Weil – im Zuge einer schon recht fragwürdigen Aktion mit „Wetten, dass“ und der Augsburger Puppenkiste, bei der Leute für die Publikumswette sich u.a. als Jim Knopf verkleiden sollten, indem sie sich u.a. Ruß – aka Dreck – in Gesicht schmierten. Mal vom Umstand abgesehen, dass Lukas werktags auch Ruß im Gesicht hat und Jim demnach anders geschminkt sein müsste (oder zusätzlich zu schwarzer Schminke noch Ruß haben müsste), den Punkt erkenne ich an: auch, wenn Verkleidungen nicht per se abwertend sind, manche Verkleidungen sind es schon. Oder allgemeiner: nur, weil nicht jede Sache, die Weiße tun, rassistische Mikroaggressionen sind, heißt das ja nicht, dass das keine sind. Und dann kommt diese Schlagzeile:
„Jim Knopf wird leider noch oft gelesen“
Oh nein, wie schrecklich. Nicht Jim Knopf, verdammt! Hört sofort auf damit! Weil Jim Knopf genauso böse ist wie Killerspiele. Die ganzen Erzieherinnen und Erzieher (danke an die Quote!):
Vorher haben sie gedacht: Ach, damit bin ich selbst groß geworden, so schlimm kann das nicht sein. Und dann wachen sie auf.
Ja, wenn die davon rassistisch geworden sind, warum sollten die jetzt was gegen Rassismus tun? Oder umgekehrt, wenn die jetzt was gegen Rassisimus tun, ist das kein Beweis, dass sie nicht rassistisch geworden sind?
Viele Bilderbücher transportieren unbewusst Klischees und damit Rassismus. Kinder, die von Rassismus betroffen sind, identifizieren sich damit und weiße Kinder wachsen mit dieser Einstellung unbewusst auf.
Okeee, es gibt bestimmt Bilderbücher, die mehr oder weniger. Aber erstens ist Jim Knopf aber – trotz der zahlreichen Bilder – in erster Linie ein Buch zum Lesen/Vorlesen. Und zweitens: ausgerechnet Jim Knopf? Ein Buch mit einer schwarzen Hauptfigur soll rassistisch sein? Ok, alles klar, nur noch Bücher mit Weißen als Hauptfiguren. Und nein, Überschrift und Bilder sind kein Fehler der Zeit, sondern werden so vorgegeben:
ZEIT ONLINE: Welche Bücher sind es in den Kitas, die ins Altpapier müssen?
Kassama:Jim Knopf wird leider noch oft gelesen. Jim Knopf reproduziert viele Klischees, zum angeblich typischen Wesen und Äußeren von Schwarzen.
Die Suggestivfrage ist ja schon nicht schlecht – natürlich ist es umweltfreundlicher, Bücher nicht zu verbrennen. Aber Jim Knopf, nicht Pippi Langstrumpf oder Fünf Freunde im geheimen Nazistützpunkt ist das Problem.
Jim Knopf ist so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, schwarzes Kind vorstellen.
Also genau so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, weißes Kind vorstellen, etwa? Krass. Man könnte meinen, dass sich schwarze und weiße Kinde nicht weiter unterscheiden, von der Hautfarbe abgesehen.
Auch Pippi Langstrumpf liegt als Buch fast in jeder Kita.
Ah, jetzt, ja.
ZEIT ONLINE: Pippi Langstrumpf, die Heldin von Generationen von Kindern, gehört entsorgt?
Ich bin ja SOOO stolz auf meine Mutter, dass die die Langstrumpfgeschichten doof fand und sie mir nicht vorgelesen hat.
Kassama: Der Vater von Pippi erzählt von den Ländern, die er bereist hat. Zu jedem Land weiß er eine komische Eigenart. Am Ende zieht er diese Klischees lachend zurück, bloß das Klischee vom Kongo nicht und deshalb bleibt hängen: Im Kongo lügen die Menschen.
