Humor ist, wenn man trotzdem lacht…

Meine These: Somuncu kann Deutsche einfach nicht leiden. Keinen und Keine. Weil wir alle humorlos sind. Deshalb zieht er einfach vom Leder. Muss nicht stimmen, aber was soll’s?

Damit will er zeigen, dass Deutsche ein humorloses Volk sind. Mich trifft er damit nicht, denn ich habe nie behauptet, als Individuum oder Kollektiv besonders witzig zu sein, und wenn ihm das nicht gefällt, soll er doch zu den türkischen Frohnaturen ziehen – kennt Ihr den mit dem Türken und dem Kurden, die beide zum Tode verurteilt werden?

Jedenfalls ist klar, dass das nur solche Menschen betrifft, die sich auf dt. Humor irgendetwas einbilden, wie Pickert bspw.; tl,dr: Somuncu ist nicht lustig.

Nein. Satire muss nicht lustig sein, Satire muss keine „legitimen“ Ziele haben, Satire muss bestimmt keine pädagogischen, politischen oder philosophischen Inhalte vermitteln. Sich irgendwo hinstellen und rumschimpfen reicht. Warum? Weil es keine Satirepolizei gibt, die festlegt, was Satire ist und was nicht.

Und da hat er einen Punkt – wer wollte festlegen, was Satire ist und wo sie aufhört? Wo sie nicht mehr witzig ist? Das ist kein Grund. Wo sie die falschen, also illegitimen Ziele hat? Wer legt fest, welche Ziele das seien? Die Ziele selbst etwa? Wo keine politischen, philosophischen oder pädagogischen Inhalte mehr vorkommen? Joah, dafür brauchen wir eine Satirepolizei.

Somuncu feuerte als imaginärer Durchnittsbildleser, später dann als HassistHassprediger und Hassias gegen alles, jeden und jede – vor allem gegen Frauen und Minderheiten, die er kübelweise mit Häme, Spott und Beleidigungen überzog.

Ja, das ist halt Hassismus. Was sonst? Gegentest – würde jemand, der keine Frauen hasst, plötzlich damit anfangen, weil soe jemanden über sie herziehen hört, der sich selbst „Hassias“ nennt? Wenn ja, lasst Brian frei!

Oder ist mal wer Nazi geworden, weil er „SS“, wie er sich abkürzt, dabei zugehört hat, wie er aus „Mein Kampf“ vorgelesen hat? Die Idee, dass jemand nicht aus innerer Überzeugung oder meinetwegen einschlägiger Erziehung Nazi wird, sondern einfach nur vom Zuhören, ist SO abwegig – wenn die wahr wäre, sollte man das Wahlrecht besser ganz abschaffen. Leute werden Nazis vom bloßen zugehört haben.

Stets mit dem Hinweis darauf, dass er eine Rolle spiele und Kunst auch immer als Zumutung an das Publikum gemeint sein müsse, weil sie sonst viel zu harmlos, ungefährlich und wohlfeil wäre.

Nö. Warum sollte ich Geld ausgeben, um mich oder andere von jemanden beschimpfen zu lassen, wenn ich fürs halbe Geld jemanden finde, der mir in die Eier tritt? Das Missverständnis, was Pickert u.a. hier machen, ist aber die Fehleinschätzung, dass die Leute, die SS mögen, ihn mögen, weil er „Tunte“ sagt und sie selbst sich das nicht trauen, obwohl sie Homosexuelle hassen. Die, die Homosexuelle hassen, trauen sich auch, „Tunte“ zu sagen. Die kennen genug andere Schwulenhasser, mit denen sie Tunte und andere Schimpfwörter austauschen können. Die brauchen dafür SS nicht.

Aber Kunst sollte sich immer besser rechtfertigen müssen als damit “dass man das darf” oder dass sie provokant ist.

Eigentlich sollte Kunst sich überhaupt nicht rechtfertigen müssen. Wenn Pickert oder sonstwer der Ansicht ist, SS würde gegen Gesetze verstoßen, soll soe das bitte zur Anzeige bringen. Oder, wenn es Gesetze geben sollte, ja, bitteschön, Antrag stellen. Sonst ist die Kritik nämlich wohlfeiler als die Kunst selbst.

Deutsche Comedy (oder auch Kabarett) – und das schließt Somuncu ausdrücklich mit ein – ist viel zu oft nur noch Mittelteil, in dem aber fortwährend behauptet wird, die Pointe käme gleich.

Joah, also der mit dem Kurden und dem Türken geht so: beide haben vor ihrer Hinrichtung noch einen letzten Wunsch frei. Sagt der Kurde also: „Ich möchte noch einmal meine Mutter sehen.“

Deutsche Comedy ist häufig eine Ansammlung von Pointen, die mit Ressentiments, abwertenden Zuspitzungen und diskrimierenden Punchlines arbeitet, aber permanent so tut, als wäre sie der Mittelteil.

Also das Gegenteil von „Mittelteile ohne Pointen“: „Pointen ohne Mittelteile“; aber ersteres ist richtig: wenn SS über untervögelte Feministinnen spricht, die mangels Sex schlecht auf Männer zu sprechen ist, könnte man annehmen, dass gleich die Pointe kommt: „Genauso reden Feministinnen ja auch über Incels.“

Als käme der eigentliche Witz erst noch.

