GNTM

Germany’s Next Top Model.

Ist offenbar weniger als Berufseinstiegspraktikum gedacht, sondern als Show.

Und Modeln bzw. Werbung ist nicht dazu gedacht, der Zielgruppe ein positives körpergefühl oder sonstwie Zufriedenheit zu verschaffen, sondern Unzufriedenheit. Zufriedene Menschen kaufen weniger ein. D’oh!

Dann diese Schlagzeile:

GNTM GOES DSCHUNGELCAMP

Wenn man sich vorm Essen überwinden muss, isst man entsprechend weniger. Aber das ist keine gesunde Diät. Ach, das meint sie gar nicht?

Okay, ihr lieben, ich bin raus. Seit zehn Jahren kommentiere ich GNTM – in TV, Radio und Printpresse. Seit Gründung von Pinkstinks erkläre ich, dass Pro7 dafür geteert und gefedert gehört, dass der Sender Frauen in Konkurrenz um Schönheit in einen inszenierten Zickenkrieg schickt.

Abgenommen, er ginge um ein Stipendium für ein MINT-Studium; käme irgendwer auf die Idee, Pro7 würde das nicht als Zickenkrieg inszenieren? „Warum muss ich in das Team mit der Trulla, die keine ganz-rationale Funktion im Kopf aufleiten kann?“ – „Hallo, die Dame, die den Schmelzpunkt von Germanium nicht kennt, sollte mal die Klappe halten!“

Wie stark Essstörungen und Körperdysmorphie bei jungen Mädchen angestiegen sind, seit Heidi jährlich „die Eine“ kürt.

Ja, Heidi Klum ist schon nicht gut für die körperliche oder seelische Gesundheit. Aber der Markt regelt, und der Markt sagt: „Es gibt hinreichend viele Leute, die das sehen wollen.“ So ganz was anderes als das, was die Zielgruppe (junge Frauen oder alte Männer?) hören will, sagt Klum dann wohl nicht.

Dass sich kein Junge unter Tränen umstylen lassen oder ein Mädchen, dass er nicht mag, knutschen würde, nur, um auf eine Plastikrasierer-Werbung zu kommen.

Irgendein Junge bestimmt. Aber irgendwie würde kaum ein Mädchen „für Deinen Vater“ Wehrdienst leisten. Außer Hua Mulan. Möglicherweise sind Frauen wirklich schlauer.

Dass die Sendung das Böse, das Patriarchat, die Heidi-Horror-Show ist, auf die wir unbedingt verzichten können.

Eine Sendung, die von einer Frau geleitet wird, ein recht weiblich dominiertes Kandidatenfeld hat und Frauen zur Hauptzielgruppe gemacht hat, meine Dame und Herren: Das Patriarchat! Angenommen, es ginge nicht um weibliche Models sondern männliche Fußballspieler. Meinetwegen Oliver Kahn wäre der Moderator, und es gäbe ganz viele männliche Zuschauer – wäre das dann das Matriarchat, das dann endlich ausgebrochen wäre?

Jeden Januar beschleichen mich Anzeichen eines Bore-Outs: Vielleicht schmeiße ich den „Frau Dr. Feminismus-Job“ einfach hin!?

Als jemand, der ständig über „Feminismus und seine Problemchen“ lästert, finde ich, dass GNTM tatsächlich eher verzichtbar ist als das generische Maskulinum. Aber nunja.

Ich schaff das nicht: Nicht noch einmal Deutschlandfunk bis Morgenpost erklären, warum GNTM ein Problem ist!

Je kleiner das Problem ist, desto schwieriger, ein Problembewusstsein zu erschaffen.

Doch dieses Jahr, zur 17. Staffel, geschieht ein Wunder! Heidi sagt just das, was wir bei Pinkstinks seit Jahren predigen.

„Männer sind Schweine! Traue ihnen nicht, mein Kind.“?

