WARUM SIND KOMMENTARE ZU KÖRPERN NICHT OKAY?
Weil ich mich damit schlecht fühle. Dankeschön!
Wenn jemand ein Kompliment macht, wie „Oh! Du siehst so schlank aus – hast du abgenommen? Steht dir!“ mag die Absicht dahinter nett sein.
Wenn MIR jemand so ein Kompliment macht, ist noch nicht einmal die Absicht nett.
ber die Wirkung kann ganz anders ausfallen. Beispielsweise, wenn diese Person aus Kummer und Stress Gewicht verloren hat.
Ja, und dann trotzdem noch Übergewicht hat. Dankeschön!
Deshalb lautet die wichtigste Regel im Komplimente-Club: keine Kommentare zu Körpern.
Dankeschön!
Das gilt selbstverständlich erst recht und tausendfach für kritische Bemerkungen.
Joah. Voll der Durchblick einfach.
„Puh, mit diesen Oberarmen kannst du aber keine Spaghettiträger-Tops mehr tragen“
So schlau bin ich auch und trage überhaupt keine Spaghettiträger-Tops.
„Ja, verstehe ich, dass du mit den Füßen keine Sandalen anziehst“
Und wenn ich sie mit weißen Socken verhülle? Die Füße jetzt, nicht die Sandalen.
„Ich hab da einen Artikel gelesen mit Tipps gegen Akne, den schick ich dir“
Motorradhelm, wie in der Werbung damals?
„Nimm was im Empire-Schnitt, das kaschiert den Bauch“. Nein, einfach nur nein.
Genau: nein.
Absichtlich abwertende, beleidigende und verletzende Hass-Kommentare auf Social-Media-Plattformen sind eh noch mal eine ganz eigene Kategorie – und gehören verboten.
Eigentlich könnte man sich eine Menge Arbeit ersparen, wenn man Soziale Medien komplett verbieten würde.
WARUM KOMMENTIEREN WIR KÖRPER?
Ja, warum macht IHR das?
Wir haben gelernt, dass das Äußere in der Gesellschaft als sehr wichtig gilt.
Von wem habt Ihr das gelernt? Von mir bestimmt nicht.
Das trifft auf weibliche Personen noch mehr zu als auf männliche.
Ja, weibliche Personen sind bei männlichen deutlich kritischer, was noch als „ok“ gilt, als umgekehrt.
Daher kommt unsere Verknüpfung von „Körper-Kompliment“ mit „positiv und nett“
Da Frauen eher anderen Frauen Körperkomplimente machen als umgekehrt… („Mycroft, wenn keine Frau DIR Körperkomplimente macht.“ – „Ach, stimmt ja. :-(„)
Doch wie gesagt, das funktioniert nicht immer. Und nicht nur das – damit werden auch unbewusst unrealistische Schönheitsideale wiederholt und bekräftigt.
Wenn Männer Frauen in 1-10 einordnen, kommt eine Glockenkurve heraus. Wenn Frauen Männer einordnen, eine Rampe. Die stark Richtung „schön“ abfällt.
Wer also zum Beispiel sagt: „Du hast abgenommen, sieht gut aus“ tut damit zwei Dinge. Erstens, schlank mit gutaussehend gleichzusetzen – je schlanker, desto schöner.
Wenn eine Person das so empfindet, kann sie das ja so sagen. Das Kompliment (oder die passiv-agressive Bemerkung) wird von diesem Schönheitsideal ausgelöst, nicht umgekehrt.
Zweitens, der Person zu signalisieren, dass sie vorher weniger gut aussah und jetzt eher dem gängigen gesellschaftlichen Schönheitsideal entspricht. Beides kann verunsichernd sein und Druck aufbauen.
Na, aber das ist das Problem mit jedem Kompliment, ob es sich auf Körpermerkmale bezieht oder was anderes. Ich weiß schon, warum ich damit nicht gut klarkomme.
Kritische Bemerkungen gehen hingegen oft mit einem geringen Selbstwertgefühl der kommentierenden Person einher.
