Eine unliebsame Begegnung auf dem Spielplatz zeigt, dass wir offenbar häufiger über Vaterschaft, Verantwortung und Respekt diskutieren sollten.
Was gibt es da zu diskutieren? Worauf von den dreien sollte man verzichten? Und wer ist „wir“? Und wie oft ist „häufiger“?
Während meine beiden Jüngsten mit ihren Laufrädern um den Sandkasten flitzen, kämpfe ich wie schon so oft in meinem Leben die Gewaltimpulse meiner Jugend nieder.
Komisch, in meiner Jugend hatte ich keinerlei Gewaltimpulse. Richtig wütend wurde ich erst spät im Leben, aber das äußert sich eher anders…
Was stimmt nicht mit dem Mann?
Und wenn mein Gesicht meine innere Stimmung auch nur annähernd widerspiegelt, dann muss es mörderisch aussehen. Mit anderen Worten: Ich habe das dringende Gefühl, jemandem auf die Fresse hauen zu müssen.
Da tippt man sich die Finger fusselig, dass kein Mensch toxisch ist, aber hey! Wenn Pickert von „toxischer Männlichkeit“ spricht, ist das vllt. einfach nur Selbsthass?
Ich hasse dieses Gefühl. Es hat etwas mit Kontrollverlust und Scheitern zu tun, aber es ist eben da und ich muss damit zurecht kommen.
Naja, solange er sich kontrolliert, ist er noch nicht gescheitert. Aber die Spannung, diese unerträgliche Spannung. Was bringt den Mann so in Rage? Zu viel Grün im Blut?
Der Grund dafür ist er. Er hat seinen Sohn in der letzten Stunde zweimal als «Heulsuse» und einmal als «Muschi» bezeichnet. Einmal hat er seinen Kleinen aufgefordert, sich mit anderen Kindern um ein Spielzeug zu raufen und ein paar Mal nicht kommentiert, dass sein Sohn andere mit Sand beworfen hat.
Ah! Würde Pickert, oder würden die anderen beiden Männer, auch mit dem Impuls kämpfen, jemanden ins Gesicht zu schlagen, wenn dieses Gesicht eine Frau gehörte? Und ich will damit keineswegs andeuten, dass sie diesem Impuls dann direkt nachgeben würden, sondern eher, dass sie diesen Impuls – sofern vorhanden – direkt besiegten, yay!
Mittlerweile erklärt er der anscheinend von ihm getrennt lebenden Mutter, die gerade angekommen ist, um ihren Sohn abzuholen, dass «das alles ihre Schuld sei», er «ihn hier stundenlang betreut» und «sie schon sehen wird, was sie davon hat». Das alles vor den Augen und Ohren des Kleinen.
Ja. Offenbar ist der Vater selbst nicht der Ansicht, der beste Vater zu sein. Einer Meinung, der ich mich anschließen würde. Aber von der Gewaltbereitschaft abgesehen, würde eine Mutter, die ihr Kind so erzieht, von Pickert AUCH kritisiert werden? Ich habe meine Zweifel – und keinesfalls, weil ich denke, dass es solche Mütter nicht gäbe.
Inzwischen pulsiert eine gut sichtbare Ader auf der Stirn des glatzköpfigen Vaters neben mir und der andere hat die Fletschzone verlassen und knirscht schwer atmend mit den Zähnen. Ich will lieber nicht wissen, wie ich aussehe.
Und das, liebe Kinder, ist der Grund, warum man Frauen eher nicht für Militär und Polizei einsetzt: Frauen haben keine Werwolfgene. Ehrlich, keine Ahnung, wieso jemand, der geschlechterklischeehaft reagiert wie Pickert, gegen Geschlechterklischees bei anderen kämpft?
Nennen wir die Dinge beim Namen: Es geht um einen beschissenen Vater. Und das ist in vielerlei Hinsicht ein Problem.
Hauptsächlich für das arme Kind. Nebensächlich für die Mutter, vermutlich. Ansonsten… naja, reicht doch.
Das fängt bei der Einschätzung an: Wer bin ich, wer sind wir eigentlich, über diesen Vater zu urteilen, dessen Vaterschaft wir da gerade einmal ausschnitthaft am Rande mitbekommen haben…
Ein spießiger Moralapostel, der gerne über andere urteilt? Aber gut, in dem Punkt stimme ich zu – Gewaltimpulse sind keine Meinung, aber seine Einschätzung zu dieser Vaterschaft ist etwas, dem ich zustimmen würde (wobei, vllt. ist das gar nicht wirklich der Vater…).
Und wer sagt denn, dass ich beim nächsten Spielplatzbesuch, bei dem ich aus irgendwelchen Gründen aus der Haut fahre oder mich als eher mieser Vater ausweise, nicht die gleichen Blicke kassiere wie dieser Typ?
Hmm, Affektkontrolle? Kann Pickert nicht kontrollieren, welche Wörter er zu seinen Kindern sagt? Hat er kein Erziehungskonzept, was darüber hinaus geht? Oder, selbst wenn er aus der Haut fährt, würde er sich nicht sofort entschuldigen? Soviel moralisches Gefälle traue ich ihm doch schon zu.
Überhaupt ist dieses Bewerten der Elternschaft von anderen Leuten und dieses heimliche oder offene sich darüber Erheben wirklich nicht der netteste Charakterzug und eine Anleitung zur Selbstgefälligkeit
Och, solche Sprüche habe ich auch schon kassiert. Für weniger. Zum Glück waren das gar nicht meine Kinder. Hihi.
