Dirk Moses vs. Känzel Kultur

Es ist vllt. nicht Moses selbst, der dieses wunderbare Titelbild verbrochen hat, aber Schwarzes Symbol im weißen Rund auf rotem Grund kennt man eigentlich aus einem anderen Kontext. Hier ist es aber nur ein Halbkreis über einem schwarz-weißen Holocaustdenkmal, über dem, natürlich etwas versetzt, damit sie nicht in der Mitte liegt, die Flagge Israels weht. Nur eben in Schwarz-Weiß statt Blau-Weiß, weil die Druckerei nur schwarz-weiß-rot kann. Findet Ihr Nazis immer noch stylisch?

In der Langversion siht das viel netter aus. Na, seht Ihr?

Wir haben keinen neuen Historikerstreit, sondern einen neuen Autoritarismus

oder

Wir haben keinen neuen Historikerstreit, sondern einen neuen Illiberalismus

„Wir“ schon mal gar nicht. Und „Illiberalismus“ ist nicht dasselbe wie „Autoritarismus“, aber für die weitere Argumentation stelle ich fest, dass wir beides nicht haben.

Viele seiner Kritiker, argumentiert unser Autor, missachten die Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Eine Streitschrift für eine liberalere Erinnerungskultur.

Es geht keine Nummer kleiner, woll? Niemand, und ich meine das ohne statistische Unschärfe, sondern buchstäblich NIEMAND hält Moses davon ab, sich an den Völkermord an den Herero und Nama zu erinnern. Weiterhin ist BDS nicht die Gruppe, die den Völkermord an den Herero und/oder Nama besonders thematisiert. Drittens, wenn es darum ginge, Herero und Nama stärker zu thematisieren, müsste man rein gar nicht auf Israel abstellen.

Ein Essay des Genozidforschers Dirk Moses, der im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, erregte international Aufsehen: … Im zweiten Teil unserer Reihe antwortet Moses selbst seinen Kritikern.

Kritiker bin ich auch, ja. Moses stellt zu seiner Bestürzung fest, dass man in D. einfach nichts mehr sagen kann.

Seit circa zehn Jahren beobachten viele von uns, die zu deutscher Geschichte arbeiten, die politische Situation in Deutschland mit wachsender Sorge.

„Mit brennender Sorge“ und so. Wenn man schon vor Cancel Culture warnt, dann doch bitte, indem man einen offiziellen Oberpriester zitiert.

Nicht nur mit Blick auf das Erstarken der extremen Rechten

Das muss man natürlich vorweg schicken. Nicht, dass man mit dem völkischen Titelbild in einer Ecke landet, in der man nicht landen will.

 sondern auch hinsichtlich der Einmischung staatlicher Behörden, etwa im Kontext der Aufkündigung von Preisen, der Ausladung internationaler sowie der Zerstörung der Karrieren in Deutschland ansässiger Wissenschaftler:innen und Künstler:innen

Die Cancel-Culture, dä Känzelkultschurrr! Meint der jetzt Lisa Eckhart?

sofern sie mit der BDS-Bewegung in Verbindung gebracht werden.

Das war bei Frau Eckhart gar nicht das Problem. Wenn er sich auf Achill Mbembe bezieht, der unterstützt BDS in wort und Tat.

Der BDS-Beschluss des Bundestags … dient staatlichen Behörden … immer öfter als Richtschnur zur Regulierung. Angesichts des Ausmaßes staatlicher Förderung von Wissenschaft und Kultur in Deutschland ist die Meinungsfreiheit daher zunehmend gefährdet.

Ok, gaaaanz allgemein ist das natürlich ein Problem. Wenn Wissenschaft und Kultur finanziell zu sehr von staatlichen Geldern abhängen, sind sie irgendwann nicht mehr unabhängig. Einfachste Lösung wäre, einfach weniger staatlich Gelder in Wissenschaft und Kunst stecken. Was?

Egal ob jüdisch oder israelisch, arabisch oder muslimisch: Personen oder auch Gruppen werden in regelmäßigen Abständen staatliche Unterstützung und öffentliche Stellen entzogen, wenn Sie im Verdacht stehen, in „Kontaktschuld“ mit BDS zu stehen.