Oh, dann muss ich ja ein hohes Selbstwertgefühl haben.
Zum Beispiel in Richtung von „Ich mag zwar Cellulite haben – aber immerhin nicht SO viel.“ Oder auch „Wenn ICH mich mit meiner Cellulite nicht zeige, weil ich mich schäme – wie kannst DU es dann wagen?! Verhülle dich gefälligst!“
Manchmal helfen Frauen offenbar auch dem Patriarchat. Dankeschön!
Das heißt jetzt nicht, dass alle aus purem Trotz Gegenteil-Tag spielen und Cellulite, Akne, Plattfüße oder Körperbehaarung plötzlich wunderschön und zauberhaft finden und uneingeschränkt abfeiern müssen.
Ja, was denn? Hat man Schönheitsideale, weil die Gesellschaft diese vorgibt, oder sind Schönheitsideale in großen Teilen so einheitlich, dass die Gesellschaft die einfach übernimmt?
Aber – wichtig, mitschreiben! – alles davon ist absolut kein Grund, jemanden abzuwerten, zu kritisieren oder generell irgendeinen Kommentar abzugeben.
So gesehen braucht man solche Kommentare gar nicht.
Stichwort: Body Neutrality.
Das ist tatsächlich besser als Bodypositivity. Andererseits: dazu braucht man auch nicht viel.
Anstatt den eigenen Körper um jeden Preis lieben zu müssen, geht es bei Körperneutralität eher darum, was ein Körper so kann. Also darum, die Verknüpfung zwischen dem reinen Aussehen des Körpers und dem Selbstwertgefühl zu trennen.
Weil das ja alles geschlechtsneutral ist, gilt das dann also auch für Männer? Fände ich ganz praktisch.
Oder wie Sängerin Billie Eilish in einem Interview sagte: „Wir brauchen Körper eigentlich bloß, um zu essen, herumzulaufen und zu kacken. Wir brauchen sie nur zum Überleben. Es ist lächerlich, dass sich überhaupt jemand für Körper interessiert.“
Also sind Körper wichtiger als Häuser, Autos, Berufe und Musik. Es wäre lächerlich, wenn man sich dafür weniger interessieren würde als für Häuser, Autos, Berufe und Musik. Oder Geld. Im Zweifel kann man ohne Haus, Auto, Beruf, Musik und Geld überleben. Wie ein Höhlenmensch, aber DANN wäre es gut, einen gesunden Körper zu haben.
KÖRPER ALS WERKZEUGE DES PATRIARCHATS
Alles ist ein Werkzeug des Patriarchats. Selbst der Körper, den DU zum Überleben brauchst. Muahaha!
Doch Körper definieren noch immer, wer wir nach außen hin sind. Ihre Form bestimmt den Grad der Attraktivität. Und die Kriterien dafür, was attraktiv ist, hängen vom Umfeld ab.
Ach WAS? Von allen möglichen Dingen, die irgendwie als frauenfeindlich bezeichnet werden, sind einige tatsächlich frauenfeindlich. Aber die Kriterien, welche Männerkörper attraktiv sind, hängen vom weiblichen Umfeld ab. Oder jedenfalls den Heteras.
In einer westlichen patriarchalen Gesellschaft bedeutet Attraktivität: männliche Körper möglichst groß, durchtrainiert und stark; weibliche Körper möglichst zierlich, an den richtigen Stellen auf die richtige Weise rund, glatt und jung.
Würde das Patriarchat nicht propagieren, dass alte, dicke oder junge, dünne Männer als attraktiv gelten? Oder, noch besser, dafür sorgen, dass für Männer überhaupt keine Schönheitsideale gelten? Und wenn es schon das Patriarchat nicht tut – sollten Feministinnen nicht einfach von diesem Schönheitideal abrücken. Natürlich nicht. Das wäre ja Wasser trinken, wenn man Wasser predigt.
So werden binäre Geschlechter-Vorstellungen über Körpermerkmale voneinander unterschieden und Stereotype verstärkt.
