Das Verfassungsgericht hat auch nichts zu tun

Nachdem es diese Frage als unzulässig abgewiesen hat.

In „Der Report der Magd“ war ein Schritt im Putsch von Gilead, allen Frauen die Konten zu sperren; insofern ist es natürlich im Interesse von Frauen, von Ihren Banken und Sparkassen fair behandelt zu werden. Und insofern wiederum ist es im Interesse von Frauen, kritisch zu sein.

Nur, wo genau liegt der Nachteil, wenn eine Frau in einem Formular als „Kunde“ angeschrieben wird? Wird die Entmündigung durch ein totalitäres Regime nach/während einer Umweltkatastrophe nicht dadurch erschwert, dass die Sparkasse das Geschlecht der Kontoinhaber NICHT kennt? Ich gehe im übrigen davon aus, dass keine Bank oder Sparkasse ein Schreiben oder sonstiges Formular im Nachhinein für unrichtig erklärt hat, weil sie das falsche Geschlecht verwendet hat. Nicht erfolgreich, jedenfalls.

Und wäre der Nachteil für die Sparkasse, hunderte von unspezifischen Formularen neu zu schreiben, nicht größer? Die ganzen Mannstunden. Oder Fraustunden. Bankkaufleutestunden halt.

Vor allem, müsste dann nicht gleiches Recht für alle gelten? Natürlich müsste es das. Wenn Frau Y als „Kundin“ angesprochen werden soll, dann Herr X auch. Also braucht man jedes Standardformular in zwei Versionen. Eine nicht binäre Person, die ein Konto hat, will aber natürlich weder als Kunde, noch als Kundin, sondern als Kund*in angesprochen werden. Oder als Kund:in. Keine Ahnung, ob das beliebig ist, aber nehmen wir mal an, das Bundesverfassungsgericht erklärte eine Schreibweise für Nicht-Binäre als verbindlich. („Wenn das im übrigen „Kund’in“ ausgesprochen werden soll, warum wird das nie „Kund’in“ geschrieben? Wäre doch logisch?“ – „Ach, Mycroft, echt jetzt, die Frage?“) Sind wir also bei drei Versionen von jedem Formular. Allmählich kommen die als finanziell versiert bekannten Bankkaufmenschen auf die Idee, nachzurechnen, ob sich diese Formulare noch lohnen.

Jetzt gibt es faktisch auch die Möglichkeit, dass ein Konto zwei oder mehr Personen gehört. Sagen wir, es wären genau zwei. Dann müssten die Anreden lauten:

  1. sehr geehrte Kundinnen
  2. sehr geehrte Kunden
  3. sehr geehrte Kund*innen
  4. sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde
  5. sehr geehrt* Kund:in, sehr geehrte Kundin
  6. sehr geehrt* Kund:in, sehr geehrter Kunde

Mit den drei Versionen für die Einzahl sind wir bei neun. But wait, there’s more!

Es gibt keine juristische Obergrenze, wie viele Menschen dasselbe Konto erhalten, und es wäre an sich sinnvoll, nicht allen jedesmal diegleichen Briefe zu schicken. Bei min. drei Kontoinhabern(m/w/d) kann jedes Geschlecht(m/w/d) vorkommen, bzw. in der Mehrzahl vorkommen. („Sehr geehrte Kundin, sehr geehrte Kunden“; „sehr geehrte Kundinnen, sehr geehrter Kunde“, „sehr geehrte Kundinnen, Kunden und Kund*innen“) Wie viele verschiedene Anreden, die die sexuelle Zusammensetzung richtig und daher angemessen berücksichtigt, kann es demnach geben? Drei Geschlechter, jedes kommt gar nicht, einmal oder mehrmals vor, das sind drei hoch drei, also 27 Variationen. Bzw, die Variante, wo keine weibliche, keine männliche und keine diverse Person angesprochen werden muss, gibt es ja gar nicht, also sind das 26, also 35 Varianten von jedem Standardformular. Und irgendwer muss aufpassen, dass soe die nicht verwechselt (diverse Menschen nicht, wegen Minderheitenschutz wird ihnen kein Sexismus unterstellt). 

Keine männlichen, weiblichen oder diversen Personen? DOCH. Auch juristische Personen dürfen Konten besitzen. D.h., zu jeder der 35 Varianten kommen noch zwei hinzu, einmal, wenn eine, und einmal, wenn mehr als eine juristische Person Miteigentümer(j) des Kontos ist – was zwar kaum vorkommt, aber weder verboten ist, noch diskriminiert werden sollte – und die beiden Situationen, wo eine bzw. mehr als eine juristische Person Kontoinhaber(j) ist. Eine Gesellschaft ist ebensowenig einer Kontoinhaberin, wie ein Verein ein männlicher Kontoinhaber ist. Das richtige Wort ist demnach Kundschaft. In der Mehrzahl Kundschaften. 107 unterschiedliche Möglichkeiten, wie der Briefkopft für ein Formular lauten kann. Es wird einfach keine Formulare mehr geben, man wird einfach immer alle Namen abtippen.

Oder, man nennt einfach alle „Kundschaft“, ohne Rücksicht auf biologisches, soziales, grammatisches oder sonstiges Geschlacht.

„Liebe Kundschaft, Ihr Konto ist überzogen, und wir werden Ihr Eigentum pfänden lassen.“ – „Ich fühle mich gleich viel wertgeschätzter.“

Edit: peinlicher Mathe-Fail. Die Versionen mit 1-2 Kontobesitzenden sind in den 27 Varianten ja enthalten. Also, bei vier Geschlechtern – männlich, weiblich, divers und juristisch – und drei Anzahlen – null, eins und mehr als eines – wären es drei (Anzahlen) mal vier (Geschlechter) minus eine (das Null-Quadrupel) Varianten, also 80. Puhh, Glück gehabt. Das wird trotzdem niemand machen.

3 Gedanken zu “Das Verfassungsgericht hat auch nichts zu tun

  1. Haha, ich habe selbst gerade einen Blogbeitrag über das Thema geschrieben, aber dein Beispiel mit der Bank und dem Anschreiben macht die skurrile Debatte noch etwas deutlicher.

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  2. Sie hat ein Ziel und verfolgt es. Sie könnte für sinnvolle Dinge mit ihrem Engagement kämpfen. Zum Beispiel, dass Obdachlose von den Straßen geholt werden. Die leiden im Gegensatz zu dieser blöden Kuh mit ihrer narzisstischen Kränkung.

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