Oh, ja, wer dreimal lügt, dem glaubt man doch. Und zwei Mal drei ist vier, widdewiddewit…
Oh-Der, Familie Langstrumpf hat selbst ein etwas gespanntes Verhältnis zur Wirklichkeit. Nebenbei ist Pippi so, wie man sich gemeinhin Rothaarige vorstellt: unangepasst, wild, mit übermenschlichen Kräften und sonstigen Verhaltensauffälligkeiten. Wie quasi jede andere rothaarige literarische Gestalt seit Erfindung der Schrift. Beschwert sich da jemand? („Doch, die Rothaarigen!“)
Genau das bleibt auch bei den Kindern hängen, die das vorgelesen kriegen.
Ok, selbst ganz kleine Kinder kennen den Unterschied zwischen „in Spiel“ und „in echt“. Ein bisschen Feintuning, was das Verständnis des einzelnen Kindes betrifft, mal vorausgesetzt, gibt es kein Problem. Andernfalls würde das KiTa-Personal an der Stelle doch sagen: „Wieso, die Leute im Kongo lügen doch wirklich alle.“
In vielen Kitas gibt es auch ein Bilderbuch, das verschiedene Kita-Situationen zeigt. Auf den Seiten ist ein schwarzes Kind abgebildet, deshalb könnte man meinen: Schau, ist doch divers, ist doch gut. Denken viele Pädagogen auch. Aber wenn man richtig hinschaut, sieht man, dass der schwarze Junge unvorteilhaft dargestellt wird:
Ok, DAS sehe ich als Argument. Davon wird beim Personal ein gewisses Vorurteil geschürt. Was hat das jetzt mit Jim Knopf zu tun?
ZEIT ONLINE: Was ist noch zu beanstanden?
Kassama: Das Liedgut. Drei Chinesen auf dem Kontrabass, um ein Beispiel zu nennen.
Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten – betreiben racial profiling, um eine ostasiatische Musikgruppe zu kontrollieren, die kulturelle Aneignung an europäischer Musikkultur betreibt. Bisschen viel Ambivalenz für so ein Quatschlied. Oder, das spielt in China, dann ist das natürlich die ruhmreiche Volkspolizei, die die Überfremdung der Volksrepublik China mit westlich-kapitalistischer Propaganda verhindert.
Oder Der Katzentatzentanz, ein Lied, in dem es darum geht, dass eine Katze tanzen will, aber alle Tiere, die sich ihr anbieten, ablehnt, weil sie einen Makel findet, der Igel sei zum Beispiel zu stachelig.
Ja, aber wenn die Katze mit allen tanzen würde, wäre das doch die Aussage, dass Frauen verfügbar zu sein haben, ungeachtet der eigenen Vorlieben?
In dem Lied drückt sich eine Mehrheitsgesellschaft aus, die entscheidet, wer stachelig ist und wer nicht, wer mittanzen darf und wer nicht.
Naja, eigentlich sind Kater und Katze keine Mehrheit und somit keine Mehrheitsgesellschaft. Und noch eigentlicher sagt niemand der Katze, mit wem sie tanzen soll und mit wem nicht. Das ist einfach eine Interpretation vom Ende her: Wenn ich das rassistisch interpretieren will, kriege ich dafür auch Argumente konstruiert.
Was meinen Sie, wie viele Erzieher es gibt, die behaupten, sie seien sensibel und aufgeklärt, und dann kommt die schwarze Mutter in die Kita, mit kunstvoll verflochtenen Haaren, und die Erzieherin greift der in die Frisur und sagt: Wow, sieht toll aus.
Ja, das sind so die WTF-Momente. Das liegt aber daran, dass manche Menschen keine Erziehung haben, nicht nur keine anti-rassistische, sondern NULL, und deshalb am allerwenigsten Erziehungsarbeit verrichten sollten. Und ja, Papier ist geduldig, aber sowas liegt nicht an Bilderbüchern. Was meinen Sie, wie viele Erzieherinnen(m/w/d) sagen, dass sie Kinder lieben, und hinterher erweisen sie sich als pädophil und/oder Mörderinnen(m/w/d)?
Die Argumente sind für ein catch-22 gedacht: das Buch hat keine schwarze Figur? Rassistisch. Das Buch hat eine schwarze Figur, aber die wird negativ dargestellt? Rassistisch. Das Buch hat eine schwarze Figur, und die wird positiv dargestellt? Rassistisch. Den genau so stellen sich weiße Rassisten ja schwarze Kinder vor, d’oh!