Stealthing

Ist natürlich zu verurteilen. Aber nur als Vergewaltigung, sagt das Juristenfachmagazin ze:tt.

Und da bin ich sofort dabei, wenn das auch für die umgekehrte Situation gilt. Also Frau sagt Mann, er bräuchte kein Kondom, und dann erfährt er, dass sie nicht verhütet. Schon aus Symmetriegründen.

Kürzlich wurde am Kammergericht Berlin ein wegweisendes Urteil gefällt: Ein heute 38-jähriger Bundespolizist wurde wegen eines sexuellen Übergriffs zu einer Bewährungsstrafe und Schmerzensgeld verurteilt.

Wohlgemerkt, nicht wegen Vergewaltigung. Es gibt auch den umgekehrten Fall, der gerichtsanhängig ist.

Die Reaktionen kommen prompt, oft von männlicher Seite: Es hätten ja beide dem Sex an sich zugestimmt. Sei es da nicht nur eine Lappalie, ob nun mit Kondom oder nicht? Vielmehr gehe es doch um praktische Gefahren, wie die Angst vor Geschlechtskrankheiten oder die Möglichkeit einer ungewollten Schwangerschaft.

Ja, insofern sehe ich die Argumentation ein – eine Frau stimmt Sex unter der Bedingung zu, dass ein Kondom verwendet wird. Es ist evident, dass sie andernfalls nicht zugestimmt hätte, eben um die Konsequenzen zu verhindern, die andernfalls eintreten können. (Das ist z.B. ein Unterschied dazu, dass er wahrheitswidrigerweise erzählt, er wäre Elvis Urenkel oder so, aber weil das eine Lüge war, und sie sonst NIE mit ihm geschlafen hätte, sei das jetzt nicht-einvernehmlicher Sex gewesen.)

Streift der Sexualpartner heimlich ohne Wissen seiner Partnerin das Kondom ab, entmündigt er sie in diesem Moment und darüber hinaus.

Entmündigt ist vllt. nicht das richtige Wort, aber ja, er verursacht ihr potentielle und tatsächliche Probleme und Stress, den sie andernfalls nicht gehabt hätte und den sie sicher nicht wollte.

Kommuniziert wird: „Meine Entscheidung ist mehr wert als deine.“

Eigentlich mehr: Deine Interessen interessieren micht nicht. Aber ok.

In eine Situation der Lust und Intimität tritt mit einer Handbewegung Verrat und Gewalt, mit möglichen erheblichen Konsequenzen.

Eigentlich könnte sie bei „Verrat“ aufhören. Gewalt im eigentlichen Sinne ist es nicht, aber – um das abzukürzen – Vergewaltigung muss nicht notwendigerweise auf Gewalt basieren:

„Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt“

So.

Es ist eine Mär, dass die Frau doch eigentlich wolle und sich nur ziere. Es ist ein Mythos, dass Frauen Nein sagen, aber Ja meinen.

Im Zuge der Einführung effektiver Verhütungsmethoden und Geschlechtskrankheitenvorsorge sind mindestens zwei Gründe, aus denen Frauen „Nein“ sagten, obwohl sie prinzipiell interessiert waren, weggefallen. Jetzt müsste man sie nur nutzen.

Davon profitieren vor allem die Täter. So geben wir ihnen fälschlicherweise zu verstehen, die Tat sei wirklich nicht so schlimm gewesen.

Ok, wie häufig kommt das eigentlich vor? Es wird Dunkelziffern u.ä. geben, aber ist das eine Randerscheinung, oder macht das jeder dritte? Jeder zweite?

Dabei wäre es an der Zeit, dass wir unseren Fokus und unser Mitgefühl den Opfern widmen.

Ihr richtet Euren Fokus und Euer Mitgefühl doch immer auf die Opfer. Sofern sie weiblich sind, natürlich.

Also, wenn eine Frau einen Mann unter Vortäuschung falscher Tatsachen – sie hätte keine Geschlechtskrankheit und würde eine Form von Schwangerschaftsverhütung praktizieren – einen Mann zum Sex ohne Kondom überredet, ist das genau das gleiche. Obiger Artikel (und diverse Menschen auf Twitter) stellt nicht darauf ab, dass die befürchteten Konsequenzen – Schwangerschaft und/oder Geschlechtskrankheit – tatsächlich auftreten, denn das ist: Geschlechtsverkehr gegen den erkennbaren Willen der anderen Person.

Verärgert werden die Kosten für die Pille Danach und einen HIV-Test bezahlt, aber das Unbehagen bleibt. Der Verrat auch.

Tja. Und im Zweifelsfalle Unterhalt. Und der Verrat ist genau dergleiche, also, wenn das EINE Vergewaltigung ist – Sex unter nicht einvernehmlichen Bedingungen – dann das andere auch.