Es geht hier eigentlich weniger um den Konflikt als solchen, sondern um die einseitige Berichterstattung in D., allerdings wird nicht erklärt, wie eine weniger voreingenommene Berichterstattung dem ganzen Vorgang irgendwie komplett drehen würde.
Technisch gesehen ist das keine Cancel Culture, weil hier niemand entlassen wurde, sondern Pr. Stock ihren Posten freiwillig verlassen hat. Allerdings ist es immer noch Mobbing, weil sie ihn ja mehr „freiwillig“ als aus inneren Antrieb verließ.
Die Professorin und der „Mob“
Die Gänsefüßchen sollen vllt. ein Zitat markieren, sind aber irreführend. Eine Gruppe von Menschen, die sich gegen ein Individuum verbünden, sind ein Mob und kein „Mob“.
Wenn Medien vor lauter Empörung nicht mehr den Konflikt erklären
Ja, wie beim Drachenlord. Sogar Sascha Lobo findet es mies, wie es mit Rainer Winkler umgegangen wird, und der war z.B. gegen Woody Allen ganz vorne mit dabei.
Die britische Philosophin Kathleen Stock ist nach jahrelangen harten Auseinandersetzungen mit transgender Aktivist:innen von ihrem Posten zurückgetreten.
Das Transmenschen sich lieber trans Menschen schreiben, habe ich mitbekommen, aber sollen das jetzt Aktivisten sein, die Transgender sind, oder auch Aktivisten, die sich für Transgender-Rechte einsetzen, ohne selbst transgender zu sein? Tolle neue Rechtschreibung!
Die Empörung ist groß: Ein „Mob“ habe „mit allen Mitteln“ der britischen Professorin Kathleen Stock „das Leben zur Hölle“ gemacht, so dass diese am Ende zurücktreten musste.
Ja, „mit allen Mitteln“ ist sehr übertrieben, man hat es bspw. unterlassen, Gräber von Stocks Familie zu schänden (wie bei Winkler), ihr Kindesmissbrauch vorzuwerfen (wie bei Allen), ihre judenfeindliche Äußerungen vorzuhalten (vermutlich hat sie gar keine gemacht) oder Galgen mit ihren Namen durch die Gegend getragen (wie bei Merkel). Es ist also noch viel Luft nach unten.
Das jedenfalls meint „taz“-Redakteur Jan Feddersen.
Und, wie wir alle wissen, sind Redakteure linker Zeitungen in Wahrheit rechte U-Boote, die überall „Cancel-Culture“ wittern. Was will man auch erwarten.
Der schrille Kommentar ist vom Montag vergangener Woche. Auf einen inhaltlichen Artikel zur Sache verzichtet die „taz“ mehrere Tage lang.
taz halt. Immer Meinung, nie Wissen. Kennt man ja.
Erst in der Wochenendausgabe liefert sie einen Essay von Peter Weissenburger nach. Der betont auch, dass Stock nicht hätte bedroht werden dürfen, kommt aber zum konträren Ergebnis: Die Kritik an Stock sei berechtigt.
Die Kritik an Winkler ist auch berechtigt. Also im Sinne von: „Die kritisierten Äußerungen oder Taten sind tatsächlich vorgekommen“ UND „Äußerung oder Tat ist falsch oder zumindest tadelbar.“ Aber Drohungen sind keine Kritik. Es ist für die Frage, ob Drohungen „berechtigt“ sind, eigentlich unerheblich, ob die Kritik berechtigt ist, wenn die angedrohte Sache nicht legitim ist.
Geht es also wirklich – wieder einmal – um Meinungsfreiheit versus „Woke-Mob“? … Oder geht es um einen politischen Kampf?
