Egal

Einfach nur egal.

Wissenschaft ist egal.

Fakten, Fakten, Fakten

Die Debatte über das Geschlecht geht stetig weiter. Unser Autor hat dazu einmal dreizehn wissenschaftliche Fakten herausgesucht.

Er interessiert sich nicht für Biologie. Was ok wäre, wenn es ihm um Psychologie ginge, Sozialwissenschaft oder BWL. Aber nein.

1. Die Biologie geht traditionell von zwei Geschlechtern aus. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine Entscheidung.

Nein. Es ist eine Beobachtung. Die Idee, dass Wissenschaft einfach eine Kette von Entscheidungen träfe, die man gerne hätte, ist genauso wie die, dass die Presse ja nur schreibt, was die Mächtigen gerne in der Zeitung lesen würden.

2. Es ist möglich, in mehr als zwei Geschlechter zu kategorisieren. Die Vielfalt von Varianzen bei Keimdrüsen, Chromosomen, beim Hormonhaushalt et cetera gestattet biologische Einteilungen in null bis unendliche Geschlechter, je nach Forschungsfrage.

Prinzipiell kann man das machen, aber Ockhams Skalpell zerfetzt das. Wenn man eine Spezies anhand von Merkmalen in zwei Gruppen einteilen kann, für die gilt, dass jedes Mitglied der Gruppe A mit jedem Mitglied der Gruppe Alpha Nachwuchs zeugen kann, aber kein Mitglied einer Gruppe mit einem anderen Mitglied derselben Gruppe, hat man zwei Geschlechter, A und Alpha. Wenn man feststellt, dass manche Individuen sich äußerlich einer der beiden Gruppe zuordnen lassen, aber weder mit Mitgliedern der anderen Gruppe noch der eigenen fortpflanzigfähig sind, dann sind diese wohl unfruchtbar. Analog könnte man ein drittes, viertes etc. biologisches Geschlecht entdecken, wenn man sie empirisch nachweisen kann. Was bei manchen Spezies vorkommt.

3. Dass Bio­lo­g*in­nen sich für die Zweiteilung entscheiden und Abweichungen unterschlagen, hat einen Grund. Biologie interessiert sich besonders für die Abstammung, die Evolution und das Fortpflanzungsverhalten von Spezies.

Verschwörungstheoretiker-Bla: erstens werden „Abweichungen“ – Chromosomenanomalien, Hormonimmunitäten und dergleichen – nicht „unterschlagen“, sondern sind in enschlägigen Lexika nachschlagbar. Und zweitens ja, das ist das Thema dieser Wissenschaft. Wenn einem das nicht interessiert, ok, aber dann muss man nicht rumjammern.

4. Solches Wissen ist wertvoll, etwa für den regulativen Eingriff in die Natur, zum Beispiel bei Landwirtschaft, Viehzucht oder Ökologie

Oder in der Medizin. Oder weil man Vorhersagen machen will, wann Sex zu Nachwuchs führt oder nicht. Oder, weil Wissen Spaß macht.

5. Biologische Modelle auf menschliche Gesellschaften zu übertragen, ist hingegen kein neutraler Akt, sondern ein politischer. Häufig mit dem Zweck, Herrschaft zu erhalten oder zu unterdrücken. Vergleichen Sie: Sozialdarwinismus, Rassentheorie, biologistische Theorien über die „Unterlegenheit der Frau“.

Ein „cui bono“ darf natürlich auch nicht fehlen. Menschen biologisch zu erklären, ist eigentlich DAS Mittel, menschliche Eitelkeiten zu dämpfen. Warum biologistische Theorien die Unterlegenheit der Frau postulieren sollten, aber nicht die des Mannes, sei mal dahingestellt. (Natürlich wird dabei verschleiert, dass der Autor seine eigene Agenda unterstützen will, indem er wissenschaftliche Erkenntnisse nicht etwa widerlegt, sondern einfach zurückweist.)

6. Individuen am biologischen Idealtypus der Fortpflanzung zu messen, entwertet Menschen mit homosexuellem Begehren und inter oder trans Geschlechtern. Es ist homo- und transphob.

Nicht per se – wenn ich tatsächlich Kinder empfangen oder zeugen will, sollte ich Sex mit jemanden haben, mit dem oder der das klappen kann. Schwule sind ja auch nicht per se frauenfeindlich, obwohl sie nie mit welchen schlafen.