Ja, sach ich doch.

Das Doppelbödige, der Hintersinn, die Ironie und die Auflösung des Ganzen.

Pickert möchte also, dass gesagt wird, wie der Witz zu verstehen sei. Nö. Das ist betreutes Denken. Beim Umweltsaulied gibt’s die Interpretation, dass nicht Oma, sondern FfF die sind, über die hergezogen wird. Klar hat Pickert das Recht, SS als Hassisten zu sehen, der einen Hassisten nicht nur darstellt, sondern einer ist. Aber es gibt keinen Rechtsanspruch auf Hintersinn.

Als steckte hinter der angeblichen oder tatsächlichen Kunstfigur oder der Rolle wirklich ein Mensch mit dem Plan, “der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten”.

Ekel Alfred oder Al Bundy sind Kunstfiguren und überzogen, aber nicht direkt ironisch. Sie geben Vorurteile wieder, die „die“ Gesellschaft, also relativ relavante Teile davon, wirklich hat. Es werden in den jeweiligen Serien diese Vorurteile auch nicht immer direkt widerlegt. So dass jemand, der diese Vorurteile tatsächlich hat, sich mit Alfred und Al verbunden fühlt, anstatt sich widerlegt zu sehen. Das ist ein gewisses „Risiko“, jedenfalls, wenn man Kunst als Erwachsenenpädagogik begreift. Aber dennoch, die Figuren spiegeln die Gesellschaft, also hier jetzt kleinbürgerliche Spießer.

Aber es kommt nichts. Die Frage bleibt, wem da eigentlich der Spiegel vorgehalten werden soll und wieso?

Ich sach mal so, die Mona Lisa ist nicht notwendigerweise für Mona Lisa gemalt worden. Wenn man sich in SS nicht wiedererkennt, ist das eben so, aber bei der Mona Lisa fragt ja auch keiner, welche Gesellschaft die jetzt wiedergeben soll.

Was ist denn die Behauptung, die These, für die hier maximal (und übrigens öffentlich) rechtlich beleidigt wird?

Dass Deutsche humorlose Spießer sind? Frauen und Schwule inklusive? Wie gesagt, ist keine besonders brilliante oder neue Erkenntnis, aber die Höhlenmalereien von Lascoux sind auch Kunst.

Dass es Menschen gibt, die sich über rassistische, sexistische und antisemitische Abwertungen aufregen, in Wut und Verzweiflung geraten und sich diese nicht bieten lassen wollen?

Dann wird der Türke nach seinem letzten Wunsch gefragt. Er antwortet: „Ich will, dass der Kurde seine Mutter nicht sieht.“

Oder etwa, dass es in unserer Gesellschaft immer noch viel zu viele Menschen gibt, die genau so etwas sagen und denken, ohne dabei eine Rolle zu spielen. Ja wow, wer hätte das gedacht.

Sorry, DAS ist kein Kriterium. Bzw., ich vermute, dass Pickert nicht ganz davon überzeugt ist, dass SS da eine Rolle spielt (also, Bühnenrolle jetzt), aber ein Bild von einem Regenbogen ist auch Kunst, obwohl alle wissen, wie Regenbögen aussehen.

Wahrscheinlicher ist eher, dass irgendwann einmal hehre künstlerische Motive eine Rolle gespielt haben, aber inzwischen nur noch Provokation um ihrer selbst willen betrieben wird.

Ja, wahre Kunst ist brotlos. Wenn man damit noch zu Lebzeiten Erfolg hat, ist es nicht mehr brotlos und daher keine richtige Kunst mehr. Merke: professionelle, lebensunterhaltender Broterwerb fällt nicht mehr unter die Kunstfreiheit.

In Somuncus Fall sind die Leute nicht in seine Shows gekommen, um durch die vorgeblich angebotenen Metaebenen navigieren und mit ihren eigenen Vorurteilen konfrontiert zu werden, sondern um einfach mal jemanden so richtig über Frauen und Minderheiten vom Leder ziehen zu sehen.

Ich weiß ja nicht. Das wären ja die, die einfach zu verklemmt sind, „Tunte“ zu sagen. Nicht die, die homosexuellen Menschen im Dunkeln auflauern.

Für diesen tatsächlichen Plan hat die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz sehr präzise Formulierungen. Sie spricht davon, dass Menschen sich “hochcanceln” oder “auf die Bühne canceln lassen”.

Ja, dann hört doch auf damit. Niemand zwingt Euch, Eckhart auszuladen. Niemand zwingt Euch, gegen SS anzuschrei(b)en. Boykottiert sie mit Nichtbeachtung. Ob Hochcanceln der Plan ist, weiß ich nicht, aber wenn der aufgeht, liegt das nicht an denen.

das sind alles Beispiele für Personen, die entweder für eine begrenzte Zeit oder vollständig ihren eigentlichen Job als Comedian gegen den des Edgelords tauschen.

