördern halten als Ehefrauen.

Klar, es gibt solche absurden Reaktionen. Aber muss man sich ihnen anbiedern?

Die biedern sich ja nicht an, die haben diese „Reaktionen“ selbst. Schlaumeier!

Die andere Möglichkeit wäre, solche Buhrufe von offenbar Zartbesaiteten einfach auszuhalten und auf den Zweck hinzuweisen, der das massive Problem in Österreich mit Gewalt gegen Frauen ist.

Ja, aber vllt. ist dieser Zweck ja gar nicht so dringend? Außerdem, wer eine Aktion gegen Gewalt veranlasst, ohne rund die Hälfte aller Gewaltopfer auszuklammern, würde andere Slogans verwenden und bekäme mehr Zustimmung. So mal als Vorschlag.

Dass jedes Jahr dutzende Frauen aufgrund von geschlechtsspezifischer Gewalt sterben

„Geschlechtsspezifisch“ ist definitionsbedürftig – wird das Mordmotiv immer erfasst? Aber ja, 2018 sind fast vier Dutzend Frauen in ganz Österreich ermordet worden. Ein paar davon bestimmt aus Frauenhass.

 dass erst kürzlich ein Mann seine Lebensgefährtin mit dem Auto überfahren hat und sie sterbend bei der Ausfahrt einer Tankstelle liegen gelassen hat.

War das in Tirol? Weil ich mich als Westfale ja auch nicht für Dinge rechtfertigen will, die Rheinländer verbrechen. Und die wohnen sogar im selben Bundesland wie ich.

Dass das der mutmaßlich 28. Femizid in Österreich ist.

Vllt. konnte der Mann sie einfach nicht leiden, hat aber sonst nichts gegen Frauen?

Dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind.

Wohingegen Chefinnen nie getötet werden, weil sie Chefinnen sind, ne?

Sie, lieber Tiroler, könnte man antworten, werden „als“ Tiroler nicht diskriminiert.

Und weil Sie bis dato noch nie diskriminiert worden sind, dürfen WIR Sie heute mal verächtlich machen.

Viele Frauen hingegen so sehr, dass sie das ihr Leben kostet.

Es gibt in Österreich deutlich mehr Frauen als Tiroler. Das Argument ist irrelevant.

Für „Chefs“ gilt das bekanntlich auch nicht.

Angenommen, das Plakat wäre: „Die meisten Tiroler bringen Frauen um und keine Deutschen!“ oder „Die meisten Vorarlberger bringen Vorarlbergerinnen um und keine männlichen Vorarlberger!“ – wenn der Kritikpunkt der sein sollte, dass Frauen ermordet werden, und nicht, dass andere Personen nicht ermordet werden, könnte man die Gruppe hinter „und keine“ ja beliebig austauschen, richtig?

Ist es wirklich zu viel verlangt, dass der Tiroler und der Chef das jetzt mal aushalten?

„Der“ Tiroler und „der“ Chef sagen „Ja“, insofern ist das Thema durch. Ansonsten die Gegenfrage: Was haben Frauen davon, wenn „der“ Tiroler und „der“ Chef das jetzt aushält? Werden dadurch weniger Frauen umgebracht?

Offenbar, denn anstatt sich dummen Pseudoargumenten zu stellen, wollen einige Firmen ihnen „vorsorglich“ begegnen.

Firmen, die Chefs haben, die Tiroler sind? Nur so ein Verdacht.

In Osttirol haben Eltern protestiert, nachdem das Sujet neben einer Schule plakatiert wurde, andernorts wurde es wegen „Sittenwidrigkeit“ nicht aufgehängt.

Ja, wie genau will man seinen Kindern erklären, dass man keine Penisse auf Klowänder malt, wenn die Werbung das auch darf? (Ok, das juristische Argument ist, dass die Werbung die Plakatwand mietet, aber nunja…)

Das wäre in einer besseren Welt wohl eine perfekte Gelegenheit, um über Scheinheiligkeit zu reden.