Ich glaube, er weiß nicht, was „regelmäßig“ heißt. Oder soll das heißen: Jedes Quartal oder jeder dritte Donnerstag im Monat wird einer jüdische, israelische, arabische oder muslimische Person oder Gruppe oder Achill Mbembe oder den Young Fathers staatliche Unterstützung entzogen. Welche das jeweils ist, entscheidet das Los. Wieso Moses das  Ganze auf nicht-christliche und nicht-europäische Gruppen und Personen beschränkt wissen will, außer, um das als Rassismus zu Främen, entzieht sich meiner Kenntnis. Gibt’s etwa keine deutschen Christen oder meinetwegen auch deutsche Atheisten, die BDS unterstützen und dementsprechend der „Kontaktschuld“ zum Opfer fallen? Oder kriegen sie eine Vorzugsbehandlung, was ja schon unfair wäre?

Das harte Durchgreifen ist auch deshalb überraschend, weil BDS in Deutschland eine vergleichsweise geringe Bedeutung zukommt.

Achwas. Schon mal was von „Wehret den Anfängen!“ gehört? Nein? Ok, wehret den Anfängen heißt, etwas zu einem Zeitpunkt zu bekämpfen, an dem das noch relativ einfach geht. Das „harte“ Durchgreifen ist also nicht überraschend, sondern tatsächlich diesmal logisch.

Die derzeitige Debatte verläuft letztlich zwischen denjenigen, die den BDS-Beschluss ablehnen – auch wenn sie BDS nicht unterstützen –, und denen, die sie dafür des Antisemitismus verdächtigen.

Die, die BDS unterstützen, lehnen den BDS-Beschluss auch ab. Fürs Argument: natürlich wird es Leute geben, den den BDS-Beschluss UND BDS selbst ablehnen. Das Hauptargument dafür ist, dass der Staat zu sehr ins künstlerische Leben eingreift. Da aber die staatlichen Eingriffe (Achille Mbembe) erstens recht überschaubar sind, zweitens jemanden betreffen, der mehr als nur per Kontaktschuld BDS unterstützt, und drittens jemand, der BDS ablehnt, sich gegen ein Titelbild mit „Juden sind die neuen Nazis“-Design verwahren würde, KEKS. Ansonsten fände ich es sicher lesenswert, wie jemand, der BDS und BDS-Beschluss ablehnt, einen solchen Artikel schreiben würde.

Man denke an die jüngste, hässliche Kampagne der Welt am Sonntag gegen den neuen Direktor des Hauses der Kulturen der Welt, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung:

Hab ich gegoogelt. Hier ist ein nicht allzu euphorischer, aber auch nicht hässlicher Artikel. Hier auch. Hier steht wohl was hinter der Bezahlschranke. Zählt das als Kampagne?

ein Versuch, ihn zu disqualifizieren, nicht weil er BDS unterstützt – das tut er nicht –, sondern allein, weil er dessen Vertreterinnen und Vertreter (und deren Arbeit) nicht pauschal diskreditiert.

Ähh, möglicherweise bin ich zu blöd, aber soll das wissenschaftliches Arbeiten sein? These war, dass Staatsorgane den BDS-Beschluss nutzen, um Wissenschaft und Kunst dahingehend zu beeinflussen, dass BDS-Anhänger keine Karriere mehr machen. Klassische Cancel Culture by Vater Staat. Bei Ndikung und der Welt stelle ich aber fest, dass das kein Beleg ist, weil a.) keine staatliche Stelle auch nur versucht hat, ihn aus Amt und würden zu trennen, und b.) er auch in Amt und Würden bleibt. Eine Zeitung ist keine staatliche Stelle.

Selbst treue Zionist:innen geraten dabei in die Schusslinie: So twitterte etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Entscheidung von Ben and Jerry’s, ihre Eiscreme nicht mehr im Westjordanland zu verkaufen – eine Entscheidung im Einklang mit der liberal-zionistischen, manche würden sagen überholten Zwei-Staaten-Politik – schüre „Hass und Antisemitismus“.

Ben&Jerry’s, die troisten der Troien! Zionist:innen! (Wobei, wieso „:innen“? Ist Ben jetzt eine Frau oder Jerry?) Aber die bei der Amadeu-Antonio-Stiftung sind weder Zionistinnen noch Zionisten, sondern sehen sich als (u.a.) Anti-Anstisemiten, insofern kann der vermeintliche oder tatsächliche Zionismus einer Eismarke in dieser Frage egal sein.

Im gleichen Geist skurriler Denunziation bezeichnete der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume progressive Jüdinnen und Juden als „vorgebliche“ Juden.

Der sieht das anders, siehe hier.

