Nein, der Spruch ist NICHT von Jesus.
Der beschreibt das hier. Das Wording ist da zwar weniger religiös als juristisch, aber naja…
Eine Demoteilnahme ist kein Freispruch
Jetzt ist eine Demoteilnahme nicht besser als schwarze Kacheln zu posten, sondern möglicherweise sogar wirksam, aber:
Wenn die Bilder nicht trügen, sind „Black Lives Matter“-Demos in Deutschland Festivals nicht unähnlich: Viele meiner Freunde trinken dabei ein Bierchen, das Wetter ist schön und die Laune scheint gut.
Ja, genau, die benutzen das nur als Ausrede, die Coronabeschränkungen zu umgehen. Wenn’s schneien würde, blieben die zuhause. Jetzt könnte man sich freuen, wenn man sogar Leute als Unterstützer findet, die andernfalls auf Festivals wären, aber nein.
Ich bin weiß. Die Freunde, von denen diese Bilder stammen, sind es auch. Und das macht mich misstrauisch.
Ok, folgendes: es gibt ca. ein Prozent Afrodeutsche. Wenn man mit Nicht-Weißen auch auf andere Gruppen einbezieht, sind es, je nach Definition, deutlich mehr, aber der Punkt ist, dass eine Demo gegen Rassismus in D. ziemlich auf die Mitwirkung der Autochthonen angewiesen ist. Wärest Du weniger misstrauisch, wenn da nur Afrodeutsche und Menschen arabischer, türkischer und kurdischer Abstammung herumlaufen würden? Und es ginge nicht um Erdogan?
Aber manche von uns weißen, privilegierten Deutschen – Menschen, wie ich es bin – fühlen sich dann schon ziemlich gut mit sich selbst.
Ja, das liegt daran, dass kein Tränengas verschossen wurde. Dies ist also ein Aufruf für mehr Tränengas. Alles klar.
Denn: Wir sind wirklich nicht so viel besser als gewalttätige Polizisten in den USA.
Einen wehrlosen Menschen grausam zu quälen, bis er stirbt, anstatt ihn festzunehmen, ist also im Umkehrschluss fast so schlimm wie auf einer Demo gegen Rassismus sich mit Freunden zu treffen, ein Bier zu trinken und sich zu freuen? Aaaalso, auf die Art versucht nicht mal die katholische Kirche, Schuldgefühle aufzubauen. Die erlaubt Bier zu Bußzwecken zu trinken.
Auch dann nicht, wenn wir uns schon mal mit dem eigenen Alltagsrassismus beschäftigt haben, ihn eingestehen und daran arbeiten.
Ja, ich habe keine Schwarzen Angestellten, sorry! Sobald ich Angestellte habe, werde ich hoffen, dass sich ein Schwarzer(m/w/d) bewirbt.
Erst recht nicht, wenn man sich nach einer Demo zufrieden auf die Schulter klopft.
Muss man das? Sich auf die Schulter klopfen? Gehört dazu nicht eigentlich irgendein Erfolg dazu? An der Stelle möchte ich festhalten, dass eitle Selbstbeweihräucherung jetzt tatächlich ein ernster Kritikpunkt wäre, allerdings bei jeder Demo.
Als ich mit dem Journalisten und bento-Autoren Malcolm Ohanwe über diesen Text sprach, sagte er sofort: „Viele weiße Deutsche sehnen sich zu sehr nach Absolution. Sie wollen, dass es sich gut anfühlt, dass sie freigesprochen werden.“
Ja, Absolution. Wie im Beichtstuhl. Man wird von seinen Sünden freigesprochen, aber das heißt dann trotzdem nicht Freispruch, sondern Absolution oder Lossprechung, wenn man alles gerne eindeutscht. (Ich weiß jetzt nicht, ob das Wort „Freispruch“ im Titel jetzt Absicht oder Fehler ist, aber wenn letzteres, liegt es nicht Ohanwe.)
Wie recht er hat – wie dringend wollen viele von uns, auch ich, zu den Guten gehören, zu denen, die keine Rassisten sind oder höchstens manchmal ein bisschen im Alltag, aber doch nicht schlimm, nicht strukturell, wir tun ja keinem was.
