10 Irrtümer über Parität, hier 6-10

uuund weiter:

6. Der Irrtum des Ausschlusses des dritten Geschlechts: „Die Anerkennung des dritten Geschlechts steht einer Paritätsregelung entgegen.”

Die Anerkennung der Geschlechtsidentitäten jenseits von weiblich und männlich durch das Bundesverfassungsgericht war ein bedeutsamer (längst überfälliger) Schritt zum Abbau von Diskriminierungen gegen inter- oder transgeschlechtliche Personen, ändert aber nichts an dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen.

Ok, da will ich mich nicht verschließen – wenn Homosexuelle, Menschen zwischen 18 und 25 und Leute, die keine Juristen sind, eine Paritätsregelung verdient haben, dann heterosexuelle diverse Menschen auch. Tatsächlich finde ich folgende Regelung sehr sinnvoll:

Das kürzlich verabschiedete Thüringer Paritätsgesetz sieht beispielsweise vor, dass Personen, die im Personenstandsregister als „divers“ eingetragen sind, frei entscheiden können, ob sie als divers auf Männer- oder Frauen-Listenplätzen kandidieren.

Plural. Weil es in Thüringen ja mehr als eine diverse Person gibt. Laut Wiki gilt

Eine spätere Änderung des Geschlechtseintrags diversgeschlechtlicher Menschen ist möglich (PStG § 45b): Erforderlich sind eine Erklärung der betreffenden Person vor dem zuständigen Standesamt, sowie grundsätzlich eine ärztliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, „dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt“. Nur wenn dies nicht oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung möglich ist, kann die betreffende Person stattdessen eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Mit der Erklärung können auch die Vornamen geändert werden.[4]

Mangels Rechtsprechung steht aber

die Möglichkeit, als weder weiblich noch männlich eingetragen zu werden, … nach einer Entscheidung des Oberlandesgericht Celle vom Mai 2017 auch transidenten Personen offen, die sich trotz körperlicher Eindeutigkeit nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.[16] Diese Entscheidung erging vor dem Erlass des § 45b PStG (siehe oben). Es ist noch nicht von der Rechtsprechung geklärt, ob auch in diesem Fall nunmehr ein Arzt bescheinigen darf, „dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt“, so dass eine einfache Erklärung vor dem Standesamt ausreicht,[17] oder ob hierzu weiter eine Gerichtsentscheidung erforderlich ist.[18]

Jaaa, ein Arzt(m/w/d) bescheinigt körperliche Eindeutigkeit, aber trotzdem eine Variante der Geschlechtsentwicklung, und so kann ein hinreichend ehrgeiziger Politiker(m/w/d) sich als (d) definieren lassen ohne Gerichtsentscheid. Also wie der Joker beim Kartenspiel, immer, was man braucht. Bisschen doof, wenn das Gesetz einem/w/d ein fettes Schlupfloch lässt. Aber Cum-Ex, ey! CUM-EX!

Ach, ich fände es zwar schön, wenn sich Gauland demnächst als „divers“ verstünde, aber nur für den Spaß brauch‘ ich’s trotzdem nicht.

7. Der Irrtum der Gleichheit der Wahl: „Paritätsgesetze widersprechen der verfassungsrechtlich verankerten Gleichheit der Wahl.”

Die Gleichheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 GG widerspricht Paritätsregelungen nicht, sondern bietet im Gegenteil – dem materiellen Gleichheitsverständnis folgend – eine wichtige Argumentationsgrundlage für Forderungen nach Parität.

Ähh, nein. Sowohl das Argument als auch das das Gegenargument sind Blödsinn. Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Abs. 1 GG besagt, dass alle Stimmen gleichwertig sind. Die Stimmen von Frauen werden nicht anders ausgezählt als die von Männern, und es gibt mehr weibliche als männliche Wahlberechtigte in D., ERGO ist die Gleichheit der Wahl nicht, oder höchstens zugunsten der Frauen, beeinträchtigt. Und es will jetzt hoffentlich niemand auch noch die aktive Seite des Wahlrechtes zurechtschneiden.