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Und gerne sollen Medien erklären, warum nicht nur eine Philosophin, die Geschlecht an der Anatomie festmacht, eine Bedrohung für die Transgender-Aktivisten ist, sondern auch, wie groß diese Bedrohung ist. Eine lesbische Professorin wohlgemerkt, keine Partei voller Wham-Politiker. Oder umgekehrt, was der passiert ist, dass drt Polizei ihr zu Überwachungskameras rät. (Kann ja sein, dass die einmal eine Klopapierrolle ans Fenster geworfen haben, und das war’s auch.)
Der „Gender Recognition Act“ ist in etwa das Pendant zum deutschen Transsexuellengesetz. Er sollte es trans Personen in Großbritannien erleichtern, ihre geschlechtliche Identität zu ändern – und zwar ohne medizinische oder psychologische Atteste, die als demütigend empfunden wurden.
Ja, und? Es gibt auch Philosophen, die Willensfreiheit für eine Illusion halten. Wie kann ein Mensch dann ein Recht auf Freiheit haben? Ernsthaft – es ist keine juristische Professur, um die es geht.
Gegen diese Reform, die ihrer Auffassung nach „biologische Frauen“ benachteiligt, verfasste die Philosphie-Professorin Kathleen Stock mehrere Streitschriften
Ja, „biologische Männer“ können ja dadurch nicht benachteiligt werden. Weil: „Patriarchat“! Aber natürlich haben sich Professoren ausschließlich in Unis aufzuhalten, nicht in der Öffentlichkeit. Was bildet die sich ein, wer sie ist?
Folgt man der zunächst dominierenden Empörung deutschsprachiger Medien, bekommt man ein recht einseitiges Bild zugunsten von Kathleen Stock präsentiert:
Und das kann ja nur „false balancing“ sein, also muss man die Gegenmeinung veröffentlichen. Denn wein zwei Meinungen false balancing sind, ist eine Meinung überhaupt kein balancing.
Bemerkenswert ist jedoch, dass kaum ein Beitrag den eigentlichen Konflikt auf den Punkt bringt.
Ok, der eigentliche Konflikt ist die Frage, ob man Geschlecht rein biologisch definieren sollte, oder rein als Verwaltungsakt. Irgendein Mittelweg führt bloß ins Cersei-Lennister-Zitat. Könnte es sein, dass BILD, Welt, Faz, taz und wer auch immer einfach in der Frage komplett oder überwiegend auf Stocks Seite ist? Ach, was.
So schreibt die Historikern Katja Hoyer einen langen Artikel, der mit dem Stock-Zitat „Wenn jemand über mich lügt, kannst du bitte laut sagen: Nein, das hat sie nicht gesagt“ überschrieben ist – ohne einmal klar zu sagen, was die „Lüge“ sein soll, die sie meint.
Und zwar? Jetzt bin ich neugierig.
Ein Gastbeitrag des Historikers Julien Reitzenstein, bietet eine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung, die zumindest anerkennt, dass auch Stocks Gegner:innen „viele bedenkenswerte Argumente vortragen“.
Oh, Drachenlord-Häider haben das auch. Jetzt würde ich einer Professorin der Philosophie mehr intellektuelle Dingsbums und so Zeugs zutrauen als „Ihr habt nicht alle Latten an der Waffel!“, aber die Symmetrie der Debatte wurde ja nicht von Frau Stock gebrochen.
Stock[s] … späteren Publikationen zum Thema geschlechtliche Identität erwuchsen – ebenso wie ihre Einladung zur juristischen Anhörung – aus ihrem politischen Interesse und ihrem politischen Kampf gegen die Reformierung des Gesetzes.
Ok, sie ist keine Biologin, Medizinerin, Psychologin oder sonstwie „vom Fach“, was Geschlechter betrifft. Ist jetzt kein Grund, keine politische Meinung zu haben, darüber zu schreiben, sich für sie zu engagieren und was man in einer Demokratie sonst so macht. Nebenbei frage ich mich, ob sie die einzige Person in GB ist, die gegen dieses Gesetz ist? Wenn ja, warum wird sie nicht einfach überstimmt? Wenn nicht, warum werden die anderen in Ruhe gelassen? Jedenfalls hört man immer nur von Terfs.
