Ausnahmsweise, aber prinzipiell.
Wegen dem hier.
Verteidige ich SPORTFANS!
Kommen Sie in den Club der falschen Kerle
Nach der Logik, der er hier mal wieder folgt, bin ich bereits ein falscher Kerl. Mache vielen „Männerkram“ nicht, mache manchen „Frauenkram“ und – wie schon paarmal erwähnt – mache ich mir nichts aus Sport. Trotzdem ist er nicht mein „Allie“.
Männlichkeitszwänge: Wollen Sie weiter so tun, als hätten Sie nur Interesse an Sport,
Kein Mann tut so, als habe er nur an Sport Interesse. Kein Mann tut so, als habe er an Sport nur Interesse. Bei einigen ist das wirklich so, die tun also nicht so, aber wenn welche das vortäuschen, dann täuschen die auch vor, sportlich zu sein bzw., auch an anderen Dingen Interesse zu haben.
obwohl Sie es sich lieber auf der Couch mit Schokolade vor einer Serie gemütlich machen würden?
Ich gucke nur noch wenig Fernsehen, und meinen Schokoladenkonsum habe ich reduziert. Weil mein Arzt das sagt. Und eigentlich sollte ich auch mehr Sport machen, aber hey!
Ich muss Ihnen etwas gestehen.
Mit „gestehen“ meint er „angeben“.
Etwas, das ich schon so lange mit mir herumtrage, dass ich es nicht mehr für mich behalten kann.
Denn eigentlich soll man nicht angeben, aber uneigentlich will man das doch. Weil das zu seinem Projekt gehört, kein „typischer Mann“ zu sein.
Seit einigen Jahren bin ich nun schon Mitglied im Club der falschen Kerle.
Und ICH bin in einem Club, in dem man sich hauptsächlich zum Essen trifft und Brettspiele spielt. Oder Cocktails mixt. Oder was sonst noch Spaß macht. Eigentlich sollte man seinen Verein über Dinge definieren, die man macht, nicht über die, die man nicht macht, aber hachja. Pickert macht halt alles anderes als andere Männer.
Das ist auch der Grund, warum ich diese Texte hier schreibe.
Auch nur unregelmäßige Leser dieser Texte haben das gemerkt.
Manchmal sitze ich mit meinen unechten Jungs zusammen, und dann lachen wir über die Dinge, die echte Kerle, ganze Männer und harte Typen machen müssen, um sich ihre Männlichkeit echtheitszertifizieren zu lassen.
Chromosomentests? Musterung? Mathetests? Ich wünschte, es wären Mathetests. Sowohl meine Mutter als auch meine Ex-Freundin sind zwar trotzdem Frauen, aber rein aus Trotz!
Dann wiederum ist uns zum Heulen zumute, wenn wir daran denken, dass alle anderen Typen immer noch Fußballbegeisterung, Sackkratzen, lautes Herumbrüllen oder Harte-Entscheidungen-Treffen performen müssen, um als mannhaft zu gelten.
Hmm. Warum könnte wohl Sackkratzen ein Beweis fürs Männlichsein sein? Wenn’s der eigene ist, meine ich. Aber nun, die Idee, dass jemand sich für Fußball tatsächlich begeistert, anstatt nur so zu tun, kommt Nils nicht in den Sinn. Ja, das tue ich auch nicht, aber ich habe halt genug Empathie, um mich in andere hineinzuversetzen. Nebenbei, meine Erfahrungen IN Fußballstadien hatte ich zusammen mit Mädchen. Und DIE waren die Fußballbegeisterten. Und ich habe das tatsächlich nicht gemacht, um denen meine Männlichkeit zu beweisen, und die hätte es nicht gestört, wenn ich schwul wäre, und eigentlich widerlege ich Pickerts Vorurteile eigentlich nur pro forma.
Das ist so langweilig, zäh und ermüdend, dass wir uns entweder sehr unmännlich darüber freuen, bei diesem Männlichkeitsgehampel nicht mehr mitzumachen,
Schadenfreude ist nicht direkt „unmännlich“. Tut mir leid, das zu sagen, aber was soll ich lügen?
oder extrem unmännlich mit denen mitleiden, die immer noch am Hampeln sind.