 Diese bedrückende Atmosphäre erinnert an den Radikalenerlass, der in den 70er-Jahren Berufsverbote für Linke nach sich zog

Achill Mbembe lebt und arbeitet nicht in D., insofern kann man ihm keinen Beruf verbieten. Aber ja, mich erinnert das an Verschwörungstheorien.

ironischerweise oft dieselben Leute, die heute gegen fortschrittliche, oft nicht-weiße Stimmen vorgehen

„Nie wieder!“ heißt „Nie wieder!“ Nicht „Nie wieder Völkermord an Juden!“, „Nie wieder Völkermord durch Deutsche!“ oder „Nie wieder industrieller Völkermord durch Gaskammern!“ sondern „GAR NICHT!“

Derzeit wirkt es, als wäre es die Aufgabe Außenstehender, wie der Philosoph:innen Susan Neiman und Omri Boehm, den deutschen Eliten zu erklären, dass ihr Anti-Antisemitismus aus den Fugen geraten ist.

Mit Verlaub, die bei der Welt sind sicher kompetente Journalisten und so, aber „Elite“? Und fürs Argument, man kann ja die Entscheidungen, die tatsächlich auf dem BDS-Beschluss beruhen, und nicht auf einer Zeitung, einer NGO oder sonstigen Nicht-staatlichen Personen und Gruppen, auf Verhältnismäßigkeit überprüfen, aber das wird hier ja nicht gemacht.

In einer Zoom-Diskussion, die der taz-Journalist Jan Feddersen im Juni veranstaltete, erklärte der emeritierte Historiker der Universität Tel Aviv Jose Brunner, BDS sei „ein legitimes Instrument der Palästinenser, sich gegen eine Besatzung zu wehren, die über ein halbes Jahrhundert dauert [und] die auf Apartheid-Bedingungen in der Westbank“ zurückzuführen sei.

Bei mir heißt das Westjordanland. Aber gut, die Palästinenser dort können nicht wählen, weil die jüdische Weltverschw die Fatah und Hamas sich nicht einigen. Die original Apartheid in Südafrika verhinderte, dass Schwarze wählen gingen, indem sie es einfach verboten hat. Um mal ein Beispiel zu nennen. Jetzt kann man natürlich sagen, dass die Probleme der Palästinenser nicht nur auf die eigene Regierung zurückzuführen ist, aber mit Apardheit und ähnlichen Begriffen sollte man doch nicht um sich werfen.

Weil ich beobachte, wie derartige Entwicklungen die Karrieren deutscher Kolleg:innen ruinieren

Z.B.?

habe ich im Mai den Artikel „Der Katechismus der Deutschen“ geschrieben.

Ja, mit brennender Sorge, schon klar. Und Hohepriestern, woll?

Damit wollte ich die Aufmerksamkeit auf den politisch-religiösen Charakter lenken, mit dem der deutsche Staat und Teile der deutschen Öffentlichkeit versuchen, eine spezifische Orthodoxie der Holocaust-Erinnerung – und damit verknüpft, der Nahostpolitik – durchzusetzen.

SO ein netter junger Mann, und sooo selbstlos. Wie er immer an die Nama und Herero denkt.

Das bedeutet nicht, dass es in Deutschland keinen erinnerungspolitischen Pluralismus gäbe. Sondern, dass einige Erinnerungs-„Priester“ versuchen, jenem Pluralismus ein Ende zu setzen, indem sie all jene verketzern, die gegen ihre Orthodoxien verstoßen.

Es ist aber schon ein Unterschied zu sagen, dass Herero und Nama auch einem Genozid zum Opfer gefallen sind, oder zu sagen, dass die Juden die neuen Nazis sind. Und Leute, die gegen letzteres sind, sind nicht notwendigerweise gegen ersteres. Und die Gesamtmetaphorik hat mehr mit Religion zu tun, als die eigentliche Sache selbst.

Das Kernargument meines Texts lautete: Nicht-jüdische deutsche Eliten versuchen, die deutsche Erinnerungskultur für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Ach, die NICHT-jüdischen deutschen Eliten also? Ich dachte, die Doch-jüdischen. Wegen Titelbild und „Hohepriester“ und so. So kann man sich irren. Welche Zwecke wären das?

Die Hohepriester des Katechismus stehen für einen neuen Nationalismus. Dieser fußt nicht in einer Kultur der Schuld – einem „Schuldkult“, wie die AfD das nennt; ein Begriff, den ich niemals verwendet habe und dessen Implikationen ich auch nicht teile.

