Blade Runner I+II

Weil es letztens um Villeneuve ging:

Blade Runner 2049 (nicht II), wie die Fortsetzung heißt, war schon ein schöner Film, leider fehlte mir das, was mir an Blade Runner (im folgenden BRI) am besten gefiel. Und der Weltenbau der Fortsetzung (BRII) ist nicht durchdacht, aber davon ganz ab.

Erstens, in BRI gibt es eine gelungene Art, das Gut-Böse-Schema zu durchbrechen. Die Replikanten sind vllt. nicht ganz menschlich, aber menschlich genug, um Mitleid zu erzeugen. Insbesondere wird man als Zuschaueremwede die Frage stellen, ob es nicht ungerecht ist, Replikanten als Arbeitssklaven, Sexroboter und/oder Kanonenfutter zu verwenden. Andererseits auch als Menschen ist die Gruppe um Roy Batty (Rutger Hauer) immer noch eine gefährliche terroristische Vereinigung, und wenn Rick Deckard (Harrison Ford) versucht, sie zu eliminieren, ist das schon noch im Rahmen legitimer Verhältnismäßigkeit begründbar.

Zweitens, es gibt keine richtige Einigung zwischen Ford und Regisseur Ridley Scott, ob Deckard selbst ein Replikant ist (Scott) oder nicht (Ford).

Normalerweise wäre es ein ganz schlechtes Zeichen, wenn Regie und Hauptdarsteller sich in so einer wichtigen Frage uneins sind, aber hier macht das den Film besser, weil man sich einerseits als Publikum selber Gedanken machen kann, anstatt alles vorgekaut zu kriegen, und andererseits, wenn die Frage nach Deckards Menschlichkeit den Film nicht kaputt macht, ist sie vllt. gar nicht soooo wichtig. Krass!

Es gibt sogar VIER Möglichkeiten:

  • Deckard ist ein Mensch und weiß das auch
  • Deckard ist ein Replikant und weiß das auch (offenbar ein Modell mit weniger Kraft und Widerstandsfähigkeit, aber es müsste auch einen Deal gegeben haben, weil Replikanten normalerweise nicht auf der Erde bleiben dürfen – er ist eine harmlosere Replikantenversion, die andere Replikanten jagt und dafür in Ruhe gelassen wird. Kanonenfutter halt.)
  • Deckard ist ein Replikant und weiß das NICHT (kommt aber gegen Ende des Filmes dahinter)
  • Deckard ist ein Mensch, bekommt aber ernsthafte Zweifel daran

Mir sind die Versionen als Mensch lieber, rein aus dem Grunde, weil so das Ende schöner ist.

Der Endkampf geht so: Batty erfährt, dass sein eigentliches Ziel praktisch unerreichbar ist. Alle seine Kameraden sind tot. Seine eigene Lebenszeit bemisst sich in Minuten. Aber Deckard, den Blade Runner, kann er noch mitnehmen, bevor es zu Ende ist. Also spielt er ein etwas unnötig sadistisches Katz-und-Maus-Spiel mit ihm, wenn man bedenkt, dass Zeit nicht gerade auf Battys Seite ist, aber Replikanten haben auch Gefühle. Ziemlich schwarze in dem Fall, aber immerhin – man kann annehmen, dass Batty ungefähr einschätzen kann, wie viel Zeit ihm noch bleibt, und außerdem hat er ja sonst nichts mehr vor.

Normalerweise ist das jetzt die Situation, in der der kämpferisch deutlich unterlegene Deckard entweder eine Möglichkeit findet, Batty auszutricksen, oder einfach lange genug durchzuhalten, bis Batty von alleine stirbt. Batty seinerseits könnte jederzeit „Schluss mit lustig“ sagen und Deckard besiegen. (Achso: Spoiler voraus!)

Aber am Ende, als Deckard über einer Häuserschlucht hängt, sich ums liebe Leben an einem regennassen Stahlträger festhält und – wenn man etwas wartet – gleich von alleine stirbt, denkt Batty an sein Leben zurück und findet, dass es zwar leider viel zu kurz war, aber nicht völlig erbärmlich, dass er auch schöne Dinge erlebt hat (googelt Tannhäuser Tor), und in dieser Erkenntnis ist er mit der Welt versöhnt und verschont Deckert nicht nur, sondern rettet ihm sogar das Leben, als letzte Tat, bevor er stirbt. Es ist wirklich eine schöne, traurige Szene. Es ist hier Batty Charakterbogen, der sich zu Ende neigt, aber Deckard zieht daraus auch die Konsequenz, seinen Beruf an den Nagel zu hängen und mit seiner Replikantenfreundin – die auch nur noch wenige Jahre zu leben hat – ein neues Leben zu beginnen. Merke: Replikant oder nicht, das Leben ist zu kurz für einen Job, den man hasst.

So, und das Ende ist einfach am schönsten, wenn Deckard ein Mensch ist, sonst hat es mehr von „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.“ Jetzt auch keine unplausibele Erklärung oder abwegige Botschaft, aber die andere gefällt mir halt besser.

