Männer leiden am Patriarchat
Weil sogenannte „Privilegien“ weder Sonderrechte noch Vorteile sind, sondern Nachteile. Also Vorteile für Frauen.
Warum unterstützen so viele Männerorganisationen das Patriarchat, obwohl die große Mehrheit der Männer dadurch nur Nachteile hat?
Die Antwort, die sie wohl erwartet, ist, dass diese „Männerorganisationen“ diejenigen Männer sind, die eine Dividende aus dem Patriarchat ausgezahlt bekommen. Die Idee, dass entweder diese Organisationen nicht das Patriarchat unterstützen, sondern gegen die Art von Feminismus ist, die für Frauen dieselben Vorteile wie Männer will, aber die Nachteile von Männern auf Männer beschränkt lassen will, oder aber, dass die tatsächlich das Patriarchat bekämpfen, indem sie die Vorteile von Frauen erkämpfen, kommt ihm nicht, weil… Keks.
Immer mehr Studien fördern zutage, dass nicht nur Frauen unter patriarchalischer Gesellschaften leiden, sondern auch die große Mehrheit der Männer.
Es gibt aber keine Studie, die zutage fördert, dass auch Weiße – Weiße mehrheitlich von Weißen dominierten Ländern, wohlgemerkt – größtenteils unter Rassismus leiden.
Die Männerherrschaft beschert ihnen ein verkürztes, stressiges und schlechtes Leben.
Ach? Das ist ein grundsätzlicher Unterschied zu jeder anderen Form von Unterdrückung, die auf „Hautfarbe“, „Herkunft“, „Religion“, „Sprache“, „Schicht“, „Sexualität“ oder „Ausbildung“ zielt. Warum ist das wohl so? Weil Männer zwar super darin sind, Menschen mit anderer Hautfarbe, Herkunft und was nicht alles derartig „gut“ zu diskriminieren, dass diese weniger Zugriff auf Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Bildung und Anwälte haben, diese Methoden bei Frauen aber irgendwie vergessen, oder, weil viele Dinge, die unter „Patriarchat“ zusammengefasst sind, den Zweck haben, das Leben von Frauen möglichst stressfrei und lange zu machen? Ich sag mal so: Ku-Klux-Klanmitglieder, Schwulenhasser und die „Feine Gesellschaft“ kämen nicht im Traum auf die Idee, Rettungsbootplätze für Schwarze, Schwule und/oder Arbeiter frei zu lassen. Eher schmeißen sie sie eigenhändig über Bord.
Hierzulande sind zwei Drittel aller Notfallpatienten, drei Viertel aller Selbstmörder, … männlich.
Notfallpatienten sind zu großen Teilen Opfer von Arbeitsunfällen. Die gefährlichsten Berufe haben die höchsten Männerquoten. In einer geschlechtergerechten Welt wären 50% aller Notfallpatienten weiblich, die absolute Zahl aller Notfälle aber gleich. Nicht alles ist ein „Nullsummenspiel“, aber manches eben schon.
Die Mehrzahl der Opfer männlicher Gewaltakte ist ebenfalls männlich, sieht man von Sexualdelikten ab, die vor allem Frauen und Kinder betreffen.
Im drastischen Unterschied zu Schwulenhassern, Schwarzenhassern, Judenhassern und Sinti-und-Roma-Hassern, die hauptsächlich oder ausschließlich die jeweils gehasste Gruppe angreifen und nicht ihresgleichen.
Dem größten Teil der Männer trägt das Patriarchat also mehr Nachteile als Vorteile ein.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die ruhmreiche Verschwörung des Patriarchats tatsächlich doch nicht alles steuert, sondern nur die Dinge, die Männern nutzen, und die Dinge, die Männer schaden, eine andere Ursache haben. Gegenfrage: wenn das Patriarchat im Umkehrschluss Frauen ein längeres, weniger stressiges und besseres Leben ermöglicht – warum sollte irgendeine Frau das bekämpfen wollen?
Und dennoch wehrt sich kaum ein Mann dagegen. Warum?
Weil er dann Ärger mit seiner Frau kriegt? Keine Ahnung.
Ein Grund dafür sind die „ganz normalen“ Männerseilschaften in Politik, Wirtschaft und Militär, die dafür sorgen, dass die Quote erhalten bleibt – die Männerquote, die in Spitzenpositionen regelmäßig zwischen neunzig und hundert Prozent liegt.
Würde bspw. die Selbstmordquote von Männern sinken, wenn weniger Männer in Spitzenpositionen arbeiten würden? Oder der Drogenkonsum? Wenn ja, würde die Selbstmord- und Drogenopferquote mit der Spitzenpositionsquote bei Frauen steigen? Oder gibt es vllt. gar keinen kausalen Zusammenhang, dass man das eine mit dem anderen regeln könnte?
Viele dieser Männer sehen sich nicht als Frauenfeinde, weil sie sich einen ganzen Stall von Geliebten halten.