Sie suchte den politische Konflikt – und machte daraus in ihren Texten auch überhaupt keinen Hehl.
Wieso „Hehl“? Einen politischen Konflikt zu suchen, ist nichts verwerfliches. Hehlerei schon. Dessenungeachtet, JA, gegen Transfrauen zu sein, und zwar immer mit dem Argument, dass das Cisfrauen schaden würde, ist schon ein Feminismus-Ding. Wenn man keine bösen Absichten unterstellt, würde man ja einräumen, dass es Vorteile haben könnte, eine Frau zu sein. Eine Frau! Vorteile!!! (Wie zum Beispiel, unbürokratisch der allgemeinen Wehrpflicht zu entgehen.)
Transgender Personen blieben in Wahrheit (auf biologischer Grundlage) Mann oder Frau – auch, wenn sie zum anderen Geschlecht übertreten
Der Hormonspiegel ändert sich zum Beispiel nicht in Abhängigkeit von dem, was im Ausweis steht. Dieser Teil des Konfliktes ist es, der pro Stock spricht.
Diese biologistische Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht umstritten: Denn erstens gibt es auch in der Biologie mehr Facetten als nur die „normale“ XX/XY-Chromosomenverteilung.
Das stimmt, betrifft aber Intersexuelle, nicht Transsexuelle. Die Einführung eines dritten oder auch vierten, fünften, x-ten Geschlechtes macht erstmal keine Aussage, wie leicht man bürokratisch vom männlichen zum weiblichen oder umgekehrt wechseln darf.
Zweitens sind Geschlechter und ihre Rollen natürlich auch historisch und kulturell bedingt und geprägt.
DAS betrifft die Frage, was ich tun oder lassen muss, wenn ich zufällig ein Geschlecht habe. Ok, das wäre für die Darstellung der Geschichte sicher relevant, führt aber trotzdem evt. nicht dazu, dass man leserseits gegen Stock eingenommen wird.
Im „Tagesspiegel“ ist Tilmann Warnecke einer der wenigen, der sich intensiver mit den Argumenten von Stocks Gegner:innen auseinandersetzt. …
Das Hauptproblem sind nicht die Pseudotransfrauen in Frauenumkleiden, sondern Pseudotransfrauen auf Frauenquotenplätzen. Also für den Feminismus jetzt.
Doch es geht eben keineswegs primär um akademische Auseinandersetzungen: Stock ist auch Aktivistin und Treuhänderin der „LGB Alliance“, die sich in Großbritannien 2019 vom größten britischen Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, trans- und intergeschlechtlichen Verband „Stonewall“ abgespalten hat – weil er ihnen zu transfreundlich ist.
Angenommen, ihre Uni hätte sie tatsächlich entlassen. Wegen ihrer außer-akademischen, politischen Tätigkeiten. Würden „wir“ eine Diskussion darüber führen, ob das Cancel-Culture wäre oder darüber, ob man Mitarbeitern ihre politischen Tätigkeiten zum Vorwurf und Kündigungsgrund machen sollte? Wohlgemerkt, es ist sicher relevant, dass sie nicht nur in der Vorlesung, sondern auch sonst ihre Meinung vertritt, wenn man die ganze Geschichte hären will, aber für ihre moralische Bewertung ist das eigentlich egal.
Daher fehlt bei der Alternativ-Organisation das T für Transgender.
Achwas.
Beschäftigt man sich intensiver mit den Positionen der Kritiker:innen, so stellt man fest: Auch Stock teilt aus. Sie twittert nicht nur aggressiv zum Thema, sie macht sich auch über geschlechtsneutrale Pronomina lustig – oder beschimpft ihre Gegner:innen heftig.