Wer behauptet, dass Moses den Begriff „Schuldkult“ verwendet hat, und wie mag diese Person wohl auf DIE Idee gekommen sein? Man waiset nich. Besonders nationalistisch kommen mir die meisten der Holocaust-nicht-Vergleicher aber nicht vor, von daher ist der ganze Absatz etwas abwegig, mMn.

Angewidert von dem Umstand, dass ihre Eltern und Großeltern den Holocaust verübten, imaginieren sie ein neues Deutschland, das auf der Ablehnung jener Traditionen beruht, die sie mit ihren Nazi-Eltern und -Großeltern identifizieren: eine Art postnationale Identität.

Blödsinn. Die Lehre ist doch, dass zu viel Patriotismus schlecht ist, und die Frage ist, wie viel Patriotismus noch ok ist. Und eine Menge Leute ist der Ansicht, dass man am besten gar nicht patriotisch sein soll. Es geht also weniger um einen neuen Nationalismus, sondern um das Gegenteil davon.

In den letzten 15 Jahren glitten Vertreter:innen jener besonderen Form von Erinnerungskultur in eine Kultur des Narzissmus ab:

Genau! Narzissmuss stat Nazismus! Sonst hätten die auf diesen Demos ja gerufen: „Narzisst raus! Narzisst raus!“ Was redet der eigentlich?

in einen starren, selbstgefälligen Nationalismus, der Menschen in unerbittliche Kategorien von Gut und Böse einteilt und dabei zynischerweise seine eigene Verpflichtung aufs universelle Menschenrecht unterläuft.

Wer ist hier eigentlich überhaupt Nationalist? Wer ist dabei noch starr oder selbstgefällig? Achille Mbembes universales Menschenrecht wird nicht dadurch bedroht, dass er kein staatliches Geld für eine Rede hält, weil die allermeisten Menschen kein Geld für staatliche Reden kriegen. Er hätte seine Rede auch auf Flugblättern bei der Ruhrtriennale oder wo auch immer verteilen können, ohne hingerichtet zu werden. Seine Meinung zu dem Vorgang wurde von deutschen Zeitungen widergegeben.

Erstens versteigerte sich die notwendige Ablehnung des Antisemitismus zu einer Art Erlösungs-Philosemitismus, der den Erlösungs-Antisemitismus der Nazis um 180 Grad kehrte.

Weil wir jetzt alle zum Judentum konvertieren? Oder wie sonst sollen wir erlöst werden?

Aber der deutsche Philosemitismus geht viel weiter: die Binär-Beziehung zwischen Deutschen und Juden wird darin aufrechterhalten, um einen deutschen Narzissmus zu speisen, um eine Fantasie zu entwerfen, in der Deutschland die Rolle einer Schutzmacht im Nahen Osten spielt, um Israel als jüdischen Fluchthort zu sichern.

Ähh, ja. Das macht Deutschland nur aus Eitelkeit. Die israelische Armee ist nur durch dt. Kontingente in der Lage, sich zu verteidigen. WTF? Nebenbei, die Binär-Beziehung zwischen Deutschen und Juden oder Deutschen und Israelis?

Dabei wird verkannt, dass dort einst Palänstinenser:innen wohnten, von denen viele einen Fluchtort in Deutschland suchen mussten.

Weil niemand in Jordanien, Saudi-Arabien oder dem Iran die haben wollte? Wenn man nicht richtig „Palänstinenser“ schreiben kann, ist Gendern übrigens ein schlechter Move, weil die Autokorrektur das nicht erkennen kann.

Merkwürdigerweise behauptet zugleich niemand, dass solch ein identitätsstiftendes Verhältnis etwa gegenüber den Herero vonnöten sei, an deren Vorfahren die deutschen Imperialmächte ebenfalls einen Völkermord verübten.

Niemand behauptet, dass das Verhältnis D.-Israel identitätsstiftend sei. Warum sollte es? Ansonsten ja, wenn jemand schwört, Herero und Nama ins Meer zu werfen, sollte man ihnen helfen. Fun-Fact, die Herero sind erst im 17. und 18. Jahrhundert ins heutige Namibia eingewandert. Die Nama wohl schon länger.

Praktisch läuft diese Fantasie auf mehr hinaus als eine verständliche Sorge für Israel, dessen jüngste Regierungen eine AfD-ähnliche Politik verfolgten.