Mitleid ist auch nicht „unmännlich“, auf wenn Pickert das gerne so främt. Punkt ist aber, dass Männer sicher auch Dinge nicht zum Spaß machen, sondern um bestimmten Erwartungshaltungen Genüge zu tun, aber eben nicht alles, was Männer tun, macht ihnen keinen Spaß.
Um uns auf andere Gedanken als Hampelmänner zu bringen, backen wir mehrstöckige Torten, erzählen uns rührende oder lustige Anekdoten über unsere Kinder, gucken Tanzfilme und verwöhnen uns gegenseitig mit Pediküren.
Ein Typ, der sein Berufsleben damit füllt, über Hampelmänner herzuziehen, braucht in seiner Freizeit natürlich Abwechslung.
Manchmal begeistern wir uns auch für Fußball, kratzen uns am Sack, brüllen herum oder treffen harte Entscheidungen.
Nein! Doch! Ohh!
Aber wir drehen uns anschließend nicht um und suchen in den Augen anderer nach Männlichkeitszertifizierungen dafür.
Macht das einer? Irgendeiner? Gibt es darüber Untersuchungen? Ich kenne eine Menge Männer, die sich für SF interessieren. Und nicht zusätzlich zu Fußball oder sonstigen Sport, sondern stattdessen. Die teilweise genervt waren, wenn plötzlich in ihrer SF-Serie Fußball vorkommt, und von denen einige das mit Satanismus verglichen. Wobei es natürlich auch die mäßigen Stimmen gab, die es gar nicht schön fanden, wie hier auf den armen Satanisten herumgehackt wird.
Wenn wir auseinandergehen, beschwören wir den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft bei der literarischen Figur, die wir uns als Schutzpatron erwählt haben. Bartleby, der Schreiber aus der gleichnamigen Erzählung von Herman Melville.
Ein Mann ohne erkennbaren inneren Antrieb. Ist das wirklich besser?
Gut, Bartleby lehnt schlussendlich auch das eigene Überleben in ihm nicht genehmen Verhältnissen ab, und so weit gehen wir nur metaphorisch.
Gut, dass er’s sagt. Ist Bartleby eigentlich ein Mensch, der all seine Zwänge abgestreift hat, oder einer, der seine Zwänge nicht überwinden kann?
Wir lehnen es ab, uns an die Vorschriften zu halten, mit denen angeblich notwendigerweise Männlichkeit belegt werden muss.
Die Idee, dass man seine Verhältnisse einerseits mitbeeinflussen kann, als auch suboptimale Verhältnisse ertragen, ist Herr Pickert demnach wesensfremd.
Diese Not existiert nämlich überhaupt nicht.
Wenn er das wirklich glaubt, könnte er ja auch auf die Idee kommen, dass Männer Fußball aus Spaß sehen. Ich meine, manche mögen auch Spargel.
Es tut nicht Not, sexistische Sprüche zu reißen, Frauen abzuwerten und auf Homosexuelle herabzublicken.
Meine fußballfannige Cousinen sehen das auch so. Bzw., möglicherweise machen die keine männerfeindliche Sprüche, wenn ich zugegen bin. Soll heißen, Fußballfans müssen weder männlich sein, noch Frauen abwerten, auf Homosexuelle herabblicken oder sexistische Sprüche kloppen. Schalkistische oder borussiasistische Sprüche hingegen sind ganz was anderes…
Es tut nicht Not, sich bis zur Erschöpfung abzurackern, für die Karriere bereitzuhalten, in Ärsche zu kriechen oder der Arsch zu sein, in den es zu kriechen gilt.
Was jetzt wenig mit Fußball zu tun hat. Außer, man arbeitet im Fußball, natürlich.
Es tut auch nicht Not, permanent einen auf Sportficker zu machen, der alle Frauen rumkriegt und nie an etwas anderes denkt.
Warum heißt es eigentlich „tut Not“. Wenn etwas Leid verursacht, tut es einen Leid. Wenn etwas Schmerzen verursacht, tut etwas weh. Was verursachen demnach Dinge, die „Not tun“? Aber, Fun-Fact, sportliche Männer haben im Schnitt mehr Erfolg bei Frauen. Insofern ist die Verbindung „Sportlichkeit“ = „Männlichkeit“ etwas, was von Frauen in die Welt gesetzt wurde. Beschwert Euch bei denen.
Diese Not ist lediglich inszeniert.
Behauptet. Diese Not ist behauptet. Und zwar hauptsächlich von Pickert.