Tja, liebe Kinder, Edgelord ist kein richtiger Beruf in D., aber „Comedian(m/w/d)“ oder „Kabarettist(m/w/d)“ schon, also hat man sich an die Vorgaben der zuständigen Berufsordnung zu halten, sonst verliert man seine Zulassung, in D. Witze reißen zu dürfen. Mangels Humor sind Witze in D. nur unter harten Auflagen erlaubt. SS

beschimpft “ungefickte Feministinnen” und flüchtet sich wie andere auch in “viele Ebenen” und “eine Rolle”, damit das Publikum die Arbeit leisten soll, zu unterscheiden was er meint und was nicht.

Ja, D. ist halt kein Dienstleistungsland. Dem Kunden einfach die Arbeit abzunehmen – und zwar die härteste: Denkarbeit – kommt SS einfach nicht in den Sinn. Wenn SS eine Dönerbude betreiben würde, käme Pickert mit der Beschwerde, dass sein Gyros nicht püriert wurde und er es selber kauen muss. Antwort SS: „Ess es. ESS ES!“ Böser SS. Achnein, er kaut es sogar doch vor:

Er will herausstellen, dass die, die “so oft Toleranz fordern selbst oft intolerant reagieren“.

Angenommen, nur hypothetisch und als Diskussionsgrundlage, dass das jetzt keine Alibi-Ausrede ist, um „ungefickt“ zu sagen. Dann wäre SS der Ansicht, dass viele Toleranzfordernde intolerant wären. Gäbe es zumindest Teile der Gesellschaft, auf die dergleichen zuträfe? Hmmmm…

Aber das ist nur der Versuch die eigene künstlerische Faulheit anderen anzulasten und löst jede Substanz in einer Lauge der Ironie und Uneigentlichkeit auf.

Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Pickert sich hierin tatsächlich erkennt, aber sich wohlweißlich dummstellt. Es besteht aber tatsächlich die Möglichkeit, dass er sich ehrlich nicht erkennt. Aber in jedem Fall zeugt es von einem extrem funktionalem, selbstsüchtigen und plumpen Kunstbegriff. SS ist nicht lustig. Ok. SS biedert sich an schwulenhassende Rassisten an. Ok. SS macht geistloserweise seit Jahren dieselbe Nummer. Ok. SS versucht, „cancel culture“ für sich zu monetarisieren, was nicht der Sinn von „cancel culture“ ist. Ok. Alles Kritikpunkte, die legitim sind; keine Ahnung, ob sie zutreffen, aber wo sie zutreffen, ist die Kritik berechtigt, und wo nicht, ist zumindest der Verdacht – „SS doch nicht komisch?“ – begründet. Aber zu fordern, man solle als Publikum die Absicht oder den Sinn von Kunst erklärt bekommen – und dann noch diese Erklärung nicht akzeptieren, weil sie einem/r nicht gefällt – ist nur noch dummdreist. Dafür ist Kunst nicht da.

Was bleibt ist die künstlerische Selbstüberschätzung eines Mannes, der nicht einsehen will, dass seine billigen Provokation Minderheiten zum Mittel für einen Zweck degradieren, der sich selbst genügt,

Wenn die richtigen Minderheiten degradiert werden – hallo Gilette – stört es Pickert ja auch nicht. Man kann SS‘ Selbstinterpretation ja auch kritisieren, z.B. dahingehend, dass manche Dinge/Personen/Minderheiten weniger Toleranz verdienen als andere, so dass die mangelnde Toleranz nicht zwangsläufig Doppelmoral ist. Bzw., vllt. auch trotzdem, aber dazu müsste Pickert sich erstmal hinstellen und Sachen sagen wie: „Ich toleriere keine Sexlosigkeits-Witze über Frauen, aber dieselben über Männer schon, weil Männer ohne Sex einfach lustiger sind.“ Das würde ihn aber angreifbar machen, weil er dann ja der Teil der Gesellschaft im „Spiegel der Kunst“ wäre.

hochriskant daherkommt und absolut nichts riskiert.

Ah, wenn SS nicht mehr unter Polizeischutz steht, hat er also was falsch gemacht? Böser SS.

Was bleibt sind rassistische, sexistische und homofeindliche Abwertungen im Namen einer fiktiven Metaebene

Was für eine Metaebene wäre nicht fiktiv? Man muss sich keine Metaebene zu eigen machen, man muss sich keine sexistischen, rassistischen oder momosexuellenfeindlichen Abwertungen zu eigen machen. Oder für die Todesstrafe sein, weil man einen Witz darüber liest. Wenn Pickert einfach geschrieben hätte: „Ich vermute, der meinte das alles ernst, weil 1., 2., 3., …“ hätte ich für heute kein Thema. (Oder das von morgen.)

in einer Gesellschaft, in der Menschen jeden Tag rassistisch, sexistisch und homofeindlich abgewertet werden.

Der Witz über den Kurden und den Türken ist also deshalb lustig, weil er nicht stimmt: Kurden kriegen in der Türkei keinen letzten Wunsch vor der Hinrichtung. Muss man wissen.

Allzeit beachte: Tod allen Hühnern!

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