Schritt 1: mache einen (in den USA) anerkannten IQ-Test
Schritt 2: schreibe darüber Satire-Beiträge
Schritt 3: kriege Gegenwind vom rechten Flügel von (American) Mensa, organisiert in einer Facebook-Gruppe namens Firehouse (ja, man kann Trump wählen, OHNE IQ-Punkte zu verlieren – wenn die Demokraten Hilary „Frauen leiden unter Kriegen am meisten“ Clinton aufstellen…)
Schritt 4: veröffentliche deren Hasskommentare und doxe sie (eine geschlossene FB-Gruppe ist natürlich nur dann ein Safe-Space, wenn… ähh, keine Ahnung)
Schritt 5: veröffentliche auch eine Todesdrohung mit Klarnamennennung; ein intelligenter Mensch, der ernsthaft ein Verbrechen plant, wird dieses vermutlich nicht vor Zeugen ankündigen, insbesondere, wenn einer dieser Zeugen das zukünftige Opfer ist, aber ich verstehe den Move
Schritt 6: triff Dich mit den Mensanern beim US-Jahrestreffen
Schritt 6a: stelle fest, dass es auch nicht-recht, nicht-hassende und/oder nicht-bei-Facebook-seiende Mensaner gibt, m/w/d
Schritt 7: tritt wieder aus und mach auch noch ein Podcast über die Erfahrung
Siehe auch die Podcastkritik hier und hier.
Erstmal zu Süddeutschen:
Die dunkle Seite der Mensa
Die Amerikanerin Jamie Loftus war Mitglied im Verein für Hochbegabte und traf auf eine dominante rechte Strömung – Hassattacken inklusive.
Ich denke bei dem Titel an „Die Dunkle Seite der Sonne“. Pratchett-Hardcore-Fans werden den Witzt dahinter verstehen. Außerdem müsste es „Die dunkle Seite von Mensa“ heißen. Und natürlich ist „dominant“ so ein Wieselwort. Ist das Gegenteil von „unterwürfig“ oder von „rezessiv“ gemeint? Oder doch eher „dominierend“, das müsste aber zahlenmäßig belegt sein.
3D-Puzzles und Physik-Witze. Nerdige Brillenträger und holpriger Small Talk.
Ach, Quatsch. Ein paar Leute mit hohem IQ tragen auch Kontaktlinsen. Immer diese Vorurteile.
So in etwa stellt man sich klischeehaft den Verein Mensa für Hochbegabte vor.
Leute, die herumlaufen, dumme Fragen stellen und die Antworten falsch wiedergeben – so stellt man sich Journalisten vor. Aber nur männliche Journalisten, Journalistinnen sind ja viel besser.
Jamie Loftus‘ Erfahrung sieht anders aus.
Es kommt drauf an, wie man sich in einem Verein auch einbringt. Wenn man bspw. in einen Dackelverein eintritt und eine starke Erwartungshaltung dazu hat…
Loftus ist eigentlich Comedian.
Und Comedians können nicht hochintelligent sein, weil…? Ich frage für die ganzen Leute, deren Intelligenz man (nicht) erkannte, weil sie die Klassenclowns waren.
Um Mitglied zu werden, müssen Interessierte einen anerkannten IQ-Test machen und unter die besten zwei Prozent fallen.
Ein kluger Mann wurde mal gefragt, was Zeit ist. Seine Antwort: „Zeit ist das, was eine Uhr misst.“ Und so ähnlich verhält es sich mit dem IQ-Test, nur vergleicht der die Intelligenzleistung einer Person mit der eine Kontrollgruppe. Deshalb sind IQ-Test für eine bestimmte Bevölkerung (mit einer gemeinsamen Sprache und gemeinsamen Allgemeinwissen und Erfahrungen) „geeicht“. Das ist so ähnlich, als würde man „Sportlichkeit“ anhand der Punkte bei den Bundesjugendspielen messen. Keine Ahnung, warum man das nicht macht.
Loftus meldet sich aus Jux bei einem Test an – und besteht.
Das Wort „Witz“ kommt nicht umsonst von „Wissen“.
Sie hält sich deswegen nicht für ein Genie: „Ich bin aufgewachsen mit standardisierten Testformaten, die für Menschen wie mich designt sind.“ Mit Menschen wie sich meint sie gebildete Weiße.
Jein. Je gebildeter man ist, desto besser für solche Test, weil dabei u.a. das Gedächtnis getestet wird. Und ihr Test ist vermutlich für US-Bevölkerung gedacht, und nicht für bspw. die von Botswana. Demzufolge gehört sie nicht zu den 2% der intelligentesten Menschen weltweit, sondern nur zu den intelligentesten US-Bürgern.
