Wer sich über Gewalt und Morde erst dann aufregt, wenn Frauen betroffen sind, hat einen etwas sonderbaren Zugang zum Thema Gleichberechtigung.
Zehn Schritte, um Morde an Frauen zu verhindern
Morde an Männern sind kein Problem.
Nach dem Attentat von Würzburg, bei dem ein Mann drei Frauen getötet und weitere Menschen verletzt hat, fragen sich Menschen, wie man solche Taten verhindern kann.
Irgendwer fragt sich das bestimmt. Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich das natürlich nie verhindern, aber ob jemand drei Frauen, drei Männer oder eine beliebige Mischung auf offener Straße niedergestochen werden, ist für die Frage, wie man dergleichen verhindern kann, egal.
Auf Twitter war nach der Tat der Begriff »Femizid« in den Trends, ein Begriff, den viele wahrscheinlich gar nicht kennen.
Hey, ich kenne den! Aber ja, wenn der drei Männer umgebracht hätte, würde Femizid nicht trenden…
Auch, weil Fälle, in denen Frauen getötet werden, in den Medien immer noch oft unter »Familien-/ Beziehungsdrama« laufen.
„Familiendrama“ bzw. „Familientragödie“, wenn mehrere Familienmitglieder bei einem Unfall sterben, ist eine Triggerwarnung in der Zeitung. Meinetwegen kann man den Begriff auch streichen. Aber in den meisten Mordfällen ist das Geschlecht des Opfers nicht das Motiv. (Ob das hier so war, ist noch offen…)
Als würde man einen tödlichen Banküberfall als »Finanzdrama« betiteln.
Macht doch einfach.
Jedenfalls: Femizide sind Morde, bei denen Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind.
So definiert, sind viele Morde an Frauen keine Femizide. Mal abgesehen davon, dass das Motiv nicht immer klar ist, und man sonst Zirkelschlüsse baut: „Das Opfer ist eine Frau. Frauenhass ist der einzige Grund, eine Frau umzubringen. Also ist das ein Femizid.“
Man weiß nun zwar noch nicht, ob der Täter absichtlich Frauen auswählte.
Dann ist das alles semi-sinnvolle Spekulation. Angenommen, er hätte absichtlich Männer ausgewählt – wäre die Tat dann weniger verwerflich? Bzw., die ganze Psychiatrie-Schiene mal außen vor gelassen, dies ist offenbar keine Beziehungstat gewesen.
Aber sobald bekannt wurde, dass er aus Somalia stammt und in Deutschland Asyl beantragt hatte, erklärten manche, Feministinnen würden zu dem Fall schweigen, weil der Täter Asylbewerber ist.
Nun, wenn die Feministinnen dann einfach antworten würden, dass Mordmotiv und Geisteszustand eben unklar sind, und man sich von daher mit Urteilen zurückhält, wäre das eine absolut gerechtfertigte Antwort gewesen.
Dazu vor allem eins: Wer sich für Gewalt gegen Frauen erst dann interessiert, wenn sie von nicht deutschen Tätern ausgeht, ist ein rassistischer, frauenfeindlicher Heuchler.
Das ist wohl war. Wer sich für Gewalt aber nur dann interessiert, wenn sie sich gegen Frauen richtet, ist auch nicht besser.
Für alle anderen, die ernsthaft daran interessiert sind, Morde an Frauen zu verhindern, ist folgender Text.
Ich stelle fest, dass Männer häufige als Frauen Opfer von Gewalt sind. Daraus kann ich drei Konsequenzen ziehen:
- ich kümmere mich erstmal darum, dass Gewalt gegen Männer weniger wird
- ich kümmere mich darum, dass Gewalt insgesamt weniger wird
- ich kümmere mich darum überhaupt nicht, weil ich finde, dass das Risiko, unter Gewalt zu leiden, schon gering genug ist
Femiziden kann man sinnvoll nur mit feministischer Politik begegnen, denn: Femizide verhindert man nur, wenn man allgemein Gewalt gegen Frauen verhindert.
Feministische Politik verhindert also nur Gewalt gegen Frauen? Warum sollte ich dann nicht lieber eine Politik fördern, die Gewalt generell verhindert?