Jaaa, humanoider Geschlechtsdimorphismus ist deutlich älter als der moderne Mensch – es ist wohl eher so, dass die körperlichen Unterschiede da waren, bevor die Gesellschaft entstand.
Männliche Körper sind nach dieser Definition also zuständig für arbeiten, jagen, Regale anbohren. Weibliche Körper für Sex, kinderkriegen und die Wohnung hübsch einzurichten.
Weil weibliche Körper nur mit anderen weiblichen Körpern Sex haben? Aber richtig, diese Arbeitsteilung korrespondiert mit dem Geschlechtsdimorphismus. Weil Kinderkriegen bis vor hundert Jahren oder noch nicht einmal ähnlich riskant war wie Arbeit, Jagd und ähnlich Unterfangen, wäre es unfair gewesen, wenn Frauen dergleichen tun müssten. Und über die letzten paar 100.000 Jahren hat sich das evolutionär ausgewirkt. Oder meint Ihr, das Patriarchat wäre per Zeitmaschine in die Vergangenheit gereist, um dort per Genmanipulation die Grundlagen unserer heutigen Weltordnung zu legen. Haha.
Daher kommen die gesellschaftlichen Schönheitsideale – sie dienen der patriarchalen Ordnung und erhalten sie.
Los, datet Typen mit Übergewicht. Oder O-Beinen. Oder welche, die einen Kopf kleiner seid als Ihr und deren Schultern schmaler sind als Eure. Beweist Eure ABLEHNUNG patriarchaler Muster.
wie die Feministin Naomi Wolf 1991 in Der Mythos Schönheit schrieb…: „Je mehr rechtliche und materielle Hindernisse Frauen überwunden haben, desto stärker und schwerer und grausamer mussten Schönheitsideale uns erdrücken.“
Irgewndwie habe ich kein Mitleid, wenn Frauen ganz gut darin, sind, diese Schönheitsideale selbst durchzudrücken. Oder „Frauen“ halt.
Denn wenn sich Menschen in ihren Körpern unwohl fühlen und viel Zeit, Geld und Ressourcen auf ihr Aussehen verwenden
Wie redet Ihr denn jetzt bitte über Transpersonen? Also, ich bin mir sicher, dass Ihr Transpersonen meint. Aus Gründen der Solidarität und so solltet Ihr nicht so von Transpersonen sprechen.
fehlen ihnen logischerweise Zeit, Geld und Ressourcen dafür, das Patriarchat abzuschaffen und für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen.
Wir erinnern uns? Die Sklaven der Antike, die Leibeigenen des Mittelalters und die Arbeiter der Neuzeit konnten nicht um ihre Selbstbestimmung kämpfen, weil sie zu sehr mit ihrem Äußeren befasst waren. Ältester Trick der Welt.
Dazu kommt Konkurrenz. „Wenn man Frauen dazu bringt, sich gegenseitig als Rivalinnen zu betrachten“, so Naomi Wolf, „werden sie nicht gemeinsam versuchen, etwas zu ändern.“
Oh, ja. Nicht Konkurrenz um Ressourcen wie Geld, Essen, Arbeitsplätze, ein Dach überm Kopf oder „nicht den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden“, nein. Konkurrenz um Männer. Von denen die meisten eigentlich auch zwei oder drei haben wollten, wenn man sie ließe. Diese verdammte künstliche Ressourcenknappheit.
Über Kommentare zu Körpern freut sich also vor allem das Patriarchat.
Ehrlich, wenn DAS ausreicht, dass Frauen nicht das Patriarchat stürzen, dann freut sich das Patriarchat nicht nur, dann liegt es lachend in der Ecke. Andere Unterdrücker bauen Geheimdienste, Folterkammern und eine brutale Armee auf, aber dem Patriarchat reichen Zickenkämpfe GNTM-Style.
Wenn wir patriarchale Schönheitsideale mal schwungvoll über Bord werfen, findet jeder Mensch andere Dinge an sich und anderen schön. Manche schnurren bei Brusthaaren, andere bevorzugen es glatt. Und so weiter.
Ja, manche finden Bierbäuche schön, andere Stirnglatzen. Genau.