Nun, diejenigen, die was gegen Schwule und/oder Schwarze haben, reagieren oft sehr gereizt, wenn man andeutet, sie würden mit Schwulen und/oder Schwarzen schlafen – da sind diese Männer ja schon weiter. Aber umgekehrt – der wham-Fabrikbesitzer ist auch nicht der Freund oder auch nur Verbündete der wham-Arbeiter gewesen. Die Theorie, dass ein weiblicher Vorstand irgendwie besser für weibliche Angestellten sei als ein männlicher Vorstand für männliche Angestellte, müsste noch bewiesen werden.
Sie wollen in ihren Machtgefilden bloß nicht von Frauen gestört werden. Diese Herren an der Spitze sind die einzigen echten Nutznießer des Patriarchats.
Auch DIE haben nicht unbedingt ein längeres oder besseres Leben, und ganz sicher kein weniger stressiges als ihre Ehefrauen. Oder ihr Stall von Geliebten. Aber selbst wenn – diesen Herren wäre es egal, ob sie männliche Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen ausbeuten. Insofern wären sie nicht unbedingt die Hauptgegner von „Gleichstellung“.
In diesem stark hierarchisierten System stehen nur wenige Sieger ganz oben, dafür aber gibt es sehr viele Verlierer.
Wenn das „das Patriarchat“ sein soll, okeee. Dann wäre es keine Verschwörung der Männer, die Frauen zu unterdrücken, sondern der Oberschicht, die Unterschicht zu unterdrücken. Dann sollte man es aber nicht „Patriarchat“ nennen. Wenn die USA nach dem Bürgerkrieg nicht die Sklaverei abgeschafft hätten, sondern einfach erlaubt hätten, dass auch Weiße versklavt werden dürften…
Doch die Sieger haben es gar nicht nötig, Werbung in eigener Sache zu machen – sie stellen die patriarchalischen Strukturen einfach durch ihr Handeln ständig (wieder) her.
Ja, aber diese Strukturen – ehrgeizige Menschen verbünden sich mit anderen ehrgeizige Menschen gegen dritte ehrgeizige Menschen, um reich zu werden – funktionierte ja auch, wenn die Hälfte der Sieger weiblich wäre. Kapitalismus != Patriarchat!
Und weil sie so erfolgreich sind, glauben unzählige Männer, patriarchalische Macht sei unglaublich attraktiv, sie müssten ihnen nacheifern, sie müssten genauso werden, genauso „stark“, „unabhängig“, „autonom“ und „durchsetzungsfähig“.
Wenn Männer auf die Idee, dass „Macht“, „Stärke“, „Unabhängigkeit“, „Autonomie“ und „Durchsetzungsfähigkeit“ unglaublich „attraktiv“ seien, dann liegt das möglicherweise auch daran, dass Frauen Männer mit diesen Eigenschaften anscheinend so behandeln, als fänden sie sie attaktiv. Oder aber, „Stall von Geliebten“ ist ein Klischee und Vorurteil – sucht es Euch aus.
Damit gelingt es dieser Lobby von Topmachos, ein für die große Mehrheit der Gesellschaft völlig kontraproduktives Rollenbild aufrechtzuhalten, ohne einen Cent für PR ausgeben zu müssen.
Frauen müssten diese Topmachos einfach boykottieren. Female Choice und so. (Natürlich wollen diese Topmachos gar keine PR für ihren Lebensstil – es ist günstiger für sie, möglichst wenig Konkurrenz zu haben.)
Vielen Männern sind diese Zusammenhänge aber überhaupt nicht klar, oder sie trauen sich nicht, darüber zu reden, weil sie sonst Gefahr laufen, als „unmännlich“ oder „schwach“ markiert zu werden.
Vor allem von Frauen. Denselben Frauen, die ihnen ihre Nachteile zum Vorwurf machen.
Die Erfolgreichsten sehen gerne auf alle anderen herab und diskriminieren sie als „weibisch“, „Weicheier“ und „Schlappschwänze“, „Warmduscher“ und „Frauenversteher“ – eine symbolische Kastration.
Das stimmt so auch nicht – die Erfolgreichsten machen das nicht. Der Klischee-Managertyp mit seiner 80-h-Woche und dem Stall voller Geliebten muss andere nicht schlecht machen, um selbst erfolgreich auszusehen. Die eher Mittelerfolgreichen haben viel eher das Bedürfnis, sich von anderen abzugrenzen, jedenfalls verbal. Womit ich das nicht verteidigen will, aber schon die verkürzte Darstellung realer Phänomene lässt es anzweifeln, dass die daraus resultierende Theorie was taugt.
Daneben gibt es noch die expliziten männlichen Lobbygruppen.
Wenn Feminismus wie eine explizit weibliche Lobbygruppe auftritt, wo ist das Problem?
„Maskulinisten“ und „Männerrechtler“ sprechen an Stammtischen dem Alkohol offenbar so gerne zu, dass sie die Kanzlerin nicht nur doppelt, sondern zigfach sehen:
„Maskulisten“ – aber nein. (Der Artikel ist 10 Jahre alt, aber die Argumente haben sich nicht groß verändert.)