Der Drachenlord der englischen LGBTQ-Szene also. Drachenlord als Metapher gelesen, nicht als Geschlecht. Etwas mehr Butter als zwei Tweets würden diesen Fischen auch ganz gut tun, aber das wäre ja trotzdem interessant. Könnte man sich eigentlich direkt bei der Uni beschweren, wenn man von einem Prof gemobbt wird?
Es sei keinesfalls eine „Lüge“, Stocks Position als „transfeindlich“ zu beschreiben, denn sie vertrete entgegen ihrer Behauptung sehr wohl Positionen, die eine legale Anerkennung vieler transgender Personen verhinderten und diese erheblichen Gefahren aussetzten.
Wieso eine Position etwas Juristisches verhindern kann, verstehe ich: die Anhänger dieser Postion verhindern ein entsprechendes Gesetz. Welche konkreten Gefahren davon ausgehen sollen, müsste man mir mal erklären.
Kathleen Stocks Argumente muten in Teilen in der Tat diffamierend an: So warnt sie immer wieder davor, dass trans Frauen, die in Wirklichkeit Männer seien, auf Toiletten…
Wenn das das Problem wäre, wäre es ein Argument gegen allzu unbürokratische Mann-Frau-Transitionen, nicht umgekehrt. Aber natürlich könnten Männer sich auch so relativ unbürokratisch Zugang zu Frauentoiletten verschaffen: sie machen die verdammte Tür auf!
Doch werden männliche Sexualstraftäter wirklich in größerer Anzahl ihren Willen zur Geschlechtsumwandlung bekunden, um dann in einem Frauengefängnis weitere Straftaten zu begehen?
Frauenquotenplätze und Frauensport wären viel attraktiver als Gefängnisse. Oder jedenfalls ein bisschen. Aber ich wiederhole mich.
Stocks weitere Befürchtung, junge lesbische Frauen würden reihenweise genötigt, Männer statt Lesben zu werden, erinnert fatal an ähnlich gelagerte, teils überwundene Warnungen vor der Entkriminalisierung von männlicher Homosexualität:
Ich glaube, im Iran ist das so. Also „genötigt“ im Sinne von „nicht aufgehangen“. Nur ist das im Iran mWn eine geschlechtsangleichende OP, kein symbolischer Passeintrag. Was der Iran macht oder nicht ist eigentlich kein Argument, ehrlich gesagt, und insofern ist diese Sorge sehr übertrieben.
Damit würden ganze Generationen von jungen Männern dazu „verführt“, ebenfalls schwul zu werden.
Unpopuläre Meinung – manche Männer und Frauen sind nicht so auf ein Geschlecht fixiert, dass sie nicht mit dem jeweils weniger präferierten nicht glücklich werden würden.
Angesichts der sehr geringen Zahl von trans Personen erscheint es doch relativ weit hergeholt, dass sich Heerscharen junger Frauen den physischen und psychischen Strapazen einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, um als heterosexuelle Männer statt als Lesben zu leben.
Die physischen und psychischen Strapazen können ja komplett entfallen, wenn ein einfacher Eintrag im Meldeamt und Pass das Geschlecht ändert. Nur muss die Lesbe hinterher die Männertoilette benutzen…
Allerdings gingen die trans Aktivist:innen ihrerseits auch heftig vor. Sie verteilten Flugblätter, klebten den Campus mit Plakaten gegen Stock zu, organisierten Demonstrationen, auf denen sie teilweise vermummt auftraten, und entzündeten Pyrotechnik.
Also nicht mit „allen Mitteln“? Da bin ich ja beruhigt. Ist Stock jetzt wirklich die größte Gefahr für T-Communitiy?
Zudem war Stock vor allem in sozialen Medien wie Twitter extremen Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt.
Normalerweise bekommen Lesben die doch von Homophobikern, oder? Und diese „freundlichen“ „Angebote“, da sie offenbar niemals „richtigen“ Sex mit „richtigen Männern“ gehabt hat, ihnen diesen zu „besorgen“? Da sind Transpersonen zum Glück ganz anders.
