Weiter gehts. Siehe auch gestern.
Viele deutsche Familien durchlebten im Verlauf der 1960er und 1970er Jahre den Generationenkonflikt, bei dem diese ältere Vorstellung von nationaler Identität auf ein neues Selbstverständnis traf, das von den jüngeren Kohorten der 68er Generation getragen wurde.
Achwas? Das war gar nicht die Jahrtausendwende? Das was viel zeitnaher? Na, sowas. Das kommt davon, wenn man sich über fremde Länder ausbreitet und so tut, als wären deren Bewohner alle dieselben. Sind sie nicht. Es gab bestimmt auch Leute der 68er-Generation, die die Vergangenheit verklärten oder verharmlosten, obwohl (oder weil) sie selbst keine Erinnerungen an das Dritte Reich hatten. Gibt es wohl auch heute noch. Die persönliche Befangenheit wird aber mit der Zeit immer kleiner.
Das bedeutet nicht, dass die 68er bereits an die Einzigartigkeit des Holocaust geglaubt hätten: In ihrem antiimperialistischen Furor verglichen seinerzeit viele die Vereinigten Staaten ausdrücklich mit Nazi-Deutschland, da diese in Vietnam Krieg führten („USA-SA-SS“).
Natürlich nicht. Der „Glaube“ an die Einzigartigkeit des Holocaustes ist doch einfach nur eine Erfindung von Dir, Dirk. Wen jemand sagt, dass der Holocaust ein „einzigartiges“ oder „singuläres“ Ereignis war, dann mein soe damit, dass es dieses Ausmaß an Vernichtung, diese Todesmaschinerie, vorher nicht gab, aber nicht, dass sich das nicht wiederholen kann, sondern, dass es sich nicht wiederholen darf. Insofern ist es folgerichtig, gegen Dinge zu protestieren, die man für „holocaustartig“ hält. Jemand muss dieses „nicht dürfen“ ja irgendwie durchsetzen. (Gut, ob Sprechchöre da helfen, ist eine andere Frage.)
Mit den 1980er Jahren begann sich die Deutung des Holocaust als ein historisch einzigartiges Geschehen dann aber allgemein durchzusetzen.
Ja, das hatte Gründe. Bzw., fairerweise sollte man nicht nur tote Juden zählen, sondern auch tote Sinti, Roma, Homosexuelle, geistig Behinderte, Kommunisten…
Viele linke und liberale Deutsche begriffen nun, dass sie nach dem Holocaust nur dann als „gute Menschen“ gelten können, wenn sie diese Deutung in das eigene Selbstverständnis eingliederten, und dies auch gegenüber einer internationalen Öffentlichkeit dokumentierten.
Deshalb schreiben wir Holocaust mit „c“, wie im englischen, und nicht „Holokaust“. Reine Anbiederung. Dass es auch einfach linke und/oder liberale Deutsche geben könnte, die sich mit der Geschichte an sich befassen, weil sie das wollen, und weil „die aber auch“ eher kein Argument ist dabei, lieber Dirk, mal daran gedacht?
Im Historikerstreit Mitte der 1980er Jahre, in dem es um die Frage ging, ob der Holocaust als „asiatische Tat“ von den Bolscheviken provoziert wurde, setzte sich der neue Katechismus aber noch nicht durch.
Das heißt „Bolschewiken“. Ok, Bolschewiken sind nicht direkt gute Menschen, aber das ist erkennbar ein Ablenkungsmanöwer.
In diesen Debatten führten Konservative ein Rückzugsgefecht im Namen des alten Katechismus, bei dem ihnen in erster Linie die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein öffentliches Forum bot.
Achwas? Glaubenskriege bei der FAZ? Na, sowas. Nebenbei, außer als Relativierung taugt so ein Gulag wenig. Weil die Nazis keine Kazetts bauten, um Stalin zu verhindern.
Letztlich aber mussten irgendwann auch sie einsehen, dass Deutschlands geopolitische Legitimität davon abhing, ob der neue, im Austausch mit amerikanischen, britischen und israelischen Eliten ausgehandelte Katechismus von ihnen akzeptiert wurde.
Das ist ja sehr schlau formuliert – immer diese „Eliten“. Nicht einfach „Regierungen“. Mal abgesehen davon, wäre es nicht wichtiger, dass chinesische und indische Eliten Deutschlands geopolitische Legitimität akzeptieren? So viele Israelis – Elite oder normale – gibt es gar nicht wie es Elite in Indien oder China gibt. Definiert als die jeweils besten 5 %.
Dessen fünf Elemente sind für eine ganze Generation zu Glaubensartikeln geworden. Millionen Deutsche haben während der vergangenen Jahrzehnte verinnerlicht, dass für die sündige Vergangenheit ihrer Nation nur über den Katechismus Vergebung zu erlangen ist.