Wenn Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind, dann passiert das meist nicht aus heiterem Himmel, sondern als Folge vorangegangener Gewalt und Enthemmung.
Wenn Frauen getötet werden, weil sie bspw. Polizistinnen sind, passiert das auch nicht aus heiteren Himmel. Wenn Männer getötet werden, auch nicht. Der Satz ist so trivial, dass er quasi nicht falsch sein kann.
Deswegen muss jede Politik, die Femizide verhindern will, alle Vorstufen der Gewalt gegen Frauen bekämpfen.
Sonst kommt immer der Hinweis, dass Feminismus auch Männern helfe. Aber die wiederholte Betonung, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft werden soll, ohne auch nur den Alibi-Spruch, dass weniger Gewalt auch Männern helfe, unterläuft das.
Schritt 1: Bewusstsein und Unabhängigkeit schaffen
Auch wenn Terroranschläge im öffentlichen Raum mit mehreren Toten und Verletzten besonders viel Aufmerksamkeit erregen: Die meiste Gewalt gegen Frauen passiert im sogenannten privaten Umfeld, deswegen gibt es hier am meisten zu tun.
Wohingegen Gewalt gegen Männer auf der Arbeit passiert?
Drei Hauptthemen: ABC – Aufklärung, Beratung, Cash. Aufklärung über Gewalt muss spätestens im Kindergarten anfangen.
Da hat sie recht. Diverse Quellen gehen davon aus, dass Gewalt gegen Kinder überwiegend von Frauen ausgeht, aber das soll jetzt keine Ausrede sein!
In der Schule muss es weitergehen: konkrete Aufklärung über geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt. Sehr viele Menschen wissen zum Beispiel nicht, was eine Vergewaltigung ist und haben immer noch Mythen im Kopf über fremde Männer, die hinter Bäumen hervorspringen.
Hey, auch da hat sie recht. Es gibt nämlich auch Vergewaltigerinnen.
Sie wissen nicht, dass Vergewaltigungen nicht zwingend mit blutiger und brutaler körperlicher Gewalt einhergehen müssen.
Das ist in der Tat so. Hey, ich bin begeistert!
Dass auch erzwungener Oral- oder Analverkehr dazuzählen oder Penetration mit Fingern oder Gegenständen. Dass Vergewaltigung auch zwischen Verliebten passieren kann. Was ist ein sexueller Übergriff, was ist sexuelle Nötigung, was ist Vergewaltigung?
Ok, die „was ist das gerade noch erlaubte“-Erklärschiene ist möglicherweise nicht ganz die richtige, aber das man sich nichts gefallen lassen muss, ist eine Lektion, die alle Jugendlichen lernen sollten.
Lehrkräfte müssen das eventuell auch erst mal lernen.
Ja. Das auf jeden Fall.
Beratungsmöglichkeiten müssen ausgebaut und finanziert werden, bestehende Beratungsmöglichkeiten müssen daraufhin überprüft werden, wie gut sie sind.
Wenn die bespielsweise nur weibliche Opfer beraten, wäre das sexistisch.
Wenn es Beschwerden über einzelne Institutionen gibt, etwa weil die Beratenden dort selbst übergriffig werden – wie beim Weißen Ring in Lübeck –, dann müssen diese untersucht werden.
Ok, DAS Problem gibt es leider auch sonst. Aber prinzipiell ja.
Thema Cash: Frauen müssen mehr Geld verdienen. Wer finanziell von einem Partner abhängig ist, kann sich oft nicht trennen.
So gesehen, ja. Aber einer Frau, die zufällig gerade arbeitslos ist, hilft das knapp die Hälfte.
Schritt 2: Polizei und Justiz schulen
Öfter anzeigen bringt aber nichts, wenn dann nichts passiert. Polizei und Justiz sind immer noch auffällig oft schlecht darin, Frauen vor Gewalt zu schützen.
Apropo Eigenwerbung. Ich stelle fest, gemessen an den Ergebnissen sind Polizei und Justiz besser darin, Frauen vor Gewalt zu schützen als Männer. Aber gut, Luft nach oben gibt’s bestimmt.