Die trans Aktivist:innen bestreiten, jemals Gewalt ausgeübt zu haben, und beharren auf ihrem Recht auf friedlichen Protest, auch in Form spektakulärer Plakat- oder Pyrotechnik-Aktionen.
Ich habe mal am Rande mitbekommen, wie eine Firma per Aushang sich sehr gegen eine Aktion ausgesprochen hat, bei der einem Mitarbeiter ein schwarzes Kreuz aus Klebestreifen auf den Spind geklebt wurde. Zwei kleine, unspektakuläre Klebestreifen. Mobbing richtet sich nicht gegen politische Parteien oder Gesetze, und politischer Protest nicht gegen Personen.
Im Interview mit der britischen Tageszeitung „i“ beklagen einige von ihnen, dass ihre Position weder von der Uni-Leitung noch von den Medien in ausreichendem Maße gehört worden sei.
Ok, dann protestiert doch einfach gegen die Uni oder die Medien. Die können mehr ab.
es gab keinerlei Druck des Arbeitgebers oder eine institutionelle Einflussnahme auf ihre Forschung und Lehre.
Na, wenigstens etwas.
Die erbitterte Härte der Auseinandersetzung rührt unter anderem daher, dass trans Personen zu den meistdiskriminierten Gruppen mit einer immensen Gewalterfahrung gehören.
Das ist wohl wirklich so, ist jetzt aber auch nicht unbedingt die Schuld von Frau Stock. Ich weiß was! Protestiert gegen Gewalt gegen Transmenschen! So mit Pyrotechnik und Plakaten und was ihr sonst noch habt. Gern geschehen.
Das Problem existiert weltweit: Kaum jemand ist im Alltag so gefährdet wie Menschen, die erkennbar transgender sind:
Fun-Fact: in Pakistan ist es möglich, ein drittes Geschlecht zu bekommen. Aber dann demonstriert doch bitte gegen den Iran.
Wenn man sich tief in das Thema einliest, stellt man am Ende also fest: Es geht nicht um „Meinungsfreiheit“ versus „Woke-Mob“, sondern vor allem um den Kampf um die juristische Anerkennung einer sehr kleinen, extrem marginalisierten und massiv von Gewalt bedrohten Minderheit.
Wieso richtet sich dieser Kampf, meinetwegen auch gewaltloser Kampf, dann gegen eine Person und nicht gegen die Justiz oder Legislative? Eine kleine und marginalisierte Minderheit ist immer noch größer als eine Person. Und es geht ja nicht um die juristische Anerkennung als solche, sondern darum, ob man dafür eine geschlechtsangleichende OP braucht. (Ich denke mal nicht, dass ausgerechnet eine Lesbe damit argumentiert, dass eine Person mit der Anatomie einer Frau eine andere Vergewaltigen würde. (Auch wenn auch das passieren kann.) Sie bezieht sich offensichtlich auf Personen mit männlicher Anatomie, die in Frauen-Save-Spaces eindringen wollten.)
Dass sich einige Aktivist:innen in den Auseinandersetzungen darüber in Ton und Form vergreifen, ist unbestreitbar und wird zu Recht kritisiert.
Ach, jetzt doch?
Umgekehrt lässt sich der Hass gegen trans Personen im Netz und auf der Straße aber nicht so systematisch von der Debatte abtrennen und ignorieren, wie Stocks Verteidiger:innen es suggerieren.
Ja, inwiefern ist das jetzt ein Argument gegen Stock persönlich? Ist sie mal gewalttätig geworden? Der ganze Kampf gegen Marginalisierung und mehr eigene Freiheit ist ja eine edle Sache, aber soll Mobbing jetzt ein legitimes Mittel der politischen Meinungsbildung werden? Denn das ist Mobbing.
Warum also unterscheiden sich sich das liberal-konservative Springer-Flagschiff „Welt“ und die linke „taz“ in ihrer inhaltlichen Wertung (zunächst) so wenig voneinander?