 In einem Pro7-Video erklärt sie, dass gerade alle mit „Diversity“ werben, aber nun, da bei GNTM Frauen bis Größe 54 antreten, sagen Designer, sie hätten keine Roben für ihre Models! Da müssten die sich aber mal etwas einfallen lassen: Sie wolle mit GNTM ein Zeichen setzen und diese Designer herausfordern!

Da Kleidergrößen nicht annähernd so zuverlässig angegeben werden, wie man sich das als naiver Ingenieur so vorstellt, sagt das erstmal wenig aus. Aber ja, Heidi Klum vs. Mode-Terror! Wer wird gewinnen? Ich stelle schonmal das Popcorn kalt und schmeiße Konfetti in die Mikrowelle.

 GNTM ist jetzt Dschungelcamp. Und vielleicht war GNTM immer Dschungelcamp, nur so geschickt als Modelshow getarnt, dass sie viele junge Frauen und Mädchen in Selbstzweifel gerissen hat.

Hey, bei beiden gibt es keine Pizza Hawaii. Auch wenn der Postillion was anderes behauptet. Und persönlich hätte ich keine Selbstzweifel, wenn ich bei einer (im weiteren Sinne) Casting-Show Leute sehe, die besser aussehen als ich, besser schauspielern, singen oder tanzen können als ich, besser Geige oder Fußball spielen als ich, oder was gerade gesucht wird, weil es ja ein Vorauswahl gab und alle, die da mit machen, schon überdurchschnittlich sind. Aber ja, beeinflussbare Teenager sind beeinflussbar.

Und doch entlarvt sich durch die neuen, als lustige Vögel inszenierten ganz normalen Menschen GNTM als genau das, was es schon immer war: Nie ein wirkliches Abbild der Modelwelt (das ist auch hart, aber anders hart) sondern eine Reality-Soap, die Geld machen soll, viel Geld.

Ach, was? Wer hätte das gedacht? Ok, ich wünsche natürlich allen Kandidatinnen, dass sie das mehr als Spaß und sportliche Herausforderung sehen und nicht als Lebensfrage, und dass auch die Zuschauerinnen sich soweit davon distanzieren können, dass sie nicht magersüchtig werden. Allerdings ist Magersucht als Folge von Diäten eher eine seltene Ausnahme.

Man muss es nach zehn Jahren jetzt auch mal sagen: Irgendwie ist sie ja auch witzig, die Heidi. Jetzt, wo – Diversity hin oder her – ihr nur viele Spritzen Botox den Job sichern, wird sie schriller denn je.

Body-Shaming!

Was GNTM ist und vermutlich auch sein soll, ist eine Unterhaltungssendung. Vermutlich taugt sie nichtmal als Beratungsangebot für Menschen, die gerne Modeln würden. Insofern ist es extremst müßig, „Diversitität“ einzubauen. Wenn ein Modedesigner Kleider in Größe 54 herstellen will, weil er dafür einen Markt sieht, wird er passende Models finden.

Und es ist keine „Typberatung“. Ich bin übergewichtig, ich weiß, dass das ungesund ist und meine Chancen bei der Partnerwahl einschränkt, aber das ist immerhin noch eine faire Einschränkung, weil ich an meinem Gewicht arbeiten kann. Mich über die Welt zu beklagen, in der Übergewicht ungesund und nicht so attraktiv sind, zählt aber nicht als „daran arbeiten“. Warum sollte das bei Frauen anders sein.

Was GNTM nicht ist, nie sein sollte und vor allem niemals sein wird, ist eine Erziehungssendung, die jungen Männern beibringt, welche Körpertypen sie attraktiv finden sollen. Junge Männer sind zwar schon leicht zu beeinflussen, aber so leicht nun auch wieder nicht.

Insofern werden sich keinerlei Schönheitsideale ändern, nur weil Heidi Klum sich ändert.

Ansonsten: weiterführende Literatur.

Ein Gedanke zu “GNTM

  1. „Dass sich kein Junge unter Tränen umstylen lassen oder ein Mädchen, dass er nicht mag, knutschen würde, nur, um auf eine Plastikrasierer-Werbung zu kommen.“

    Da wird es viele geben, die das tun würden. Nur will das keiner sehen …

    Like

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