Ich bin jetzt scharf am Nachdenken, was die Moral von der Geschicht sein sollte.
Sophie Scholl ist für extrem wenig Schaden, dem sie den Nazi-Regime konkret zugefügt hatte, hingerichtet worden. Allein das und die Tatsache, dass sie eine Frau ist, mag schon ein Teil der Erklärung sein, warum nach IHR so viele Schulen und Kindergärten benannt sind und nur eine nach dem Attentäter vom Hofbräuhaus. Zum Vergleich, Stauffenberg hätte die Nazis fast gestürzt. Der ist auch einfach nur hingerichtet worden.
Die ganze Helden- und Heiligenverehrung ist mMn tatsächlich kontraproduktiv. Bzw., klar, freie Land und so, und lieber Sophie Scholl als irgendwas mit Fußball. Allerdings, wenn man sie nicht als „Heilige“ und/oder „Heldin“ verklären wollte, würde man sich a) weniger an Dingen stören, die mit dem jeweiligen persönlichen Geschmack bezüglich Heldentum und Heiligkeit wenig übereinstimmen – BDS-Scharführerin, hatte Sex mit einem Offizier der Wehrmacht, und zwar freiwillig, hat geraucht, hatte komische Ideen zur Kleinkindbetreuung – oder meinetwegen nicht so sehr stören, würde b) vllt. tatsächlich mehr über die NS-Zeit lernen, könnte c) eine interessantere Geschichte hören, denn eine heldenhafte Heilige, die wegen ihres heiligen Heldentum selbstlos den Märtyrertod stirbt, ist ja schon ganz interessant, aber eine ekelhafte Nazizicke, die tatsächlich die Kurve kriegt und gegen die Nazi arbeitet, ist RICHTIG interessant, und d), bin ich der Ansicht, dass Helden und Heilige tatsächlich viel „normaler“ sind, als man gemeinhin annimmt, so dass man die eigenen Ansprüche schon deshalb herunterschrauben sollte.
Und letzteres ist meiner Meinung nach die positivere Botschaft als „Ich könnte Sophies Freundin sein.“, nämlich „Ich könnte Sophie sein. Jedenfalls ist das nicht unmöglich.“ Sophie Scholl nicht nur als outgesourcetes Gewissen, wie Smithers für Burns oder Liv für Abby, sondern tatsächlich als „Vorbild“ oder „Muster“, wie man als Normaloa genüg Rückgrat entwickelt, um gegen den Strom zu schwimmen.
Denn da geraten wir in das Verdrängungsthema. Zu sagen: „Ich wäre wahrscheinlich Mitläufer(m/w) im Nazi-Regime oder jedem anderen geworden und hätte nicht im Widerstand gekämpft.“ ist vermutlich die gesündere und bescheidenere Selbsteinschätzung als „Ich hätte Hitler erschossen!“ oder dergleichen. Aber die Konsequenz aus der Verklärung von Sophie Scholl, Stauffenberg oder wem auch immer führt dazu, zu denken: „Ich wäre NIE IM LEBEN in irgendeinem Widerstand, nicht mal mit fucking Flugblättern, weil ich nicht das Zeug dazu hätte, denn das Zeug besteht aus einer Biographie ohne Makel! Kein BdM! Pazifismus! Literatur der Aufklärung! Vegetarisch! Liebevolle Kleinkindpädagogik! (Nagut, eines davon war Hitler auch…)“ Das verlässt den Bereich der selbstkritischen Bescheidenheit und erreicht das Feld der dummen Ausrede. Wenn einem das Risiko, hingerichtet zu werden, nicht abschreckt, ist das albern.
Oder, wenn man so oder so nicht denkt, irgendwelche widerständlerischen Ambitionen entwickeln zu können, bleibt dann immerhin die Erkenntnis, das Menschen sich ändern. Oder vllt. nicht alle, aber zumindest in dem Alter.
Der Attentäter vom Hofbräuhaus ist der hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Elser
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