Im Unterschied dazu BRII: Officer K (Ryan Gosling) wird als Replikant eingeführt. In dieser Zeit sind Replikanten leicht von Menschen unterscheidbar. Einzig Deckards Status wird nicht eindeutig geklärt – was schön ist – aber sonst ist recht klar, wer was ist, wer auf welcher Seite steht, und Gut und Böse sind auch nicht annähernd unscharf. Jedenfalls die Hauptschurken sind rücksichtslos brutal. Es hätte sich angeboten, dass die Replikanten in zwei Fraktionen – Rebellen und Blade Runner – aufgeteilt wären, und DAS wäre der Hauptkonflikt, aber nö. Ich hatte auch mittendrin die Vermutung, dass Officer Ks Erinnerungen gezielt ALLEN Blade-Runner-Replikanten eingepflanzt wurden, um die durch einen implantierten Interessenskonflikt zu manipulieren, sobal die auf die Spur des Kindes kommen. Auch nö. (Sorry für Antis-Spoiler)

Der andere Fehler ist aber – wenn K kein Mensch ist und keine menschlichen Rechte hat; wem gehört er dann? Der Polizei, für die er arbeitet? Oder der Company, die ihn vermietet? Wieso hat er eine Wohnung statt einer Unterkunft bei der Polizei? Zahlt er die Miete? Kriegt er Gehalt? Gibt es kein Replikanten-Ghetto? Und dann noch Joi, seine Holo-Frau. Ja, in der Zukunft gibt’s für Jungesellen in engen Zweieinhalb–Zimmer-Wohnungen Holoprojektionen mit künstlicher Intelligenz. Die wie Frauen aussehen (andere Geschlechter vermutlich auch). Okee.

Aber jetzt wird die Eigentumsfrage nochmal komplizierter – vermutlich hat er das Programm und die Holoausstattung gekauft. Das heißt, er hat mehr Geld zur Verfügung, als für seine unmittelbaren Bedürfnisse nötig sind. Warum? Replikanten benötigen vermutlich Essen, Trinken, Kleidung mehr aus Rücksicht. Sie könnten leicht so konstruiert werden, dass sie jedes irdische Wetter überleben. Sie haben vermutlich keinerlei Krankheiten. Sie müssen nicht für die Rente sparen. D.h., alle Ausgaben für Dinge, die K benötigt, und die ihm nicht einfach direkt gegeben werden, sind fix – wieso hat er Geld für Joi? Und das wird NOCH eine Stufe weitergedreht – Joi bestellt für K eine Replikantenprostituierte. Gute Nachricht – Frauenunterdrückung wird komplett auf Replikantenunterdrückung ausgelagert. Schlechte Nachricht – das ist Genderama meets Douglas Adams.

Also, es wäre schön, wenn es das wäre. Ein Replikant, dessen Menschlichkeit zur Debatte steht, der aber im Kontext dieser Welt eigentlich keine Rechte hat, hat anscheinend Geld und ist außerdem rechtsfähig, denn er kann es ausgeben. Also hat er mehr Rechte als bspw. ein Haustier. Sein Hologram – eine Software – ist aber sogar SELBST geschäftsfähig. Und jetzt kenne ich mich mit dem Rotlichtmilieu nicht SO aus, aber hat die im Voraus bezahlt, oder wie ist der Deal zustandegekommen? Angenommen, mein Kühlschrank würde in meinem Namen etwas bestellen, könnte ich die Annahme der Leistung nicht verweigern mit der Begründung, dass die Kühlschranksoftware ein Virus hat? Vor allem, wird die Prostituierte mit Jois Geld bezahlt – wenn ja, warum und woher hat DIE welches – oder mit Ks Geld? In welchem letzteren Fall der Dreier eigentlich kein Geschenk ist. Und jetzt ist Rechtslosigkeit historisch gesehen ein weites Feld, von Sklaven der alten Römer, die sich freikaufen konnten, über Leibeigene und Hörige des Mittelalters und ähnlicher Epochen bis zu Menschen, die einfach kein Wahlrecht haben. Aber eigentlich müssten Replikanten komplett rechtlos sein. Warum sollte man bspw. sie geschäftsfähig machen, aber erlauben, sie zu töten?

Und ja, dass Replikanten ein Geschlecht und sexuelle Fähigkeiten haben, ergibt sich vor dem Hintergrund – Arbeitssklaven, Sexroboter, Kanonenfutter – irgendwie schon. Aber dass rechtlose Maschinen Geld verdienen und für Sex ausgeben, haut mich extrem aus der Immersion raus. Und dieses Problem ergibt sich bei BRI nicht. Also grundsätzlich nicht, wenn man Deckard für einen Menschen hält, und höchstens am Rande, wenn man ihn für einen Replikanten hält, weil der sein Geld hauptsächlich für Ermittlungsarbeit raushaut und außerdem für die Allgemeinheit als Mensch auftreten muss/soll, und daher Geld für Menschenkram braucht.

Was würden die Leute im Duniversum dazu sagen? „Du sollst keine Maschine nach Deinem geistigen Ebenbild erschaffen!“ – „Oh, mein Gott, sie haben Chani repliziert!“ – „Die Schweine!“

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