Stoverock im Interview III

taz mal wieder

Die meisten Fragen gab es so oder ähnlich schon.

Aber die ist neu:

Es ist nicht unproblematisch, sich auf evolutionsbiologische Unterschiede bei Menschen zu beziehen, Stichwort Eugenik. Sie plädieren für eine wertneutrale Neubesetzung.

Ja, nicht nur Eugenik. Auch Rassismus und hier vor allem Sexismus. Aber „wertneutrale“ Neubesetzung klingt ja sehr optimistisch.

Es ist vernünftig, bei biologischer Argumentation genau hinzuschauen.

Bei welcher Argumentation wäre es denn unvernünftig, genau hinzuschauen? Wir dreschen ein paar Phrasen.

Für mich spielt eine entscheidende Rolle, dass diese gesamten biologischen Erkenntnisse über die Jahrhunderte immer nur von Männern zu ihrem eigenen Nutzen interpretiert wurden.

Welche Erkenntnisse wurden denn von Frauen zum Nutzen von Männern interpretiert? Und heißt „interpretiert“ hier nicht einfach: „per naturalistischem Fehlschluss instrumentalisiert“? Immerhin wurde aus der biologischen Erkenntnis, dass Männer entbehrlich seien, die Regel „Frauen und Kinder zuerst“ hergeleitet.

Sie haben ihr Wissen, ihre Erkenntnisse ausgenutzt und missbraucht, wodurch furchtbare Verbrechen möglich wurden.

Ja, Giftgas ist eine üble Sache,

Ich glaube, man sollte Unterschiede zwischen Menschen – nicht nur Männern und Frauen, auch zwischen Alten und Jungen sowie verschiedenen Ethnien benennen können.

Biologische Unterschiede zwischen verschiedenen Ethnien? Ich glaube, sie meint tatsächlich biologische Unterschiede zwischen verschiedenen Ethnien. Hmmm, gibt’s da nicht ein anderes Wort für?

Wichtig ist: Der biologische Sachverhalt eröffnet Möglichkeiten, die patriarchale Deutung begrenzt oder verhindert diese.

Die patriarchale Deutung verhindert, dass unterschiedliche Menschen entsprechend ihrer biologischen Sachverhalte behandelt werden? Wäre doch dann eher gut als schlecht, oder?

Denn sie wertet und weist Menschen einen Platz zu, und das ist nicht zufällig fast immer einer unter dem weißen männlichen Individuum.

Also wirklich keine Apartheid? Ich habe irgendwie nicht ganz das Gefühl, dass das das ist, was sie der globalen Verschwörung des allumfassenden Patriarchates wirklich vorwirft.

Das formulieren Sie deutlich: „Unsere Zivilisation funktioniert nur für eine Sorte Mensch: den Mann.“

Wohingegen in China alles besser ist.

Ganz praktisch kann man das in der medizinischen Forschung sehen und in der Gestaltung von Sicherheitsmaßnahmen. All das ist zugeschnitten auf einen Körper, der eher männlichen Parametern entspricht.

Ja, wenn Frauen so selten als Freiwillige zu medizinischen Testreihen für neue Experimente gehen? Und wenn die gefährlichsten Arbeiten typischerweise von männlichen Personen ausgeübt werden? Tja, nun.

Das führt regelmäßig dazu, dass solche Maßnahmen für Menschen außerhalb dieser festgelegten Norm nicht passen.

Ja, sehr kleine Menschen und sehr große passen nicht gut in ein Flugzeugcockpit. Und natürlich die internationale Kleiderverschwörungspraxis. Keine Theorie, Praxis.

Denn ein Muster der female choice ist, dass sich 80 Prozent der Frauen für nur 20 Prozent der Männer entscheiden. Das heißt, eine Mehrzahl an Männern bekommt keinen Sex.

Ja, das haben wir alle schon verstanden. Es kommt ja regelmäßig in Intervies vor.

Das heißt nicht, dass diese Männer Versager sind. Wenn wir uns die Tierwelt anschauen, dann ist das Männchen, das keine Partnerin findet, der Normalfall.

Nur, weil etwas „Normal“ ist, ist das nicht automatisch „gut“. Abgesehen davon klingt es sehr nach Trostpreis, jemanden zu sagen: „Nur, weil niemand Sex mit Dir will, heißt das ja nicht, dass Du hässlich, dumm, arm, unsympathisch, dick, sozial benachteiligt, empathielos und sonstwie erfolglos bist. Du hast halt keinen Sex.“

Sie schreiben aber, dass männliche Lebewesen, die keinen Zugang zu Sex haben, aggressiv werden.