Zu deren übelsten Vertretern gehören die Fans des norwegischen Attentäters Anders Breivik, der in Europa eine „Verschwörung“ zwischen Feministinnen und Moslems am Werk sah, die die arischen Christen entmännlichen wollten.
Gibt es, ja. Ist möglicherweise sogar bizarrer als die Verschwörungstheorie vom Patriarchat, derzufolge Männer das Ziel hätten, dass es Männern schlechter geht als Frauen.
… sie glauben, das sei „normal“, Konkurrenz müsse mann im Kapitalismus nun mal hinnehmen.
Selbst ganz ohne Kapitalismus – im Feudalsystem, im Kommunismus, oder gar in der heilen Welt der Föderation bei Star Trek gäbe es vllt. keine Konkurrenz um Geld, aber trotzdem würden Männer um Frauen konkurrieren, nicht umgekehrt. Außer, eine rätselhafte Krankheit würde 90% aller Männer töten.
Auch die Medien werden mehrheitlich von Männern gesteuert. Brutalitäten unter Männern werden deshalb nur wenig thematisiert, sie gelten als „normal“.
Ja – es wird viel mehr über weibliche Gewaltopfer geschrieben. „Auch Frauen und Kinder unter den Opfern!“ Die Erklärung, dass das nicht Verachtung für Frauen ist, sondern eher Selbsthass, ist natürlich abwegig, weil… keine Ahnung.
Die am meisten verschwiegene und verleugnete Form von Gewalt ist sexuelle Gewalt von Männern gegen Männer.
Wohingegen alle super offen und so über sexuelle (oder sonstige) Gewalt von Frauen gegen Männer reden? Beleg erforderlich.
In zahllosen Kriegen kam es zu Vergewaltigungen männlicher Opfer, in der Demokratischen Republik Kongo ebenso wie in Ex-Jugoslawien.
Deshalb FEMINISTISCHE Außenpolitik JETZT! Frauen an die Front! Angenommen, DU, weiblicher Teenager, bist mit Deinem Vater in einem dunklen Park unterwegs, und ein paar Angreifer wollen ihn vergewaltigen. Du hast zufällig eine geladene Maschinenpistole dabei. Was tust DU?
Nichts sei für das Patriarchat bedrohlicher zu thematisieren als die Vergewaltigung von Männern durch Männer, glaubt auch Yakin Ertürk, die frühere UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen.
Gaaaanz blöd gesagt – von einer Frau vergewaltigt zu werden, ist insofern „demütigender“, weil von einem Mann nicht erwartet wird, dass er stärker ist als jeder andere Mann, aber immerhin als jede beliebige Frau. Aber im Namen des patriarchaischen Überwachungsstaates teile ich mit, dass beides nicht thematisiert werden sollte. Mitleid ist eine knappe Ressource und sollte daher für Frauen aufgespart werden.
Er sieht deshalb ein „Paradox der Männermacht“: Dieselben Mittel, die zur offenbar als lustvoll empfundenen männlichen Macht führten, seien „die Quelle enormer Angst, Isolation und Leiden auch für uns Männer“, weil machtvolles Handeln eine Art Körperpanzer und angstvolle Distanz zu anderen erfordere.
Teilweise tatsächlich. Und teilweise, weil es oft nutzlos ist, diese Distanz aufzugeben. Mit anderen Männern darüber sprechen hilft nichts, da die dasselbe Problem, aber offenbar auch keine Lösung haben, mit Frauen darüber sprechen hilft auch nicht, weil sie das Problem so nicht haben, oder aber denken, es wäre ein Vorteil.
Die verinnerlichten Anforderungen an Männlichkeit zu erfüllen, sei extrem anstrengend.
Die sind ja nicht nur verinnerlicht. Frauen haben es in vielen Bereichen tatsächlich deshalb leichter als Männer. Sie haben bei der Partnersuche weniger Stress, weil von Männern erwartet wird, dass sie den ersten Schritt machen, und sie sterben seltener bei Arbeitsunfällen, weil Männer zur Risikobereitschaft erzogen werden, und daher deutlich häufiger gefährliche Berufe ergreifen.
Da Heise ja mal ein nerdiges IT -Forum war, übersetze ich das mal von Soziologen auf Deutsch:
> Immer mehr Studien fördern zutage,
>> Immer mehr Spinner behaupten,
Ich bezweifle übrigens nicht, dass dem so ist. Das Problem ist die Prämisse:
> Grund dafür sind die „ganz normalen“ Männerseilschaften
>> Grund dafür ist, dass Frauen einen feuchten Dreck tun.
Den Rest kann man sich sparen, denn man kann freilich auch aus falschen Prämissen richtige Schlüsse ziehen; das ist aber reiner Zufall.
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Was für ein schäbiges Manöver: Empathie mit Männern heucheln um sich einen weiteren Vorteil für Frauen zu ergaunern, hier die Frauenquote für die guten Jobs.
Aber mit mehr Frauen wird es für Männer besser? Nope.
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