Weil die AfD gegen Moslems ist? Komischer Vergleich.

Die Worte „massiv“ und „nicht verhandelbar“ leisten dabei bestimmte moralische und konzeptionelle Arbeit. Sie könnten auch die deutsche Entscheidung erklären, sich in diesem Zusammenhang gegen die Untersuchung von Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen.

Ja, wenn Deutschland dagegen ist, dann können keine Kriegsverbrechen untersucht werden. Weil: Gründe!

So viel zur Achtung des Völkerrechts – dabei dachte man, Letzteres sei eine Lehre aus dem Holocaust.

Muss sich eigentlich Palästina an dieses Völkerrecht halten?

Zweitens stützen sich die deutschen Eliten als Folge ihrer Schutzmachtfantasie vehement auf den Begriff des „israelbezogenen Antisemitismus“

Diese Teutschen Eliten immer. Deutsche mit Mittelmaß machen das nie, aber die Elite, dä Älitä! Hält sich für was besseres, weil ihre Mutter nicht die Nichte von ihrem Vater ist, und sie daher zwei Hoden hat!

 als ob der Widerstand von Palästinenser:innen gegen israelische Politik, … irgendwie mit der extremen Rechten in Deutschland zusammenhinge

Nein, auch die RAF (extreme Linke) hing mit den Palästinensern zusammen. Aber den Juden in Israels dürfte das egal sein, wenn sie sich einbunkern, vermute ich.

die ja sowohl Juden als auch Muslime ausweisen möchten.

Manche Rechte (keine extremen vllt.) sind sogar GEGEN Palästinenser und by proxy pro Israel. Evt. nur, weil sie Moslems mehr hassen als Juden. Aber was ist das Argument? Antisemitismus ist nur schlimm, wenn er von Rechts kommt? Muslimischer Antisemitismus ist harmlos? Fürs Protokoll, religiöser Antisemitismus ist etwas anders als Hitlers Antisemitismus, weil letzterer Judentum biologisch definierte und ersterer durch die Religion. Für den Anti-Antisemitismus sollte das aber nebensächlich sein.

Drittens glaubte man, dieses Engagement durch die Verteidigung der absolut gesetzten Einzigartigkeit des Holocausts zu stützen.

Wer genau glaubt das? Und würde man den Holocaust und den Völkermord an Herero und Nama gleichsetzen, um dann trotzdem dieselbe pro-Israel-politik fahren, die Moses hier kritisiert, nur mit zusätzlich einer entsprechenden pro-Herero-und-Nama-Politik, Moses wäre ja immer noch dagegen.

„Wenn die planmäßige Ausrottung der Judenheit nur ein Unterkapitel des europäischen Rassismus und der kolonialen Gewaltgeschichte war, erodiert auch die besondere deutsche Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Staat“, twitterte Ralf Fücks

Ahh, Fücks glaubt das. Der Fücks mal wieder, von dem ich gerade erstmals gehört oder gelesen habe. Wird wohl richtig sein. Zwei falsche Zitate in einem Artikel – wie unwahrscheinlich wäre das denn?

Er führt dazu, dass die Gläubigen die Bedeutung der von Deutschland und anderen imperialen Mächten begangenen kolonialen Völkermorde immer wieder herunterspielen.

Ja, diese Gläubigen. Die andere Gruppe, die den Holocaust mit Kolonialverbrechen anderer imperialer Mächte vergleichen, um ihn herunterzuspielen, sind tatsächlich hart-rechte Nationalisten.

Der Historiker Götz Aly unterscheidet sie etwa vom Holocaust, indem er behauptet, sie seien von den Kolonisierten selbst provoziert worden: Als „Gegenwehr“ seien sie durch die Aufstände gerechtfertigt gewesen, wohingegen einzig der Holocaust irrational und gegenzivilisatorisch war.

Stimm SO sicher auch nicht, aber es ist trotzdem ein Unterschied, ob ein Kaiserreich Völker in SW-Afrika erobert, um sie zu Untertanen zu machen, oder ob eine (nominelle) Republik ihre Bürger ermorden lässt. Im Kaiserreich gab es sogar sowas wie demokratische Opposition dagegen.

Daher verursachten koloniale Völkermorde bei den Tätern nachträglich kein „kognitives Entsetzen“, wie es der Historiker Dan Diner das formuliert.

Das hat noch mehr Gründe. Meine Großeltern waren 1904 noch nicht geboren, meine Urgroßeltern konnten überwiegend auch nicht wählen, Mitschuld und -verantwortung sind also deutlich geringer.