In ihrem Podcast geht sie auf die Geschichte von IQ-Tests ein: Gegen die Intention des Erfinders Alfred Binet wurden die Tests von Eugenikern genutzt, um damit ihre „Rassenkunde“ pseudowissenschaftlich zu belegen.
Ja, in Botswana sagen die doch ernsthaft, dass die Sonne Mittags im Norden steht. (Falls wer den Witz nicht versteht – weil es keine komplett kulturneutralen IQ-Tests gibt, sind solche „rassenkundlichen“ Interpretationen selbiger ein Artefakt des Messverfahrens.)
Nach ihrem Eintritt in die Mensa im Juni 2018 erfährt Loftus vom Firehouse. … Dieses Forum ist unmoderiert, es gibt keine Regeln.
Tja, und „hohe Intelligenz“ macht niemanden automatisch zu einen guten Menschen. D’oh!
Im Firehouse stößt Loftus auf den typischen Pro-Trump-Content: … Für einen satirischen Artikel über ihre neue Mensa-Mitgliedschaft erhält Loftus zahlreiche beleidigende Kommentare.
Ich gehe mal davon aus, dass sie nicht beim Test geschummelt hat. Aber klingt „Good News, They Let Dumb Sluts into Mensa Now“ jetzt nach Selbstironie oder nach Selbsthass? Ja, wer sich selbst öffentlich „dumme Schlampe“ nennt, erteilt anderen keine Blankovollmacht, ioi gegenüber beleidigend zu werden, aber hat sie damit gerechnet, sich damit Freunde in ihrem Verein zu machen?
Als sie davon Screenshots veröffentlicht, droht ihr ein Mensa-Mitglied mit dem Tod.
Jaaa, wie im Übermedien-Artikel zu lesen ist, unter Klarnamen. Weil Mensaner bekanntlich nie Probleme damit haben, zwangsgeoutet zu werden. Rechtfertigt natürlich keine Todesdrohungen, aber Todesdrohungen rechtfertigen rückwirkend auch kein übergriffiges Verhalten.
Die American Mensa weist die Vorwürfe zurück. „Obwohl wir gute Debatten lieben, ist es wichtig zu betonen, dass Mensa keine Gewalt oder Gewaltandrohungen hinnimmt“, schreibt die Vorsitzende LaRae Bakerink auf SZ-Anfrage.
Man könnte als beleidigtes Mitglied eines Vereines das Thema bei einer Mitgliederveranstaltung zur Sprache bringen und einen Antrag auf Vereinsausschluss ins Spiel bringen. Jedenfalls nach dt. Vereinsrecht.
Wie man Mitglieder vor Hass aus der Firehouse-Gruppe schützen wolle, auf diese Frage antwortet sie nicht.
Wenn die Gruppe unmoderiert ist und bei Facebook, und nicht in einem vereinsinternem Forum, ist das auch nicht ganz einfach, zumal Mensa nicht verhindern kann, dass sich Mitglieder bei FB treffen. Aber gut, zumindest DAS hätte man der SZ ja sagen können.
Sie trifft sich mit Vorstandsmitgliedern, die von der Existenz der Firehouse-Gruppe wissen, zum Teil selber Mitglied sind.
Nuuuun, das könnte schon eher das Problem sein.
Sie stellt fest, dass die Gruppe, obwohl sie nach ihrer Schätzung nur fünf Prozent der US-Mensianer umfasst, von der Mensa-Leitung finanziell unterstützt wird.
Hier fehlt Kontext – welche Gruppen werden nicht finanziell unterstützt, obwohl sie größer sind? Wie groß ist diese Unterstützung? Und wieso heißen die US-Mensianer? Das heißt Mensaner.
Sie hört als Rechtfertigung immer wieder: „Meinungsfreiheit!“
Das Argument wäre auch für sie selbst zu gebrauchen. Immerhin schreibt sie als Komikerin und/oder Journalistin.
Im Sommer 2019 fährt sie schließlich zum Mensa-Jahrestreffen in Arizona. Dort merkt sie, wie freundlich die meisten Mitglieder tatsächlich sind.
Kunststück, wenn 95% gar nicht bei Firehouse sind. Wie genau hat sie den Test bestanden?
„Ich hatte nicht erwartet, mich mit jemandem wirklich gut zu verstehen“, sagt sie, aber sie sei heute immer noch mit einigen Mensianern befreundet.