Jetzt ist es eigentlich Sinn der Maßnahme „ein guter Mensch sein“, dass man Gutes tut. Nicht, dass man dabei gesehen wird, oder dass andere davon erfahren, oder das man darüber redet, sondern dass man es tut. Wenn man das hinkriegt, kann man gerne noch dagegen demonstrieren, dass andere Menschen schlecht sind. Insofern ist eine Demobeteiligung eher eine – hihi – demonstrative Geste. Oder, um Jesus zu zitieren, die eine Hand soll nicht wissen, was die andere tut. Soll heißen: „Wenn Ihr den Armen spendet, um so Euren sozialen Status aufzuwerten, ist das ja auch nicht mehr uneigennützig.“ Bis dahin fände ich diese Kritik i. Allg. gerechtfertigt – sicher gibt es viele Anti-Rassismus-Demonstranten, die sich auch sonst engagieren und keine Schwarzen mehr oder weniger heimlich zu Tode foltern, aber es gibt bestimmt auch Schön-Wetter-Aktivisten(m/w/d).
Allerdings kriegt der Artikel noch einen völlig anderen Spin.
Diese Selbstzufriedenheit tötet.
Ja, ne. Gegen (tödliche) Polizeigewalt demonstrieren ist genauso schlimm wie diese Polizeigewalt. Also bleiben wir besser zuhause, woll?
Rassismus ist eine historisch gewachsene Monströsität, die natürlich nicht nur Schwarze unterdrückt.
Jaaaaaaaa, das war jetzt nicht die Debatte.
Es braucht keine großen Recherchekünste, um zu verstehen, dass Polizeigewalt nur die Spitze des Eisbergs ist.
Bento wird übrigens demnächst eingestellt. Aber ja, auch Menschen ohne „Recherchekünste“ könnten von Rassismus gehört haben. Sogar, OHNE Bento zu lesen. Und eigentlich macht man keine Witze über zukünftige Arbeitslose…
Unsere Welt wäre eine komplett andere, wenn wir den Slogan „Black Lives Matter“ wirklich ernst nähmen:
Wer ist „wir“? Die folgenden Argumente sind nicht ganz davon abhängig, aber wer ist „wir“?
Wir würden nicht so konsumieren, wie wir es tun, denn wir wissen, wie unsere Smartphones, unser Kaffee, unsere Süßigkeiten, unsere Kleidung hergestellt werden – meist von nicht-weißen Menschen.
Genau, ab jetzt nur noch arische Smartphones(weiß!), arischen Kaffee (blond!), arische Schokolade (blauäugig!!!) und teutsche Trachten! Dass der Satz in DER Formulierung sehr rassistisch rüberkommt, scheint Autorin und Redaktion entgangen zu sein.
All das sind noch immer die Folgen einer kolonialisierten Welt und der Idee, dass weiße Leben irgendwie mehr Wert haben könnten als nicht-weiße.
Ähh, ich vermute, als gebildeter und gelegentlich aus mitdenkender Mensch, dass hier nicht gemeint sei, dass der Kolonialismus irgendwie dazu geführt hätte, dass Kaffee und Kakao nur in Klimazonen wachsen, in denen eine dunkle Haut einen Selektionsvorteil liefern. Ich denke auch nicht, dass es per se rassistisch ist, mit anderen Menschen Handel zu treiben. Was hier wohl gemeint ist, sind die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern.
Wir würden anders wählen, zum Beispiel, weil wir wissen, dass unsere Agrarsubventionen über Umwege Menschenleben in Afrika kosten.