Männlichkeit, so wie sie leider immer noch viel zu oft erzählt und vermittelt wird, soll das Gegenmittel in einem behaupteten Katastrophenfall sein:
Ja, weil typischerweise keine Frauen in die Katasptrophe geschickt werden. Ich fände die ganze Argumentation deutlich besser, wenn dieser Zusammenhang mal ab und zu beschrieben würde.
Tatsächlich ist echtheitszertifizierte Männlichkeit nach wie vor die eigentliche Katastrophe.
Ja, richtig, die ganzen Männer beim THW und Feuerwehr und Polizei und Bund und so wollen einander nur ihre Männlichkeit beweisen. Deshalb habe ich in Hohenlimburg nach dem Hochwasser auch keine Feuerwehrfrauen, auch nicht als Zugführerinnen, gesehen. Hey, habe ich doch! Wo ist dann das Problem? Ach ja: nicht einmal in der Nähe von dem, wo Prickert es sehen will. DORT ist es.
Sie ist nicht zuletzt auch der Grund dafür, dass sich Österreich dieses Jahr die Europameisterschaft in Femiziden sichert.
Östereich ey, das frauenfeindliche Drecksloch! Mehr ermordete Frauen als Männer! Mehr!!! Wie konntet Ihr nur, Österreich, WIE???? Bringt halt noch ein paar Kerle um. Nein, Selbstmord gildet nicht! Zwei oder drei sollten reichen. Die relative Mordrate ist in Ö. nämlich ziemlich niedrig, ein paar mehr sollten da noch zu verkraften sein.
Wenn ich Sie also frage, ob Sie Lust an der Macht hätten, Frauen einzuschüchtern und ihnen Gewalt anzutun, um Ihre Interessen durchzusetzen, dann werden Sie wohl „Ich möchte das nicht!“ antworten können.
*schulterzuck. Bartleby wäre für die Dinge, die er nicht wollte, bezahlt worden. Pickert ist nicht mein Arbeitgeber. Ich wüsste auch von ganz wenigen Arbeitgebern, die ihre Angestellten anweisen, Frauen einzuschüchtern, aber dann sollen wohl eher die Interessen des Arbeitgebers durchgesetzt werden. Bezieht sich das eigentlich ausschließlich auf das Motiv „Meine Interessen durchzusetzen“? Wenn ja, ist das also überhaupt nicht mit der Geschichte von Bartleby zu vergleichen.
Und womöglich werden Sie sogar feststellen, dass sich der Satz für Sie richtig gut anfühlt.
Ich möchte tatsächlich nicht zu Fußballspielen gehen, aber wenn, bekäme ich das nicht bezahlt. Aber ja, Fußball gucken oder Frauen Gewalt antun, alles dasselbe. Warum differenzieren? Wer Fußball mag, ist in Pickerts Welt kurz davor, eine Frau zu ermorden. Anders lassen sich solche Fragen nicht erklären:
Hey, wollen Sie vielleicht so tun, als hätten Sie Interesse an Sport, obwohl Sie es sich viel lieber auf der Couch mit Schokolade vor ’ner Serie gemütlich machen würden?
Gegenfrage: womit von beiden habe ich mehr Aussicht auf eine Beziehung zu einer Frau? Spontan würde ich sagen, Fußball, vor allem aktiv Fußball, aber es gibt bestimmt auch Gegenbeispiele.
Hätten Sie vielleicht Lust, einer Kollegin vorgezogen zu werden, die genauso viel drauf hat wie Sie, aber länger dabei ist?
Wenn sie länger dabei ist, wieso habe ich schon so viel drauf wie sie? Aber ja, ich möchte gerne befördert werden, und meine Kollegin ist meine Konkurrentin. Das ist nicht sexistisch, weil ich auch lieber will, dass ich statt meiner männlichen Kollgen befördert werde. Allerdings bin ich selbstständig.
Wollen Sie weiterhin so tun, als wären Sie in Ihrem eigenen Leben nur die Aushilfskraft, die an Wochenenden „auch mal die Kinder nimmt“?
Ich habe keine Kinder und habe seit über zwei Jahren keinen Urlaub mehr gehabt. Ich bin definitiv keine „Aushilfe“. Und im Unterschied zu Bartleby habe ich keinen, der auf mich Rücksicht nimmt. Bei allem Respekt für Melville, aber dass die Geschichte nicht „realistisch“ sein soll, haben doch alle gemerkt außer Pickert, oder?