Na, bestimmt nicht, weil sie einer Meinung sind und was gegen Mobbing haben. Menschen sind meistens pro Mobbing. Das erkennt man an den Zahlenverhältnissen: es sind immer mehr Mobber als Mobbingopfer.
Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub liefert dafür in der Schweizer Wochenzeitung WOZ eine ebenso pointierte wie entlarvende Erklärung: Das deutsche Feuilleton habe eine sensationalistische Lust an der sogenannten „Cancel Culture“ entwickelt:
Gut, das Schweizer was besseres sind, nicht? Wenn jemand was sagt oder tut, dem man nicht zustimmt, MUSS das ja was schlechtes sein. Und ja, dass Cancel Culture etwas Linkes wäre, über das sich nur Rechte aufregen, ist natürlich dummes Zeug.
Klar ist aber, dass ein Aufschrei über „Cancel Culture“ Journalist:innen nicht von ihrer Pflicht zur umfassenden Wiedergabe von Sachverhalten entbindet – und dem Anhören beider Seiten einer Geschichte.
Lindner würde sagen, es ist besser, gar nicht zu balancen als falsch zu balancen. Ok, die eine Seite sagt, dass das Geschlecht eines Menschen sich aus ioser Anatomie ergibt, die andere, dass Operationen, die die Anatomie angleichen, eine unzumutbare Härte darstellen, sondern das Geschlecht per Verwaltungsakt festgelegt werden soll.
Insbesondere Universitäten waren schon immer ein Ort heftiger politischer und anderer Auseinandersetzungen:
Deshalb ist es ja besonders schön, wenn eine politische Aktivistin von dort verschwindet.
Und auch an Kathleen Stocks Uni in Brighton gehört studentischer Protest (auch gegen unliebsame Professor:innen) seit eh und je zum Campus.
Dann ist es ja gut.
Dass sie diesen nun verlassen hat, weil sie die Situation als untragbar empfand, ist bedauerlich.
Nein, wieso? Das ist doch genau das Ziel der Aktion gewesen. Bzw., wenn nicht, was war denn dann das Ziel? Natürlich wollen Mobber, dass ihr Opfer „die Fresse hält“ oder am besten ganz verschwindet. Und natürlich haben die kein Feuerwerk abgefackelt, um Stock zu feiern. Aber klar, Stock hat die Situation nur als untragbar „empfunden“, in Wahrheit war die tragbar, und Stock ist daher selber schuld, wenn sie wegrennt. Bedauerlich. Ständig erzählen Leute mir, wie wichtig Wording ist. Sprache verändert das Denken und so. Hier sollen wir denken, dass Stock einfach zu feige war, zu ihrer Meinung zu stehen.
Allein einem übermächtigen „Woke Mob“ geschuldet ist der gesamte Vorgang aber keinesfalls.
Er was einfach nur ein Mob.
„…auch in Form spektakulärer Plakat- oder Pyrotechnik-Aktionen.“
Da fällt mir doch ein schönes Datum für eine „spektakuläre Pyrotechnik-Aktion“ ein: Der 11. September 2001. Zugegeben: Die Drahtzieher dieser Aktion hätten sich selbst dann nicht als „woke“ bezeichnet (oder „gelesen“), wenn es den Begriff damals schon gegeben haben sollte.
Aber wenn natürlich „nur“ eine ganz böse, böse Professorin dabei zu Schaden kommen könnte, und das – upps! – auch nur „versehentlich“, kann es doch wirklich nicht so schlimm sein, stimmts? Immerhin hat man sie doch zuvor gewarnt, äh, bedroht?
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Wir leben doch in einem Patriarchat. Wo sind die maskulinistischen Horden, die die ganzen männerfeindlichen Ekelpakete von ihren Lehrstühlen verjagen?
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Hat dies auf Schlitz und Ständer rebloggt und kommentierte:
Sehr schön seziert
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