Brief von GEO

Frage, und Dir wird geantwortet werden.

Hierauf.

Lieber Herr Mycroft,

Name von mir geändert. Ich denke, dass diesen Brief viele bekommen haben, und ich zitiere ihn ungekürzt, weil ich ihn nicht verlinken kann. Ich möchte aber trotzdem erwähnen, dass ich das besser finde als gar keine Antwort. (Außerdem gibt es bestimmt zu viele Zuschriften.)

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Es tut uns leid, dass Sie sich über die gendersensiblen Formulierungen in GEO geärgert haben, aber wir sind nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema zum Schluss gelangt, dass das generische Maskulinum heutzutage nicht mehr alle Menschen einschließt.

Entweder, es ist generisch, dann schließt es alle ein, oder, es ist nicht generisch. Wenn man Missverständnisse vermeiden wollte, wäre aber eine willkürliche und neue Schreibweise nicht das Mittel der Wahl, sondern eine Formulierung wie „Mitarbeiterinnen und -arbeiter“.

Als Wissenschaftsmagazin scheint uns dieser Schritt nur logisch: In der Welt der Universitäten und der Forschung ist gendersensible Sprache längst Standard. Zukünftig gilt das auch für GEO. Diesen Beschluss werden wir sorgfältig, mit Augenmaß und ohne Verbissenheit anwenden, damit das Lesevergnügen darunter nicht leidet.

Ja, und viel mehr Fachbegriffe und -sprache. So Formulierungen wie „akuter Wurm“ oder „Erfüllungsgehilfen“ kommen trotzdem nicht in Magazinen vor, die sich auch oder vor allem an ein Nicht-Fachpublikum richten. Nebenbei ist „gendersensibel“ auch ein Euphemismus – wenn wir schon bei wichtig klingenden Fremdwörtern sind – weil GEO ja nicht sensibel ist.

Offen gesagt: Das ist auch für uns ein Prozess. In den jüngsten Ausgaben haben wir tatsächlich noch nicht an allen Stellen das nötige Maß an Pragmatismus walten lassen und unseren Beschluss teilweise zu mechanisch umgesetzt.

Einem wirklich sensibelen Lebewesen wäre das nicht passiert. Aber Geo ist ja auch keine Lebewesen, sondern eine Zeitschrift. Aber rd. 90% aller Gender* hätte man einfach weglassen können und für den Rest gibt es die Beidnennung.

Da sind wir selbst nicht immer zufrieden. Wir ringen da noch um einen Weg, den am Ende auch Kritiker wie Sie akzeptabel finden können. Und dabei sind wir sicher noch nicht am Ziel. Es würde uns freuen, wenn Sie uns auf diesem Weg noch eine Weile, gern auch kritisch, begleiten mögen.

Wir „ringen“. Freistil oder griechisch-römisch? Wie, das ist nicht gemeint? Wörter haben Bedeutung. Wenn mit „ringen“ nicht der Kampfsport gemeint sein sollte, kämpfen die da wirklich in der Geo-Redaktion miteinander, oder ist das so eine Metapher? Wenn es eine Metapher sein sollte, also eine Formulierung, in der die wörtliche Bedeutung nicht dieselbe ist wie die gemeinte – warum sollte das mit dem generischen Maskulinum nicht funktionieren? Was nutzt meine Kritik, wenn man sie nicht umsetzt?

Wir wissen, dass die Auseinandersetzung um gendersensible Sprache mit sehr viel Leidenschaft geführt wird.

Journalisten, die Ahnung von anderen Menschen haben. Was für sensible Menschen!

Wir sehen das Thema eher gelassen:

Eben waren sie noch am „ringen“. Weder im konkreten, wörtlichen, noch im abstrakten, übertragenen Sinen ist „ringen“ irgendwie mit „Gelassenheit“ verknüpft. Hier werden also gegenteilige Botschaften vermittelt.

Eine lebendige Sprache wandelt sich, und wir bleiben auf Höhe der Zeit.

Die Sprache wandelt sich konkreten Fall nicht selbst, sondern wird gezielt verändert. Außerdem der sogenannte „naturalistischer Fehlschluss“: nur, weil etwas in der Realität passiert, ist es nicht notwendigerweise gut.

Wir wollen niemanden missionieren, sondern treffen hier einfach nur eine Entscheidung für unseren eigenen Sprachgebrauch.

Die Idee hinter dem Gendern ist, dass Sprache das Denken beeinflusst, und man mit Gendern Menschen zu besseren Menschen macht. Wenn die Geo-Redaktion das auch so sieht, ist das Missionieren. Wenn nicht, hat sie es nicht richtig verstanden.

Sprache ist für uns das Werkzeug, mit dessen Hilfe wir erklären und beschreiben, was Faszinierendes in unserer Welt geschieht

Gendern erklärt nichts, was man nicht auch von alleine verstünde. Bzw., wenn es auf die Feststellung ankäme, dass bspw. im feudalen Japan auch Frauen in den Krieg zogen, kann man das ja auch einfach erwähnen. (Nein, die haben nicht Samurai gegendert. So schlimm war es dann doch nicht.)

– mit Neugier und Offenheit, in spannenden Reportagen, tiefgründigen Recherchen und packenden Geschichten. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns dafür auch weiterhin die Treue hielten.

Esst unseren Käsekuchen! Jetzt auch mit den Rosinen, die Ihr hasst! Was mich tröstet, ist, dass die Reportagen, die ich am besten finde, von Tieren handeln oder Astrophysik oder andere Themen, bei denen es nicht um Menschen und deren Befindlichkeiten geht. Dass Ding heißt „Geo“ und nicht „Anthropo“.

Freundliche Grüße

Jens Schröder & Markus Wolff

Chefredakteure GEO & P.M

P.M-Leserbriefe kriegen offenbar dieselbe Antwort. Hach, diese Wertschätzung.

Ein Gedanke zu “Brief von GEO

  1. Schade, Geo hat mir gefallen. War mal ein tolles Magazin. Allerdings, wenn die die Sprache vermanschen, wird man dort wohl auch ansonsten eine feministische Agenda fahren, und damit ist es nicht mehr genießbar und auch nicht vertrauenswürdig.

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