7. In der seit diesem Jahr gültigen Neuauflage der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) gelten trans Geschlechter nicht mehr als Störungen, sondern als Varianten von geschlechtlicher Gesundheit. Das hat ein wissenschaftliches Gre­mi­um der WHO auf Grundlage neuester Forschung entschieden.

Das ist eine medizinische Frage, keine biologische. Warum werden Verschwörungstheorien eigentlich nicht als Krankheit… ach, schon gut.

8. Damit sind trans Geschlechter wissenschaftlich betrachtet genauso gesund, normal und natürlich wie cis Geschlechter.

Ein operativer Eingriff ist nicht „natürlich“, sondern künstlich, eine soziale Konvention ist „kulturell“ statt „natürlich“. Unfruchtbarkeit ist, je nach Ursache, schon ein Leiden, weshalb man zum Arzt geht. Aber „gesund“ ist eben keine biologische, sondern medizinische Kategorie.

9. Das versprochene Selbstbestimmungsgesetz nebst Abschaffen von Zwangsbegutachtungen wird den Leidensdruck der trans Community massiv reduzieren und die Menschenwürde von trans Personen wiederherstellen.

Es ist keine Zwangsbegutachtung, wenn man sich nicht mit Androhung mehrjähriger Haftstrafen dabei einfinden muss. Sonst wäre jede Untersuchung, die man über sich ergehen lässt, um ein verschreibungspflichtiges Medikament verschrieben zu bekommen, auch ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

10. Über nennenswerten Missbrauch solcher Selbstbestimmungsgesetze durch cis Männer ist aus den Ländern, die diese Gesetze bereits seit Jahren haben (Norwegen, Belgien, Irland und andere) nichts bekannt. Auch nichts darüber, dass Selbstbestimmungsgesetze den Schutz von cis Frauen beeinträchtigen würden.+

Das ist ggfs. nur anekdotisch. Länder, in denen es eine Wehrpflicht nur für Männer gibt, oder unterschiedliche Renteneintrittsalter, sind da nicht bei, oder? Aber ja, offenbar sind die Sorgen von Cisfrauen überzogen. Hmmmm…..

11. Das Begutachten und Vermessen von „abweichenden“ Körpern mit dem Ziel, diesen Personen Freiheit zu entziehen, ist ein Charakteristikum totalitärer Herrschaft, etwa von Kolonialismus und Faschismus.

Ähhmja. Ob der Körper „abweicht“ oder nicht, soll doch bei der Musterung überhaupt erst festgestellt werden. Aber ja, mit einem vom männlichen Ideal „abweichenden“ Körper durfte man gehen, wenn man aber keinen abweichenden Körper hatte, wurde man in seiner Freiheit eingeschränkt. Wer hatte nochmal die Privilegien?

12. In Europa erstarkt seit Jahren eine neue Rechte, die via Reizthemen Anschluss an die Diskurse der Mitte sucht. Zu diesen Reizthemen gehört neben Klima und Migration auch Gender.

Kann ja sein. Also sind Diskurse etwas schlechtes?

13. Ihre Strategie zielt darauf ab, dass ihnen Mei­nungs­ma­che­r*in­nen der Mitte beispringen, wenn sie soziale Bewegungen und den Pluralismus verhöhnen und alle Ab­weich­le­r*in­nen ihrer völkischen Idealbürgerschablone einschüchtern.

Ja, die Verschwörung hinter der Verschwörung. Man kann wissenschaftliche Erkenntnisse zurückweisen, sofern man bessere Erkenntnisse hat, oder, wenn man tatsächlich der Ansicht ist, diese seien gerade nicht relevant für die Fragestellung, die man diskutiert. Was er hier aber macht, ist zu sagen: „Die neue Rechte argumentiert gegen mich, und ich habe in dem Thema nicht genug Expertise, um gegenzuhalten. Außerdem sind viele meiner (weiblichen) Verbündeten plötzlich nicht mehr auf meiner Seite, und ich komm darauf nicht klar.“

Ein Gedanke zu “Egal

  1. Biologie interessiert sich besonders für [..] das Fortpflanzungsverhalten von Spezies.

    Biologie interessiert sich für die Fortpflanzungsweisen aller Spezies, auch Pflanzen und Pilze. Für das Fortpflanzungsverhalten von Menschen und Tieren »besonders« interessieren sich hingegen Zoologie und Verhaltensbiologie. Man erkenne den Unterschied.

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