Nein. Vergebung erlangt man, wenn einem vergeben wird. Von daher ist die Vergebung durch Juden – nicht „israelischer Elite“, sondern Menschen jüdischen Glaubens – tatsächlich wichtiger als wasimmer für Reissäcke die Inder und Chinesen gerade stemmen. Weshalb ich jetzt nicht den Kritikpunkt mit Israel verstehe.
Kurz gefasst impliziert der Katechismus eine Heilsgeschichte, in der die „Opferung“ der Juden durch die Nazis im Holocaust die Voraussetzung für die Legitimität der Bundesrepublik darstellt.
Ja, ne. Ist klar. Wenn die ganzen Juden nicht „geopfert“ worden wären, und es keinen Krieg gegeben hätte, gäbe es die Weimarer Republik noch. Wäre das nicht besser?
Deshalb ist der Holocaust für sie weit mehr als ein wichtiges historisches Ereignis: Er ist ein heiliges Trauma, das um keinen Preis durch andere Ereignisse – etwa durch nichtjüdische Opfer oder andere Völkermorde – kontaminiert werden darf, da dies seine sakrale Erlösungsfunktion beeinträchtigen würde.
Die nicht-jüdischen Opfer, ok, eine allzu einseitige Fokussierung auf jüdische Nazi-Opfer ist nicht gut. Aber andere Völkermorde sind eigentlich „Derailing“ in der Debatte. Das Wort kenne ich!
Für den Historiker Dan Diner etwa nimmt der Holocaust als Zivilisationsbruch den Platz ein, der vormals Gott zukam.
„Du sollst keine anderen Holocauste neben mir begehen!“ – „Aber…?“ – „Keine anderen Holocauste! Einer reicht!!!“ Dieser Dan Diner ist evt. ein guter Historiker, aber kein Religionsforscher, kann das sein? Übrigens, andere Fälle von Antisemitismus zu erwähnen kommt auch als Verharmlosung rüber – das sage ich als selbsternannter Hohepriester.
Die nationalsozialistische Moral muss negiert werden: statt „erlösender Antisemitismus,“ (Saul Friedländer) – „erlösender Philosemitismus.“
Haha, der war gut: „nationalsozialistische Moral.“ Die Existenz einer solchen negiere ich tatsächlich. Ist jetzt der Vorwurf, dass die heutigen Deutschen das Gegenteil machen von dem, das die Nazis machten? Wie kann DAS bitte sein?
Eine zentrale Rolle in diesem christologisch geprägten Erlösungsnarrativ kommt hier auch der „Wiederauferstehung“ des Opfers bei.
Nein. Die sind nicht für unsere Sünden gestorben. Sondern… ach, es ist theologisch, metaphorisch und historisch so ein Quatsch, was du da schreibst – und psychologisch, soziologisch, generell logisch. Einfach falsch.
Seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und dem Kollaps der Sowjetunion unternimmt der deutsche Staat diverse Maßnahmen, die eine „Wiederaufforstung“ von Juden in Deutschland hervorbringen sollen.
Haha, witzig. Wenn es nicht so ein unlustiges Thema wäre, oder wenn Du insgesamt ein lustigerer Mensch wärest, würde ich auf den Joke gerne noch einen draufsetzen. Aber ok, evt. ist das tatsächlich ein Versuch auf nationaler Ebene zu sagen: „Wir haben nichts gegen Juden. Einige unserer Bürger sind Juden. Und einige kommen sogar freiwillig her. In Personenzügen. Ohne vorgehaltene MP!“ Aber die Tatsache, dass die kommen, sagt vllt. trotzdem mehr aus als irgendwelche Sonntagsreden. Oder Sabbatreden.
Nachdem Deutschland nun nicht nur die gründlichste „Aufarbeitung der Geschichte in der Geschichte“ hinter sich gebracht hat, sondern auch Juden und Jüdinnen „wiederbelebt“ hat, kann es im Bewusstsein seiner Rolle als Leuchtturm der Zivilisation wieder stolz unter den anderen Nationen stehen und sich von der politischen Klasse Israels und den USA anerkennend den Kopf tätscheln lassen.
Geh kacken, lieber Dirk. Geh einfach kacken. Wäre es Dir lieber gewesen, Dir persönlich, in Deinem Lehrstuhl in North Carolina, dass die BRD derartige Maßnahmen nicht unternommen hätte, und/oder, dass die Juden aus der Ex-SU darauf nicht eingegangen wären? Oder allgemeiner: sollte es besser so sein, dass möglichst keine Juden mehr in D. leben? DMn?