Ähm, ja, aber sie nennt sie ja auch „Mensans“, nicht „Mensians“. Es ist so hilfreich, die Eigenbezeichnung der Leute zu verwenden, mit denen man sich verstehen will…
Wie im Internet nahmen sie auch im analogen Raum der Konferenz viel Platz ein, mit eigenen Vorträgen und eigenen Partys. Eine moderierende Instanz, als zum Beispiel bei einem Workshop Sklaverei verharmlost wurde oder sich ein betrunkener Mann öffentlich als Hitler-Fan outete, fehlte komplett.
Weil man intelligenten Menschen zutraut, sich eigene Meinungen zu bilden? Weil intelligente Menschen, denen man das nicht zutraut, in der Regel beleidigt sind? Nur so als Arbeitshypothese.
Loftus‘ Schilderungen zeugen von einem gespaltenen Verein.
Mensa bildet halt trotz Aufnahmetest die Gesellschaft ab. Faszinierend, nicht wahr?
Bedenklich findet sie auch, wie einige der Mensa-Trolls ihr Mobbing damit rechtfertigen, selbst Außenseiter zu sein.
Einerseits ja, wer Mobbingopfer wurde, sollte da deutlich mehr Hemmungen haben. Andererseits, race to the bottom, GO!
Dass Mensa Menschen anzieht, die nach einer Gemeinschaft suchen, kann Loftus nachvollziehen, „aber in einer unmoderierten Facebookgruppe wie Firehouse können sie sich schnell radikalisieren“.
Das hätten sie auch ohne Mensa.
Und schließlich fragt sich Loftus auch, ob ein Verein, der Mitglieder nach ihrem IQ rekrutiert, nicht ohnehin fragwürdig ist.
Na, besser als nach Hautfarbe, Geschlecht oder Einkommen, woll?
„Es ist doch gefährlich, schon Kindern zu sagen, dass sie intelligenter und besser als andere sind.“
Haha. Du dumme Kuh. Du dumme, dumme Kuh. Wenn man einem Kind sagt, dass es intelligenter ist, sagt man ihm nicht automatisch oder implizit, dass es besser ist. Und man sollte es ihm auch nicht explizit sagen, weil das halt nicht stimmt. Aber dann sollte man Kindern auch nicht sagen, dass sie z.B. sportlicher sind als andere oder musikalischer. Auch sollte man keine unterschiedlichen Noten vergeben, weil das ja unvermeidlich impliziert, dass ein Kind intelligenter, fleißiger und/oder sonstwie talentierter ist. Umgekehrt, wenn man einem intelligenten Kind NICHT sagt, dass es intelligenter ist als andere, kommt es zum logischen Schluss, dass sich die anderen Kinder aus Bosheit dumm stellen. yayHey! yayqoq! Klingonisch, ist aber so.
Loftus ist nicht mehr Teil der Mensa.
VON Mensa. („Ach, JETZT ist sie auch noch Mensa-Adel?“)
Vor einem Monat sei demnach in einer Versammlung darüber abgestimmt worden, ob die Firehouse-Gruppe weiterhin unter dem Mensa-Logo stehen solle. Loftus hält das für einen PR-Stunt.
Kann ja sein, aber was anderes sollten die tun?
Immerhin habe die Mehrheit für die Delegitimierung des Firehouse gestimmt, erzählt sie. „Aber es wird intern weiterhin viel gekämpft.“
Weil unterschiedliche Menschen, die alle einen hohen IQ haben, unterschiedliche Meinungen haben und eine Menge Argumente? D’oh!
Und Übermedien
In der ersten Folge wird der Superintelligenten-Club Mensa und seine Geschichte erklärt (und dann direkt entzaubert), die Geschichte von Intelligenztests beleuchtet, die Grundidee des Tests von Alfred Binet vorgestellt und die menschenfeindliche, rassistische Perversion der IQ-Tests wie „The Bell Curve“ benannt
Das ist das Buch hier. Binet hat den IQ tatsächlich eingeführt, um den Entwicklungsfortschritt von Kindern zu messen, was noch was anderes ist als die heutigen Tests. Und, wenn man wollte, könnte man die Tests auch nicht anhand einer Gauß`schen Normalverteilung, sondern die Punkte solange hin-und-herschieben, bis sie aussehen wie eine Riesenschlange, die einen Elefanten verdaut.
die Folgen zwei, drei und vier drehen sich wie in Zeitlupe nun um das jährliche Treffen der US-Mensa-Mitglieder, das Jamie Loftus auch besuchen will – weil oder obwohl sie das wohl meistgehasste Mitglied von Mensa ist.
Hatte eigentlich jemand ihren Ausschluss gefordert? Ja, aber für die Erfahrung wäre das sicher schön.
Die Ironie: Die Hochbegabten unterhalten sich also in einer Facebook-Gruppe, die mehr mit toxischen Messageboards zu tun hat als mit dem Klischee der zivilisierten Nerds aus dem Debattierclub.