Aber gut, nehmen wir die Argumentation trotzdem zu Kenntnis:

 Allein formale Gleichheit kann bei sozialer Ungleichheit gleiche Chancen nicht gewährleisten.

Wenn man das von der passiven Seite her betrachtet, dass angeblich oder tatsächlich nicht alle passiv Wahlberechtigten die gleichen Chancen haben, aufgestellt, und damit gewählt zu werden – dann müssen kleiner Gruppen als die der Frauen doch erst Recht per Paritätsregelung unterstützt werden.

 Warum sollte ein gesellschaftlich so bedeutsamer Bereich wie die politische Repräsentation davon ausgenommen sein?

Eben.

8. Der Irrtum der Benachteiligung einzelner Parteien: „Durch Paritätsgesetze werden Parteien mit geringem Frauenanteil diskriminiert.”

Es wird argumentiert, der geringe Frauenanteil im Bundestag entspräche nun einmal dem Anteil weiblicher Parteimitglieder in CDU, FDP und AFD und dass diese durch Paritätsgesetze deshalb ungerechtfertigt benachteiligt würden.

Na, offensichtlich sollen Parteien mit geringen Frauenanteilen bestraft werden. Okeee. Um auf meine Basisargumentation zurückzukommen, dann kann man doch auch Parteien mit wenig jungem Personal, mit wenigen Homosexuellen oder mit sehr vielen juristisch tätigen Personen doch genauso bestrafen. Ich verstehe zwar immer noch nicht, warum Wählerinnen nicht einfach nur noch Grüne, Linke und SPD wählen – ?was?hält?die?ab? – aber, wie wir gelernt haben, ist „freie Willensentscheidung“ Irrtum Nummer 1. Jedenfalls:

Haben Parteien nicht genug weibliche Mitglieder, ist es ihnen durchaus zuzumuten, auch außerhalb der Parteistrukturen nach Kandidatinnen zu suchen.

Joah. Anstatt sich in der Partei zu engagieren, politische Erfahrung zu sammeln und Netzwerke zu knüpfen, sollen Frauen ihre Kandidaturen auf den Silbertabletts angedient bekommen. Junge Menschen, Homosexuelle und solche, die keine Lust auf ein Jurastudium hatten, haben aber nicht weniger verdient.

Wenn Parteien nicht, wie in den genannten Beispielen, freiwillig dafür sorgen, Frauen nicht nur als Wählerinnen, sondern auch als Kandidatinnen zu gewinnen, dürfen sie auf gesetzlichem Wege in die Pflicht genommen werden.

Wenn die Grünen bei 60% Frauenanteil in der Bundestagsfraktion nur 40% weibliche Mitglieder gewinnen konnten, haben sich die Grünen ja wohl genug Mühe gegeben. Natürlich könnte eine Partei Ihre Frauenquote auch dadurch erhöhen, indem sie männliche Mitglieder einfach ausschließt. Ansonsten halte ich an einer „freien Willentsentscheidung“ fest – Männer haben nicht mehr Freizeit als Frauen, wenn Frauen sich selbst dann nicht für Parteiarbeit engagieren wollen, wenn Ihre Chancen auf Karriere dort deutlich höher sind als für Männer, dann ist das keine strukturelle Diskriminierung mehr, sondern bewusste Entscheidung. Mittlerweile in Brandenburg. Vllt. wollen Frauen lieber ins richtige Leben als in die Politik?

Alternative wäre, man nimmt einfach auch Frauen in die Pflicht. Zufällig ausgewählte Frauen werden gezwungen, in eine Partei ihrer Wahl einzutreten, ODER plausibel zu machen, warum es Ihnen nicht möglich ist. Was? Bei der „allg.“ Wehrpflicht hat es Sie auch nicht gestört.

Aber was rege ich mich auf. Parteien werden, falls das durchgesetzt wird, relativ leicht eine Frauenquote erfüllen können. Jedenfalls die mit vielen älteren Heteros. Jedes männliche, hetero, verheiratete Parteimitglied stellt einfach seine Ehefrau auf. Problem gelöst! Das nutzt den homosexuellen unter 25 natürlich gar nichts, aber immerhin, Ihre Quote wird erfüllt. Danke für gar nichts, Deutsche Juristinnen!

