Ich war im neusten James Bond: „Keine Zeit zu sterben“.
Er ist nicht so „woke“, wie das teilweise kolportiert oder spekuliert wurde. Also sollte das entweder gar nicht woke sein, oder man hat eine Möglichkeit gefunden, woke Geschichten zu schreiben, die nicht einfach doof sind.
Ja, es gibt eine schwarze Frau als 007.
Das hat eine ziemlich stimmige Erklärung, die sich aus dem Hintergrund erklärt, den die Reihe bis dato geschildert hat: ähnlich wie ein Papst ist es bei einem 00-Agenten nicht vorgesehen, dass der einfach in den Ruhestand geht, sondern irgendwann stirbt der und die Nummer wird neu vergeben. Also bei den Agenten, die Päpste kriegen eine neue Nummer. (Es gab mal die Idee, dass sowohl die Nummer als auch der Name immer wieder recycelt werden, dass also „James Bond“ einfach eine Tarnidentität ist, die von verschiedenen Männern ausgefüllt wird, die aussehen wie Sean Connery oder Roger Moore, aber das wurde nie verwirklicht – James Bond heißt bürgerlich so).
Jedenfalls ist Bond zu Beginn der Hauptgeschichte derartig gut untergetaucht, dass der MI6 ihn für tot hält und die Nummer neu vergeben hat. An eine Schwarze namens Nomi.
Wobei die wohl nicht richtig gesucht haben, denn kurz nach Beginn der Hauptgeschichte wird Bond in seinem Ruhestand von gleich zwei Geheimdiensten gefunden, einschließlich dem MI6, allerdings kann es sein, dass 00-Agenten immer untertauchen, wenn sie in den Ruhestand gehen wollen, und ihr Arbeitgeber das akzeptiert, wenn sie sich ernsthaft Mühe damit geben.
Jedenfalls, die neue und der alte 007 haben beide ein relativ dickes Ego – aka starkes Selbstvertrauen – wie man es von Leuten, die hauptberuflich im Alleingang die Anlagen, Einrichtungen und Hauptquartiere von Oberschurken infiltrieren, um sie auszuspionieren, zu sabotieren, zu zerstören und die Oberschurken im Zuge dessen zu eliminieren. Insofern völlig im Einklang mit dem Rest der Serie zicken sie einander an. Die neue 007 ist allerdings weder besonders feministisch noch besonders antirassistisch, allerdings geht es um eine Waffe, die tatsächlich rassistisch verwendet werden kann. Ist also eine ziemlich üble Bedrohung, aber von SF-Aspekt interessanter als „007 jagt Edward Snowden“, weil eine Datei mit Geheimagenten wiederbeschafft werden muss.
Es ist übrigens auch nicht so, dass eine weibliche Geheimagentin in der Bond-Reihe so eine absurd neue Idee wäre. Und insbesondere ist es in den Filmen generell nicht so, dass Bond, also die Hauptperson, irgendwie Agentinnen – gegnerische oder verbündete – mit Geringschätzung behandelt und ihnen nichts zutraut. Sein dickes Selbstvertrauen ist ziemlich berechtigt, er muss andere also nicht schlechtreden, um sich besser zu fühlen, außerdem ist es beim Infiltrieren, Sabotieren und Eliminieren niemals gut, andere zu unterschätzen. So gesehen ist Bond schon immer woke – er hat keine Vorurteile gegenüber weiblichen Kollegen oder Konkurrenten.
Es ist ebenfalls nicht so, dass „die Neue“ als zweite Hauptperson geführt wird. In den letzten Filmen wurde mehr Teamarbeit als sonst gezeigt, und dieser ist jetzt wirklich ziemlich teamlastig für einen Bond-Titel – eher wie bei Mission Impossible – und beide 007s sind hier im Endkampf „nur“ die Außendienstler in einer recht großen Aktion. Soll heißen, ich habe nicht den Eindruck, dass eine völlig neue 007-Reihe mit ihr etabliert werden soll. Vor allem – wie heißt Nomi eigentlich mit Familiennamen? (Keine Zeit für Spoiler.)
Der andere Vorwurf, den ich verschiedentlich gelesen habe, ist der, dass Bond hier zu „weich“ sei. Nein. Er ist kein bisschen „weicher“ oder „verletzlicher“ als sonst auch, das Problem, was wohl gemeint ist, ist, dass er angreifbarer ist als sonst. Ein Nachteil gegenüber den Päpsten. Andererseits, wenn Bond im Zölibat leben würde, würden auch alle schreien: „Das ist nicht mehr der wahre Bond!“
Zuletzt ist der Film eine einzige Corona-Anspielung. Leute können sterben, weil sie ihren Lieben zu nahe kommen, so das Quarantäne die bessere Wahl ist. Das ist viel relatabeler, oder wie das heißt.
Donnerstag war übrigens sein 101.!
Geschlechtliche Aneignung.
Gibt es eigentlich ein weibliches Kultwerk, das sich dann Männer aneigneten?
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