Allzeit beachtet, liebe Journalistinnen und Journalisten: Wenn sich Leute nicht verhalten, wie es Euren Vorurteilen entspricht, sind immer die Leute schuld und NIE Eure Vorurteile.
Zeit für sehr nuancierte Eindrücke einer sozialen Gruppe und um das Elitendenken der Mensa-Mitglieder auf die Schippe zu nehmen.
Weil alle Mensa-Mitglieder Elitendenken haben. Es kann natürlich nicht jeder Mensch so ein bescheidenes Selbstbild haben wie ein Komiker. Nur männliche Komiker, natürlich, Komikerinnen haben keinen Grund zur Bescheidenheit.
Trotz aller Subjektivität nimmt sich Jamie Loftus die Zeit und den Raum, die kleinen und großen Widersprüche der Mensa-Mitglieder zu porträtieren.
Ja, hat das Gehirn von der Größe eines Planeten, arbeitet aber als Postbote. *gähn*
Zum Beispiel die Frau mit der Make-America-Great-Again-Kappe, die online Hasskommentare zu Jamie Loftus schreibt, dann offline beim Mitgliedertreffen aber unbedingt ein gemeinsames Selfie haben will, um nach der persönlichen Begegnung Loftus in der Facebook-Gruppe aktiv zu verteidigen.
Von allen Menschen bei Mensa wird hier tatsächlich ein Mensch, der sich ändert, als „widersprüchlich“ gefrämt. Merkt Euch, liebe Kinder, wenn Ihr Eure Meinung zu irgendwas ändert, nachdem Ihr bspw. eine Person, zu der Ihr eine schlechte Meinung hattet, persönlich kennenlernen konntet, und daraufhin Eure Meinung verbessert – das ist kein Beweis von Intelligenz oder der Bereitschaft, vorgefasste Meinungen zu überdenken, dass ist ein „Widerspruch“.
Eigentlich ist der Podcast ein Essay über Elitendenken und geschlossene Gruppen, nicht nur bei Facebook.
Journalistenblase, platz doch einfach.
Darüber, wie viel Dissonanz zwischen einer hassverbreitenden Online-Persönlichkeit und einer vermeintlich netten Offline-Persönlichkeit aushaltbar ist.
Erstens: aushaltbar für wen, die jeweilige Persönlichkeit oder alle anderen? Zweitens, wieso ist die nette Offline-Persönlichkeit nur „vermeintlich“, die hassverbreitende Online-Persönlichkeit aber nicht? Drittens, im Belegbeispiel hat sich später auch die „Online-Persönlichkeit“ geändert – entweder ist das Beispiel scheiße, oder die Interpretation.
Loftus zeigt lauter solche schwer aushaltbaren Widersprüche und fragt nach individueller und kollektiver Verantwortlichkeit. Ein journalistisches Unterfangen.
Oder der Widerspruch zwischen Behauptung und Beleg. Wer ist dafür kollektiv und individuell verantwortlich? Der Autor? Die Redaktion? Die Leserschaft?
Und sie hinterfragt sich selbst, manchmal ernsthaft und manchmal selbstironisch.
Achwas. Sie hinterfragt sich. Welch lobenswertes Vorbild. Andere Komikerinnen/Journalistinnen sollten ihrem Beispiel nacheifern.
Ob Insider-Witze einer sozialen Gruppe automatisch harmlos werden, wenn sich die Insider nur darauf einigen.
Nein. Alle Mensanerinnen und Mensaner sind ein gefährlicher Haufen, sobald eine hinreichend große Zahl von im Journalismus Beschäftigten sich darauf geeinigt hat. So funktioniert unsere Gesellschaft.
Und ganz nebenbei ist „My Year in Mensa“ einfach eine verdammt lustige One-Woman-Show.
Ja. Man stelle sich mal eine hochintelligente Frau vor, die sich permanent über Journalisten lustig macht. Männliche Journalisten, natürlich.
edit: man wird vllt. einwenden, dass zwischen Schritt 1. und Schritt 2. die Schritte: „Schaffe einen IQ von über 130 (entspricht 2 % der Bevölkerung)“ und „Werde Vereinsmitglied“ fehlen, aber das sind ja alles nur Formalien, besonders ersteres.
Die Formulierung ist sowieso ein Schmarrn: wie will jemand »auf eine Strömung treffen«? und wen oder was soll eine »dominante (oder dominierende) Strömung« denn überhaupt »dominieren«, etwa andere (gegenläufige, untergeordnete) »Strömungen«? Ein stilistischer Bockschuss.
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