Allerdings gibt es ein Aber. … Soll ich, sollen wir jetzt ernsthaft aus Sorge davor, jemanden zu Unrecht zu verurteilen oder (wenn auch nur gedanklich) ungebührlich zu nahe zu treten, nicht mehr sagen, was ist?
Käme natürlich auf die Formulierung an. Den Vater vor den Augen und Ohren seines Kindes in die Fresse zu hauen, ist möglicherweise eher suboptimal.
In meiner Welt gibt es viel zu viele Wochenendpapis, die sich nicht an Verabredungen halten, sich wer weiss wie grosszügig vorkommen, weil sie mit ihren Kindern mal ein bisschen Zeit verbringen …
Ja, in meiner auch. Ist jetzt aber so oder so Gruppenhaft – dieser Vater ist nicht schuld an den Fehlern der anderen, und die anderen nicht schuld an dessen. Also, was soll’s?
Die wirklich glauben, dass man ihnen Steine in den Weg legt, weil die eine «Ich möchte mein Kind sehen»-Situation zwischen all den unzähligen «Och, passt gerade nicht»-Momenten vielleicht nicht ganz so reibungslos verläuft.
Uuuuund das ist ein Umkehrfehlschluss – nur, dass einige zu Unrecht glauben, dass man ihnen Steine in den Weg legt, schließt nicht aus, dass andere das zu Recht glauben. Und BEIDES ist schrecklich für die Kinder.
Der Typ lässt gerade alle Väter scheisse aussehen, die sich jeden Tag auf ihre Weise reinhängen, um für ihre Kinder da zu sein.
Nur bei solchen Menschen, die an Gruppenschuld, Sippenhaft, Identitäre Dingsbums und den Ganzen anderen Scheiß glauben. Ernsthaft, selbst, wenn Vater A so ist und Vater B auch so, hat Vater B nichts davon, dass Vater A so ist, und umgekehrt. Die beiden bilden keine Verschwörung, keine Vereinigung, keine sonstwie gelagerte Gruppe, deren Mitglieder einander helfen oder sich sonstwie solidarisieren? Wie kann da solche Guild-by-proxy ethisch gerechtfertigt sein?
Ich bin sauer auf ihn und die beiden Väter neben mir offenbar auch. Sauer, weil Männer wie er aus Vaterschaft immer noch einen schlechten Witz machen.
Und ich bin sauer auf Menschen, die von diesem Vater auf alle schließen. Macht Ihr das mit Belgiern auch so? Mit Juden? Schwulen? Chinesen??? Nein, das wäre rassistisch, judenfeindlich, homosexuellenphob und wieauchimmer Hass auf Belgier heißt.
Sauer, weil mit Jungen immer noch so umgegangen wird und man vorgeblich weibliche Eigenschaften benutzt, um sie abzuwerten, klein zu machen und zu verletzen.
Ja. Wenn das jemand zu ioser Tochter sagen würde, wäre also alles tutti?
Sauer auch, weil es viel zu oft die Mütter sind, die sich der Situation eben nicht entziehen, Präsenz zeigen und viel zu viel schlucken müssen, damit die Kinder nicht leiden.
Nochmal, wenn das eine Mutter wäre, die so oder sonstwie verächtlich mit Kind und Vater spricht, wäre das also etwa gut?
Und Männer so nicht zuletzt eine Situation herstellen, in der grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass es immer genau so ist, und es damit Trennungsvätern erschweren, die sich mehr einbringen wollen und können.
Ach, heul doch. Derselbe Mensch, der „toxische Männlichkeit“ für einen realen Sachverhalt hält, wundert sich darüber, dass man Männern mit Misstrauen begegnet? Derselbe, der weiter oben von irgendwelchen Gewaltimpulsen faselt? DIESER Mensch also hat plötzlich ein Herz für Trennungsväter? Großartig. Nebenbei, wenn Mütter sich also schlecht gegenüber ihren Kindern verhalten, ist das demnach also schon deshalb nicht so schlimm, weil dadurch die Rechte anderer Trennungsmütter nicht gefährdet werden. Logische Konsequenz.
Weil der auf seine Pflichten scheisst, wird es anderen schwerer gemacht, zu ihrem Recht im Umgang mit ihren Kindern zu kommen.
Nö. Weil es Leute gibt, die schwarz fahren, wird es anderen Leuten nicht schwer gemacht, in Busse einzusteigen. Weil es Leute gibt, die Steuern hinterziehen, wird es Leuten nicht schwer gemacht, Steuern zu zahlen. Dass es Vorurteile gegen Männer gibt, liegt nicht nur an Männern die diese bedienen, sondern vor allem an diesen, die sie verbreiten. Und daran, dass Menschen ihre Vorurteile nicht hinterfragen. Aber, ja, schieb’s ruhig auf diesen Mann. DER ist schuld.
Darüber müssen wir sehr viel häufiger reden. Über Vaterschaft. Über Verantwortung, Liebe, Trennungen, Patchwork und Respekt. Ich glaub, ich fang mal mit den beiden Vätern neben mir an. Die sehen nach guten Gesprächspartnern aus.
Erste Regel über den Männer-Club: niemals mit denen außerhalb der Blase reden. Sonst käme man vllt. auch auf die Spur, dass das nicht-automatische Sorgerecht für unverheiratete Väter (!= Trennungsväter) weder Väter bestrafen soll (nagut, ein bisschen) noch Kindern nutzen, sondern Müttern. Erwachsene Frauen sind halt wichtiger als kleine Kinder. Steht im Grundgesetz.
Danke, den Punkt aber, dass die Schuld für Ausgrenzung nicht bei den Vätern liegt, hättest Du stärker rausarbeiten können *nörgel*
LikeLike