tl,dr: Kennt Ihr den Spruch: „Iss das auf, die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie das hätten!“? Die EU hat daraus Politik gemacht. Subventionierte, künstlich verbilligte Agrarprodukte aus Europa werden nach Afrika exportiert, wo die trotz Transportkosten BILLIGER sind als das, was die örtliche Landwirtschaft produziert. Also, selbst wenn es gerade keinen Bürgerkrieg, keine Heuschreckenplage, keine Dürre und kein wasauchimmer gibt, steht der afrikanische Bauer vor seinem Feld und denkt sich: „Das lohnt sich ja gar nicht!“
Antwort: Wählt jemanden, der kein Essen nach Afrika schicken will! Dann werden die dortigen Lebensmittelpreise steigen, und das Problem ist „gegessen“! (Die Afrikanische Textilindustrie hat übrigens ein ähnliches Problem, aber mit Billigklamotten aus Asien…)
Und erst recht könnten wir niemals leben mit den Toten im Mittelmeer, von denen überproportional viele People of Color sind
„Überproportional“? Sind Afghanen plötzlich keine PoC mehr? Jaja, Arier im eigentlichen Sinne, aber „Arier“ ist auch nur so ein Bullshit-Bingo-Wort.
und wahrscheinlich sind viele von ihnen genau die Bauern, denen wir dann vorwerfen, nur aus wirtschaftlichen Gründen geflohen zu sein.
Jaaa, ob der Bauer irgendwo meinen Kaffee anbaut oder meinen Spargel sticht – ich hätte dann lieber den Kaffee. Aber trotzdem, ist dieses „wir“ dasselbe „wir“, was weiter oben gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert?
Wir zwingen auch niemanden mit einer Waffe, in einer Kobalt-Mine zu arbeiten. Wir lassen das andere für uns machen.
Ok, weil jemand nicht gegen Handys und E-Autos demonstriert, darf soe nicht gegen Rassimus demonstrieren. O-keehee.
Aaaalso, folgendes:
- wenn einem die Kinderarbeit, die schlechten Arbeitsbedingungen und generell die Menschenrechtssituation im Kongo am Herzen liegen, kann man auch DAgegen demonstrieren
- man kann auch auf diese Kobaltprodukte verzichten
- oder, man sucht gezielt nach Kobaltprodukten aus menschengerechter Produktion
- es ist weiterhin nicht die Schuld oder Folge des Kolonialismus‘, dass es die größten Kobalt-Vorkommen nicht in Belgien gibt, oder im Erzgebierge
- George Floyd hat mit der Republik Kongo vermutlich nicht mehr zu tun als ich mit irgendeiner Kaukasusrepublik
- und, bitte nicht böse sein, die Kolonialzeit ist vorbei; die Republik Kongo ist ein souveräner Staat, der sicher Probleme hat, aber dabei ist, diese zu lösen (wobei ich ihm alles Gute wünsche) – wenn ich hier und heute gegen kongolesische Probleme demonstriere, hat das viel weniger Effekt, als wenn ich gegen die Polizei meines Staates protestiere, die von meiner Regierung kontrolliert und von meinen Steuern bezahlt wird
Dabei müsste doch die Frage sein: Was machen wir, die privilegierte Mehrheit, hier eigentlich? Wie rechtfertigen wir denn unsere Art zu Leben?
Also, „ich“ arbeite u.a. im Bereich Arbeitsschutz und sorge dafür, dass die Unfallzahlen nicht mehr so hoch sind wie vor ein paar Jahrzehnten. Jedenfalls in D., in anderen Ländern sieht das anders aus.
Es sind solche Fragen, die mich regelmäßig in den Selbsthass treiben und die, neben ausgeprägt schlechtem Musikgeschmack, einer der Gründe sind, warum ich immer seltener auf Partys eingeladen werde.
Partys, auf denen Importprodukte konsumiert werden? Also, wenn Du mit dem Leben hier Probleme hast, ziehe doch einfach in ein Land, in dem Deine Hautfarbe die Minderheit darstellt. Schwupps, hast Du Deine Privilegien komplett abgebaut. (Jaaa, das ist der „geh‘ doch nach drüben!“-Spruch, recycelt.)
Ich fürchte, wir müssten die Hälfte unserer Gehälter spenden. Ich kann zumindest nicht mal annähernd rechtfertigen, dass mein Geld keine Leben rettet, sobald meine Grundbedürfnisse erfüllt sind.
Das hast Du hoffentlich geschrieben, bevor Du davon erfahren hast, dass bento abgewickelt wird, oder? ODER? Wenn ich das übrigens richtig verstanden habe, wegen der coronabedingten Wirtschaftskrise fielen die Anzeigenkunden weg, die ihre Konsumprodukte beworben hätten, die über Grundbedürfnisse hinaus gingen. Und NICHT, weil Ihr da immer so komische Sachen im Muster „Warum wir das und das machen sollten“ schreibt.