Aber vielleicht wollen Sie dem Club der falschen Kerle nicht beitreten, weil Sie unsere Motive in Zweifel ziehen.
Wenn es nur um die Ablehnung von Fußball geht und darum, dass ich keine Karriereleiter habe, bin ich doch drin. Wenn es darum geht, dass Fußball zu Frauenmorden führt – tja, bei aller Ablehnung von Hooligans, das ist Quatsch.
Immerhin erzählt man sich überall, dass wir uns nur zusammengetan haben, weil wir alle kleine Schwänze haben, keine Frauen abkriegen, in unserem Job nicht vorankommen und uns vor körperlichen Auseinandersetzungen fürchten.
„Überall“ ist falsch. Der Eindruck, den ich habe, ist der, dass sich da jemand als besonders guter Mensch Mann profilieren will. Und das geht am besten, indem man alle anderen Menschen Männer schlecht macht. Also, die Heteromänner jetzt. Männliche Homosexuelle schlecht machen ist ja böse.
Wenn Sie einmal damit angefangen haben, übergriffige Zuschreibungen und Geschlechterrollenzwangsjacken mit „Ich möchte lieber nicht“ abzulehnen, werden Sie feststellen, dass es gar nicht darauf ankommt, ob Sie Männlichkeitszwängen nicht nachgeben können oder wollen.
Seit Jahrzehnten bin ich in keinem solchen Männerrudel, wie er sie immer beschreibt. Keine biertrinkenden männlichen Fußballfans, keine Männerrunden, die über Kolleginnen herziehen, und die ganze Mord-an-Frauen-Schiene ist eigentlich eine infame Unterstellung. Wenn jetzt einer meint, dass ich ja gar nicht gemeint sei, und ich mich nicht aufregen sollte – jein. Ich bin insofern nicht gemeint, weil ich seinen Klischees und Vorurteilen nicht entsprechen. Ich gebe diesen „Männlichkeitszwängen“ nicht nach, entweder, weil ich so kein cooler Typ bin, oder, weil es sie nicht gibt. Der Punkt, warum ich doch gemeint bin, ist der, dass Pickert nicht differenziert. Männer, die Fußball gucken, und Männer, die Frauen umbringen, werden in einen Zusammenhang gebracht. Entweder, weil er wirklich einen kausalen Zusammenhang sieht, oder weil er will, dass seine Leserschaft den sieht. Und weil ich – trotz meiner vorbildlichen Ablehnung von Sport – trotzdem als Mann gelte, hänge ich da mit drin. Es sei denn, ich zeige ihm, dass ich einer von den „Guten“ bin, indem ich mich seiner Weltsicht anschließe. Genial.
Sondern darauf, was Sie für sich und Ihre Mitmenschen stattdessen möchten.
Was ich für mich will, tue ich. Was ich für meine Mitmenschen will, ist egal. Meinen Mitmenschen jedenfalls. Meine Mitmenschen sind nicht auf meine Wünsche angewiesen. Außerdem, wenn man Pickert liest, erfährt man regelmäßig folgendes: dieselben Männer, die absolute Macht über Frauen haben, haben keine Macht über sich selbst. Dass beide Extreme, weil sie halt Extreme sind, extrem unplausibel sind, fällt fast gar nicht auf. Allein deshalb sind mir Fußballfans sympathischer. Die tun nicht so, als wären sie besonders schlau…
Na schön: „Ich möchte lieber nicht“
in den Club der falschen Kerle. Aber grundsätzlich möchte ich mit Marx (Groucho, nicht Karl) nicht in einen Club, der Typen wie mich aufnehmen würde.
Nebenbei: Die Kommentare unter dem verlinkten Artikel scheinen auch mehr in Richtung Apokolynthose als in Richtung Pickert zu gehen. Ganz männlich für Pickert gesprochen: „Viel Feind, viel Ehr‘!“
LikeLike
Feminismus kann nicht dort bestehen, wo freie Rede möglich ist.
LikeLike
Siehe da, ist also dieser Blödsinn über “Österreichs Europarekord bei Frauenmorden“ auch einem Herrn Pickert nicht zu billig, um den weiterzukolportieren.
LikeGefällt 1 Person
Ja, weil typischerweise keine Frauen in die Katasptrophe geschickt werden.
On point.
LikeLike