Das Problem wird so in eurozentrischen Begriffen gefasst. Für die Kolonisierten liegt das „kognitive Entsetzen“ in der Tatsache, dass die Europäer sie eroberten, ausbeuteten, ermordeten: Warum aber soll der Widerstand gegen sie illegitim gewesen sein?

Mal so gesehen, ich betrachte die Gegenwehr von Herero und Nama als legitim und das Vorgehen des kaiserlichen deutschen Heeres als illegitim. Selbst wenn man in Kriegen schlimmere Dinge als „ok“ einstuft. Dennoch, WAS ZUM FRELL? Wieso soll das ein Argument anti-Israel sein? Oh, ist schon klar, die Palästinenser sind die neuen Herero und Nama. Mit ihren Raketen Marke Eigenbau. Nebenbei, aus Sicht der Juden – deren Entsetzen ist nicht nur „kognitiv“, sondern eher allumfassend. Welches Argument – moralisch, philosophisch, praktisch, theoretisch oder sonstwie – könnte ich als nicht-jüdischer Deutsche haben, um Juden im allgemeinen und israelischen Juden im speziellen zu sagen: „Ihr dürft nicht in Israel wohnen!“?

Tatsächlich werden alle Völkermorde von derselben Sachlogik getrieben, nämlich einem Drang nach „permanenter Sicherheit“, die imaginiert Feinden präemptiv vernichtet

Ein Unterschied ist wohl, dass die Herero und Nama nicht vorhatten, einen Völkermord an den Deutschen zu begehen. Von Palästinensern und ihren Verbündeten hört man dergleichen bzgl. Israelis bzw. Juden nicht gerade selten.

einer Logik der „Notwehr“ folgend und nach „Endlösungen“ strebend. Solch eine Sachlogik sollten wir ablehnen.

Ja, genau DAS halt. Warum unterstellt er dieses Denken den Israelis, den Palästinensern aber nicht?

Die eurozentrische Unfähigkeit, die Perspektive Kolonisierter mitzudenken, führt zu einer verzerrten Diskussion.

Wieso überhaupt diskutieren, wenn die Europäer Idioten sind?

Immer wieder wehren sich die deutschen Kommentator:innen gegen Formen multiperspektivischen Denkens, indem sie sagen, der Holocaust könne nicht zu anderen Genoziden in Bezug gesetzt werden.

Das ist nicht die Aussage. „In Bezug setzen“ ist nicht „gleichsetzen“. Wenn Herero und Nama aber eigene Staaten in Namibia gründen wollten, warum nicht? Würde Dirk Moses den übrigen Menschen in Namibia auch das Recht zusprechen, diese Staaten zu boykottieren?

Der Holocaust ist natürlich ein antisemitischer Akt. Doch er kann nur im Kontext eines imperialen Eroberungskriegs in Europa verstanden werden – dem größten aller Zeiten.

Ja? Angenommen, Hitler hätte keinen Krieg begonnen, wäre also insbesondere nicht in Polen einmarschiert, oder er wäre in Polen einmarschiert, hätte aber da angehalten, und gleichzeitig alle Juden im dt. Reich und ggfs. Polen ermorden lassen. Der Holocaust hätte also auch stattgefunden, ohne der größte Eroberungskrieg in Europa gewesen zu sein.

Sie folgen einem Erzählskript des Historikerstreits aus den 1980er Jahren: damals setzten dieselben Kritiker sich erfolgreich gegen nationalistische Kräfte durch. Entsprechend verstehen sie die Herausforderung heute darin, Deiche zu stützen, hinter denen der Wasserpegel des Rechtspopulismus bedrohlich steigt.

Es ist nicht nur der Rechtspopulismus. Bzw., wenn man doch so schöne rechtspopulistische Bilder malen lässt, dann sollte man sich bitte auch nicht beschweren, aber es ist nicht nur der Rechtspopulismus. Es gibt linke Antisemiten. Es gibt christliche und muslimische Antisemiten. Antisemitismus nur auf Rechtsextremisten einzugrenzen, ist eine eher dumme Idee, und nur deshalb gegen Antisemitismus zu sein, um gegen Rechts zu sein, ist auch zu kurz gedacht. Dennoch kann man gegen Antisemitismus sein, auch in der Tarnung als Antizionismus, ohne irgendwelche Katechismen zu folgen.