Deshalb im Zweifel lieber nichts sagen – weder zu Gewicht, Cellulite, Narben, Behaarung oder Haut, noch zu Klamotten. Gar nichts.
Da ich im Geben von Komplimenten auch nicht besser bin als im Empfangen selbiger, unterstürze ich das vollinhaltlich!
Wenn es ein Kompliment sein soll, finden wir doch bestimmt was Körperneutrales?
Nein, natürlich nicht. Das löst das Problem doch nicht – jedes Kompliment ist Mist.
„Du hast so ‘nen coolen Geschmack!“
„Also, denselben wie DU?“
„Deine Tipps sind echt die besten“
„Ist das Sarkasmus?“
„Ich wär gern so mutig wie du.“
„Sei nicht feige, lass mich hintern Baum!“
„Du kannst supergut zuhören“
„Ich habe die letzte halbe Stunde nur ‚m-hm‘ gemacht. Was war das Thema?“
„Ich liebe deinen Käsekuchen!“
„Also, DIR backe ich keinen Apfelkuchen mehr.“
„Deine Lache ist mega ansteckend.“
„Ist das jetzt gut oder schlecht?“
„Toll, dass du alle einfach so nimmst, wie sie sind.“
„M-hm.“
Es gibt doch so viel mehr, was uns schön macht.
Ich bin schon sooo gespannt, wie gut mein Flirtskill steigt, wenn ich bevorzugt die Koch- und Backkünste der angeflirteten Frauen lobe. Was jetzt so gar nicht das ist, was das Patriarchat wollen würde, woll?
Eine Frau: „Männer! Sagt uns, dass wir schön sind, wir Frauen mögen das!“
Zugegeben, war eine schöne Frau.
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Warum schreibt die Frau einen Artikel mit dem Titel „Warum sind Kommentare zu Körpern nicht okay“ und beantwortet dann ihre eigene Frage nicht? Oder soll „weil das das Patriarchat aufrecht erhält“ eine Antwort sein, die irgendwen überzeugt? Weil – es gibt zum Beispiel in Afghanistan unter den Taliban keinerlei Kommentare über das Aussehen von Frauen in der Öffentlichkeit, dafür aber tatsächlich ein Patriarchat.
Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, wieso Leute wie die Autorin denken, es gäbe mit genug Aktivismus keinerlei Maßstäbe mehr in der Gesellschaft – mein Kommentar über ihr Aussehen wäre gar nicht so schlimm, aber ihr Charakter ist mal super-häßlich. Statt also einzusehen, dass ihr unglaubliches Glück in der Genlotterie das einzige ist, was sie für sich laufen hat – das Essverhalten eines Landwals und ihre Intelligenz sind es sicher nicht – redet sie von „unrealistischen Schönheitsidealen“, als wäre Daenerys Targaryen kein real existierender Mensch.
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„Deshalb im Zweifel lieber nichts sagen – weder zu Gewicht, Cellulite, Narben, Behaarung oder Haut, noch zu Klamotten. Gar nichts.“
— Weil, wenn man es nicht hört, ist es auch nicht da. Der selbe Soziodenk, der zur Behauptung führt, dass ein nicht vorhandenes Farbwort in ejner Sprache bedeutet, dass die Sprecher diese Farbe nicht wahrnehmen können.
„Toll, dass du alle einfach so nimmst, wie sie sind.“
— Hast Du mich gerade „Schlampe“ genannt?!
„Es gibt doch so viel mehr, was uns schön macht.“
— Deine Freundin, zum Beispiel…
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TLDR:
„Ich möchte einfach nur in einer Blase leben, in der mich niemand kritisieren darf und alle immer nur validieren, damit ich mich gut fühle.“
Da die beschriebenen Verhaltensmuster aber teilweise sogar im Tierrreich existieren, wo z.B. das größere, stärkere Männchen bessere Chancen hat, kann man nur folgern, dass die Macht des Patriarchates keine Grenzen kennt. Oder eben die Realitätsverweigerung gewisser Schreiberling_inn:xen.
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