Waffengewalt ist physisch. Die meiste „Gewalt“ im Internet führt aber nicht zu physischer Gewalt im realen Leben. Soll nicht heißen, dass man die gar nicht verfolgen sollte, aber wenn, dann bitte auch gegen Männer. #killallmen und so.
Schritt 4: Der Wohnungsmarkt ist ein Problem
Es mag weit hergeholt wirken, aber zu hohe Mieten fördern Gewalt gegen Frauen. Ganz einfach: Die oben genannten Frauen, die Gewalt von ihren Partnern oder Ex-Partnern erleben, müssen leicht und schnell eine neue Wohnung finden können.
In manchen Städten sind die Mieten sehr moderat. Ok, der Staat oder die Stadt hat verschiedene Möglichkeiten, auf die Mieten Einfluss zu nehmen – hieß früher sozialer Wohnungsbau – aber nunja. Hätte den Vorteil, dass auch Männer leichter ausziehen können, wenn sie Opfer häuslicher Gewalt werden.
Schritt 5: Mehr Therapieangebote für alle
Potenzielle und tatsächliche Opfer und Täter brauchen mehr und bessere Therapieangebote.
Komische Formulierung, aber ja. Vor allem braucht es spezielle Selbstmordpräventionsprogramme nur für Männer.
Über den Täter von Würzburg ist bekannt, dass er zwischenzeitig in psychiatrischer Behandlung gewesen ist.
Man kann, vereinfacht gesagt, niemanden ohne weiteres dazu zwingen, sich in Behandlung zu begeben.
Wohnungs- und obdachlose sowie geflüchtete Menschen brauchen bessere Therapieangebote, und zwar in einer Sprache, die sie sprechen. Wenn sich keine Therapeut*innen finden, die die Sprachen der Betroffenen sprechen, müssen Übersetzer*innen bezahlt werden. Von unseren Steuern, ja.
Um das abzukürzen – dass Menschen, die in Lagern leben, anfällig für dergleichen ist, will ich mal nicht bestreiten. Die Frage ist, wie man solche Dinge diagnostiziert, wenn die Betreffenden nicht kooperieren wollen. Gilt insofern auch für Menschen, die nicht in Lagern leben.
Schritt 6 bis 8: Die Rechte von Minderheiten stärken
Nicht alle Frauen sind gleichermaßen von Gewalt bedroht, manche sind besonders gefährdet. Zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen gehört auch, LGBTIQ-Rechte zu stärken.
Wie man auf 10 Punkte kommt, wenn man nur acht hat. Aber gut, sie hat auch schon mal zwei Argumente zu einem zusammengefasst, insofern hat sie noch zwei gut. Funfact: Schwule und Lesben, die unter häuslicher Gewalt leiden, leiden unter der Gewalt von anderen Schwulen bzw. Lesben. Soll nicht heißen, dass das Heteroa-Gewalt rechtfertigt, aber wer sonst auch mit Gruppenschuld arbeitet, nunja…
Schritt 9: Extremismus bekämpfen
Islamismus und Rechtsextremismus sind sich in ihrer Frauenverachtung näher als manche wahrhaben wollen.
Alt und Kölsch sind sich in ihrer Zusammensetzung auch näher, als manche wahr haben wollen. Aber gut, Frauen und Rechtsextreme haben beide ein altmodisches Frauenbild. Nur führt dieses dann dazu, dass sie meistens gegen Männer kämpfen, Männer töten, den Tod von Männern eher in Kauf nehmen…
Wir erinnern uns: Die meisten der vom NSU 2.0 bedrohten Personen waren Frauen.
Ich schlage bei Wiki nach: die meisten vom NSU 1.0 getöteten Personen waren Männer. Und eine Polizistin.
Schritt 10: Die Pandemie beenden
Seit Beginn der Pandemie hat die Gewalt gegen Frauen offline und online zugenommen.
Und gegen Männer nicht? Tja, als der Vorschlag kam, Männer bevorzugt zu impfen, machte sich eine gewisse Journalistin öffentlich darüber lustig.