Aber sie verwechseln in ihrer Angstattacke postkoloniale Argumente mit denen der extremen Rechten

Ja, Angstattacke. Weil ein rationaler Mensch Nazi-Flaggen-David-Stern-Titelbilder einfach anders deuten würde. Weil Palästinenser schon kolonisiert waren, lange bevor der Holocaust die Auswanderung europäischer Juden erforderlich machte.

Wir dürfen nicht einfach den Antisemitismus auf die postkoloniale Theorie projizieren und sie mit der extremen Rechten verwechseln.

Okeee. Was wäre jetzt die Antwort auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina? Sollten die Juden von dort wieder zurück nach Europa? Bzw. nach Afrika, Arabien oder je, nachdem? Wenn nicht, was dann? Sollte man sich als Deutschland kollektiv auf Seiten der Palästinenser schlagen, also speziell der Hamas?

Um die Bedrohung zu erfassen, der Juden und Muslime heute ausgesetzt sind, muss die Verstrickung des Holocausts mit Kolonialismus, Rassismus und weißer Vorherrschaft offengelegt werden.

Wohingegen Christen bekanntlich keiner Bedrohung ausgesetzt sind? Bevor Israel gegründet wurde, war es eine britische kolonie, und davor eine türkische. Ich glaube, die Türkei würde Palästina und Israel gerne wiederhaben, nur ohne die Juden, bitte. Woll?

Immerhin gehen die Mehrzahl der Angriffe auf Juden und Muslime von christlichen, weißen Deutschen aus.

Weil atheistische Deutsche bekanntlich nichts gegen religiöse Menschen haben? Aber ja, die ganzen christlichen, weiße Deutsche, die sich als mediterrane, muslimische Palästinenser tarnen, in den Gazastreifen reisen und von da aus zivile Ziele in Israel beschießen. Wer kennt sie nicht?

Akademiker:innen und Künstler:innen, die eine BDS-Petition unterzeichnet haben, sind, anders als uns hierzulande weiszumachen versucht wird, keine Bedrohung für jüdische Deutsche.

Nuuun, geistige Brandstiftung, schon mal gehört? Dass Intellektuelle sich die Hände schmutzig machen, kommt eher selten vor, ist aber nur ein schwacher Trost. Vor allem ist das aber kein Trost für jüdische Israelis.

Die antikolonialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts strebten nach bürgerlichen Rechten in europäischer, revolutionärer Tradition – nach einem Staat, der seinen Subjekten Rechte garantiert. Das Problem besteht darin, dass Palästinenser:innen diese grundlegenden Rechte in den besetzten Gebieten verwehrt und in Israel nur teilweise gewährt werden.

Jaaa, es zeichnet sich eine Lösung ab. Zwei antidemokratische Gruppierungen kämpfen um die Regierung und die Vertretung der Palästinenser. Und evt. Palästinenserinnen. „Wir müssen doch gemeinsam ringen!“ – „Tun wir doch!“ – „Ich meine, gegen den gemeinsamen Feind!“ – „Die jüdische Volksfront?“ – „Genau!“ – Ich hasse es, wenn die Wirklichkeit sich die Satire ansieht, lacht, jemanden ihr Bier in die Hand drückt und dann noch einen draufsetzt. Aber ja, die Juden sind bestimmt Schuld an den Problemen der Palästinenser. Bestimmt.

Deshalb berufen sich israelische, palästinensische und internationale Menschenrechtsorganisationen bei der Beurteilung der dortigen Situation auf das Völkerrecht.

Ja, und jetzt? Menschenrecht ist wichtiger.

Schmidt behauptete gar, die von mir und anderen Historiker:innen und Aktivist:innen angestoßene Debatte steuere auf einen beunruhigenden Punkt zu: „dass Israel von der Landkarte verschwinden solle“ – dies ist ein Hirngespinst, für das es keinen sachlichen Anhaltspunkt gibt.

From the river to the sea? Werft die Juden ins Meer? Dass sich Palästinenser nicht auf Boykott und Boykottaufrufe beschränken, ist eine empirisch nachweisbare Tatsache. Und wenn Palästinenser untereinander schon zu menschenrechtsverletztenden Praktiken wie Folter und Mord zurückgreifen, sehe ich jetzt seitens der israelischen Bevölkerung – Juden, Moslems, Drusen und wer nicht alles – keinerlei Anlass zu Beruhigung.

Meinte Schmidt etwa, dass Israelis and Palästinenser:innen zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer nicht die gleichen Rechte genießen sollen?