Aber ich mache es nicht.
Weil Du Dir vernünftigerweise Reserven für den Fall aufbautest, dass Du mal arbeitslos wirst? Ich weiß, dass man im Journalismus meistens nicht so superreich wird – wieso redest Du Dir DAfür jetzt Schuldgefühle ein?
Warum also nicht in Form von Steuern und staatlichen Reparationen zurückzahlen?
Also statt billigen Nahrungsmitteln? Ehrlich gesagt, davon hätten die kongolesischen Kinderbergleute knapp die Hälfte, fürchte ich. Und George Floyd erst recht nichts, weil der – dem Wohnort nach – kein Dritte-Welt-Bewohner ist.
Ich habe keinen Spaß am Kaufen von Dingen. Wann immer ich die Masse an Waren sehe, wird mir schlecht bei dem Gedanken an die Menschen, die sie herstellen. Aber ich schaffe es auch nicht, mich dem Konsumdruck komplett zu entziehen. Wie macht ihr das so?
Nix kaufen? Außer Lebensmitteln, gelegentlich Büchern und Klopapier. Corona ist schon ganz praktisch. Achja, ich habe ein Smartphone, was sicher nicht gut ist für mein Karma, aber die Häuser der Stadt, in der ich lebe, und die Industrie, um die sie existiert, sind sicher nicht ohne Todesopfer erbaut worden. Weiße Todesopfer. Yin und Yang und so.
Ich wurde einfach nicht dort geboren, wo ich als Kind schon Kobalt schürfen müsste.
Falls Du Heidi kennst, die Serie oder das Buch oder sonsteine Verfilmung, tröste Dich: Kinderarbeit in D. und in der Schweiz ist jetzt zwar abgeschafft, aber auch nicht so viel länger.
„Es ist eigentlich ein perfekter Check: Wenn du als Weiße oder als Weißer merkst, dass du Spaß hast beim Thema Rassismus, dann ist wahrscheinlich etwas schief gegangen. Es muss weh tun.“
Alles klar – ich habe keinen Spaß, es tut weh – gewonnen!
Inhaltliche Anmerkung: kommt es beim Coltan-Abbau im Kongo nicht eher auf das Ta als auf das Co an? Tantal ist meines Wissens das seltenste (nicht radioaktive) Element in der Erdkruste.
Nun gut, von einer Bento-„Journalistin“ erwarte ich kein Wissen in Rohstoffkunde…
Warum brauche ich eigentlich eine Absolution? Sippenhaft wurde doch schon 1949, spätestens 1990 abgeschafft, oder nicht?
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Was die schlechten Arbeitsbedingungen betrifft, ist das Erz, nach dem die schürfen, wohl wirklich wumpe.
Absolution kriegt man, wenn, als Individuum, nicht als Gruppe – aber das ist halt noch so ein Unterschied zwischen Bento und der katholischen Kirche…
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Hey, in evangelischen Gottesdiensten gibt’s die Absolution auch in der Gruppe. Wir leben nicht mehr im Mittelalter 😉
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Achja. Jetzt muss man ja fast sagen: leider.
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„Was die schlechten Arbeitsbedingungen betrifft, ist das Erz, nach dem die schürfen, wohl wirklich wumpe.“
Das stimmt. Bin mal gespannt, ob und in welcher Form das angekündigte Lieferkettengesetz verabschiedet wird.
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> Wie rechtfertigen wir denn unsere Art zu Leben?
Also, ich lebe so, wie ich lebe, weil mir Leute freiwillig für das, was ich kann (und tue!) Geld bezahlen, was ich dann Leuten gebe, die das auch so halten.
Mir geht es übrigens ziemlich gut. Ich kann dieses Proben nur bei Leuten sehen, die da irgendwas anders machen. Ist eine freie Welt, die meine – mehr als denen kein Geld geben kann ich nicht – außer, natürlich, bei Raub – Steuern, zum Beispiel.
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