Wieso? Scheinheiligkeit ist, wenn man Kindern etwas verbietet, was man der Werbung erlaubt. Oder, wenn man den Spruch mit den Chefs verbieten würde, aber „Tiroler bringen ihre Frauen um, nicht ihre Schwiegermütter“ gut fände.

Darüber, wen Diskriminierung wirklich trifft und was für Kinder traumatisch ist.

„Traumatisch“ ist natürlich übertrieben. Aber wenn schon eine etwas schlüpfrige Werbung andernorts (in D.) als sexistisch gilt, kann man das hier nicht gutheißen, ohne selbst scheinheilig zu werden. Na, wie gefällt es Euch, mit anderen Feiministen in einen Sack gesteckt zu werden?

Ein eh sehr lieb gezeichneter Penis oder wenn die Mutter des Klassenkameraden erstochen wird.

Dass die Mutter „des Klassenkameraden“ erstochen wird, oder auch die eigene, ist derartig unwahrscheinlich, dass das kein Vergleich sein kann, aber diese geringe Wahrscheinlichkeit wird durch den Penis auf der Plakatwand auch nicht weiter reduziert. Außerdem waren die Mütter der Klassenkameraden ja auch dabei, dieses Plakat zu verhindern. Offenbar bereit, das Restrisiko zu tragen…

Die Plakatkampagne heißt übrigens #EtwasLäuftFalsch – treffender geht wohl kaum.

Eine hohe Aufklärungsquote sorgt für so wenige Tötungsdelikte, dass zwei ermordete Frauen – also vermutlich deutlich weniger als die Dunkelziffer für Tötungsdelikte allgemein – dafür sorgen kann, dass statistisch gesehen mehr Frauen als Männer in ganz Österreich ermordet würden. Es könnte für das Bundesland Tirol sich also auch so darstellen, dass in Wahrheit mehr Männer als Frauen ermordet werden, und die Plakataktion in einem anderen Bundesland laufen sollte. Aber generell ist ein Unterschied, der sich in 1-2 Prozentpunkten ausdrückt, kein Beleg, dass ein Geschlecht gegenüber dem anderen benachteiligt oder bevorzugt wäre.

Eine Plakataktion für mehr Zivilcourage wäre wohl das Nächste, was dringend nötig wäre.

„Sei nicht feige, lass mich hintern Baum!“ oder „Wenn Du mit Deiner Schwiegermutter durch einen dunklen Park gehst, und es springen drei Männer aus dem Gebüsch, aber Du hast zufällig ein Sturmgewehr in der Tasche…“ Courage ist, wenn das eigene Geschlecht ein leicht erhöhtes Risiko gegenüber dem anderen hat, ein Mordopfer zu werden, aber man startet trotzdem keine Plakataktion, um sich darüber zu beschweren.

4 Gedanken zu “Tiroler-feindlichkeit

  1. Die Frage ist ja auch, wie die Reaktionen im Land ausgesehen hätten, wenn es so gelautet hätte:

    „Im Märchen tötet der Prinz den Drachen. In Österreich seine Ex“

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  2. Sind in den Statistiken über die ermordeten Menschen (Männer wie Frauen) eigentlich die Ehrenmorde schon drinne? Und warum dann eigentlich keine Kampagne gegen „den Muslim“, der Frauen ermordet – oder sind wir hier ganz zivilisiert und weisen das als „Hetze“ zurück? Aber der Islam ist ein ideologisches Produkt, dass Morde tatsächlich befördert, anders als Männlichkeit.

    Bleibt die Frage, was die angemessene Antwort ist auf #killAllMen? #KillAllWomen oder doch eher #KillAllFeminists?

    Grundsätzlich aber, da den Schreiberlingen solche Hetze gegen Männer egal ist wie auch, dass auch Männer gewaltsam sterben, neige ich leider dazu, dieselbe Haltung gegenüber Frauen zu entwickeln, und angesichts ermordeter Frauen gemeinsam mit Alice Schwarzer „Eine/r hat’s getan“ auszurufen! (Wer zynische Verbitterung findet, darf sie behalten).

    Einer hat es getan!

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