Nein, er meint, dass die Palästinenser bzw. ihre dominierenden politischen Parteien, bei hinreichender politischer Unterstützung, ihr Ziel wahrmachen werden, alle Juden zu vertreiben oder anderweitig „loszuwerden“, permanente Sicherheit und so.

Für Verblendungen dieser Art hat der US-Journalist Peter Beinart den Begriff der „antipalästinensischen Bigotterie“ geprägt.

Verblendung, natürlich. Ohne Israel als Puffer zwischen Hamas im Gaza-Streifen und Fatah im Westjordenland gäbe es noch mehr Tote. „Es ist nicht unsere Schuld, dass Gott den Palästinensern so eine schlechte Regierung gegeben hat.“ Irgendein Araber, als sein Staat diplomatische Beziehungen mit Israel anfing.

Es ist höchste Zeit, dieses Vorurteil auch in Deutschland zu benennen.

Was heißt Vorurteil – was machen Hamas und/oder Fatah so viel besser als Israel, dass ich sie per Boykott unterstützen sollte?

In einem Aufsatz für Geschichte der Gegenwart schrieb jüngst der israelische Historiker Alon Confino: „Wenn es eine Lehre aus dem Holocaust gibt, dann die, dass alle Menschen gleiche Rechte und ein Leben in Würde verdienen. Das Beharren auf gleichen Rechten für Palästinenser (…) kann nicht als antisemitisch angesehen werden.“

Stimmt. Inwiefern ändert ein Boykott Israels die Situation in Palästina? Sollen Palästinenser gleichberechtigte Bürger Israels werden, was sie nicht wollen, oder sollen Israel UND Palästina dazu gebracht werden, einer wieauchimmer geformten Zwei-Staaten-Lösung zuzustimmen? Mein Argument ist hier, dass das Mittel dem Zweck nicht angemessen ist, anders als bei der richtigen Apartheid in Südafrika.

Die Verteidiger des Katechismus postulieren jetzt einen „neuen Historikerstreit“, um sich als Beschützer:innen der Öffentlichkeit vor den Barbaren von rechts wie von links aufzuspielen.

Es ist ein Streit zwischen Historikern, die unterschiedliche politische Ziele mit historischer Forschung zu begründen versuchen. Also ja, Historikerstreit ist richtig. Achja, Beschützer:innen, aber keine Verteidiger:innen. Weil Ihr nicht wisst, ob das positiv gelesen werden soll oder nicht?

Wir haben einen neuen Illiberalismus. Er besteht darin, neue Stimmen aus dem Diskurs auszuschliessen – Stimmen wie die von Achille Mbembe und Bonaventure Soh Bejeng Ndikung. Dafür sind die deutschen Akteure verantwortlich.

Keine Akteur:innen, natürlich. Beide Männer werden gehört. Beide haben Möglichkeiten, sich am „Diskurs“ zu beteiligen. Wenn deutsche Akteure ihre Meinung anscheinend überwiegend nicht teilen, ist das eben so. Wenn die Nazi-Apardheit-Israel-Vergleiche auf Ablehnung treffen, sind Deutsche vllt. dumme Idioten, pardon, Idiot:innen, vllt. sind diese Vergleiche einfach auch falsch.

Anm. d. R.: In einer früheren Version dieses Textes war davon die Rede, der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume habe progressive Jüdinnen und Juden als „vorgebliche Juden“ bzeichnet. Tatsächlich sprach er von „vorgebl. jüdischen Accounts [auf Twitter]“.

Ach? (Nebenbei, kann es sein, dass die „antizionistische Juden“-Argumentationslinie auf Menschen beruht, die größtenteils keine Juden sind, sondern von solchen abstammen?)

*Anm. d. R. zur inzwischen geänderten Illustration: In den Augen vereinzelter Beobachter suggerierte die Erstillustration eine Ähnlichkeit mit einem NS-Symbol. Diese Ähnlichkeit war keineswegs intendiert. Aus Gründen der Sensibilität des Themas haben wir das Bild dennoch geändert.

Das müssen wir jetzt aus Höflichkeit glauben?

Ich habe den ganzen obigen Artikel an einem Tag getippt, evt. tauchen noch andere korrekturen auf. Ich habe keine Lust mehr, das aufzuteilen, sondern bedanke mich bei Dir, liebe Leserin oder Leser, bis hierhin durchgehalten zu haben.

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