Genau.

Ja, das schreibt sie wohl.

Ich glaube, diese Aggression gehört zum Mannsein dazu. Damit soll aber keineswegs gewaltsames Verhalten gerechtfertigt werden.

Was damit aber doch gerechtigt werden soll, ist Sippenhaft? Ausgangsperre nur für Männer? Irgendwas in der Richtung?

Sie konzentrieren sich auf die binäre Geschlechterordnung. Ist das nicht unzeitgemäß?

Also, beim Schleimpilz ist das ganz anders.

…da es in meinem Buch vor allem um fortpflanzungsbiologische Aspekte geht, habe ich mich auf Frau und Mann konzentriert. Bei der Fortpflanzung kommt es schließlich auf zwei unterschiedliche Geschlechter an, die bestimmte genetische Merkmale aufweisen.

Manchmal stelle ich mir vor, dass sich Feminismus zu einer Religion weiterentwickelt, und die ist in verschiedene Konfessionen aufgeteilt, und die wiederum in mehrere Sekten, und für einige dieser Sekten sind die anderen die häretischsten Ketzer, schlimmer als jeder Maskulist sein könnte, und eines Tages werden die sich in blutigen Glaubenskriegen gegenseitig niedermetzeln, aber dann werde ich wach und merke, nein, das passiert höchstens auf Twitter.

Sie schreiben, dass Menschen, bei denen Chromosom- und Hormonpegel nicht dem gleichen Geschlecht entsprechen, non-binär seien. Beweist das nicht aus biologischer Sicht, dass der Glaube an eine binäre Geschlechterordnung faktisch falsch ist?

Nun, es gibt auch Menschen mit sechs Fingern. Trotzdem stammen alle Landwirbeltiere von einem Ur-Amphibium mit je fünf Fingern und Zehen ab, und der sechste Finger ist halt eine Mutation.

Der ist auf jeden Fall falsch. Wenn die Chromosomen auf ein Geschlecht hindeuten, die Hormone aber auf ein anderes – was will man da als biologisches Geschlecht benennen?

Da hat wohl eine Angst vor den Glaubenskriegen…

Bei beidem handelt es sich um physische Faktoren, die deutlich messbar und nachweisbar sind. Das nicht-binäre Geschlecht ist weitaus mehr als nur eine kulturelle Spinnerei, als die es ja oft von Kritikern bezeichnet wird.

Das stimmt einerseits. Andererseits wird bei den wenigsten nicht-binären Menschen physische Faktoren gemessen. Und Transsexuelle sind nicht dasselbe wie nicht-binäre Menschen. Aber hey, nicht über Religion und Politik reden.

Erhoffen Sie sich das von Ihrem Buch?

Mein naiver Wunsch ist es, eine Handreichung zu schaffen.

Tja. Sie merkt es selbst. (Wenn es ihr jetzt auch noch auffalen würde, dass es female Choice schon gibt…)

Ich möchte zeigen, wie stark Biologie und Kultur Hand in Hand gehen.

Zum Beispiel dahingehen, dass Männer um Frauen werben müssen, nicht umgekehrt.

Ich möchte einen Beitrag leisten, dass Menschen, egal welchen Geschlechts, ihre Existenz besser verstehen und es schaffen, einander mehr zu respektieren – als Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen.

Männer haben z.B. das Bedürfnis nach Sex. Das wird dadurch „respektiert“, dass ihnen vorgeschlagen wird, zu Prostituierten zu gehen, oder Sexroboter zu erfinden.

3 Gedanken zu “Stoverock im Interview III

  1. »Denn ein Muster der female choice ist, dass sich 80 Prozent der Frauen für nur 20 Prozent der Männer entscheiden. Das heißt, eine Mehrzahl an Männern bekommt keinen Sex.«

    Sie meint ja wohl: in der Tierwelt. Müsste also Weibchen und Männchen heißen, nicht Frauen und Männer. Dass eine massiv überwiegende Mehrzahl an menschlichen Männern keinen Sex bekäme, mag wohl in diversen (etwa fundamentalislamischen) Zivilisationen zutreffen, aber da liegts garantiert nicht am female choice.

    Gefällt 1 Person

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