10. Der Irrtum des Qualitätsverlustes: „Durch vorgeschriebene Parität steht das Geschlecht und nicht (mehr) die Kompetenz der Bewerber*innen im Vordergrund.”

Gegner*innen von Paritätsgesetzen haben die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass, wenn das Geschlecht zum Auswahlkriterium für politische Mandate wird, die Kompetenz der Bewerber*innen in den Hintergrund rücken würde. Diese Sorge können wir besten Gewissens nehmen.

Hihihi, ja. DER war gut. Weil ja nur die kompetentesten der Kompetentesten gewählt werden. Postillion hat angerufen, ob er Sie zitieren darf.

Selbstverständlich sollte die Qualifikation die größte Rolle bei der Besetzung politischer Mandate spielen. Die derzeitige Ausgestaltung des Wahlsystems lässt jedoch genau das nicht zu.

Nein, die Qualifikation spielt zwar eine Rolle, aber nicht die größte. Weil wir als Wählerschaft nicht die qualifiziertesten wählen, sondern die, die unsere Interessen am besten wahrnehmen. Bzw., die, von denen wir das vermuten.

Paritätsregelungen könnten zur Qualitätssteigerung von Parlamenten beitragen, indem qualifizierte Frauen tatsächlich die Möglichkeit erhalten, in das Parlament einzuziehen.

Jaaa, aber dasselbe gilt auch für qualifizierte Rollstuhlfahrer. Achja, Rollstuhlfahrer(m/d/w) sollten auch ein Paritätsgesetz erhalten. Nicht, dass es heißt, ich wäre nur die junge-Homosexuelle-ohne-Jurastudium-Lobby.

Soweit der Einwand suggerieren soll, es gäbe nicht genügend qualifizierte Frauen: Die Statistik von Examens- und Ausbildungsergebnissen bei Männern und Frauen spricht eine deutliche Sprache dagegen!

Keine Ahnung, ob das das suggerieren soll – mein Einwand ist das nicht – aber was genau haben Noten bei Prüfungen und Examina mit einer Qualifikation als Politiker zu tun? Oder halt Politikerin? Qualifiziert ein zweites Staatsexamen jemanden besser zum Bürgermeister oder Ministerpräsidenten als der jahrgangsbeste Dachdecker zu sein? Merkel war Klassenbeste in Russisch und Mathe; in Mathe bin ich auch sehr gut, aber ich kann kein Russisch. Ist sie DESHALB Politikerin? Bzw., ist Mathe für Merkels Qualifikation wichtiger als ihre Sprachbegabung, genauso wichtig oder weniger wichtig? Sie ist studierte, diplomierte und promovierte Physikerin. Also ungefähr wie Sheldon Cooper. Könnte es sein – nur hypothetisch – dass nicht ihre berufliche Qualifikation, sondern ihre Biografie, Lebenserfahrung, Menschenkenntnis, diplomatische und andere zwischenmenschlichen Fähigkeiten sie haben Kanzlerin werden lassen? Also alles, was sie von Sheldon Cooper unterscheidet, plusminus Geschlecht und Körpergröße?

Soll nicht heißen, dass Merkel super ist, aber Sie oder ich oder sonstwer können die „Qualifikation“ eines Politikers nicht so feststellen, wie man die Qualifikation eines Handwerkers oder Wissenschaftlers feststellt.

Punkt hier ist, dass sowohl der Konkurrenzkampf – ja, das ist etwas darwinistisch – als auch die Kooperationsfähigkeit – ist immer noch darwinistisch – innerhalb einer Partei es erforderlich machen, dass die Kandidaten jedweden Geschlechtes die Skills nutzen und entwickeln, die sie auch im Umgang mit anderen Parteien und ausländischen Partnern einsetzen müssen. Das kann man in dem Umfang schlecht in Ausbildung oder Studium lernen.

Und nein, ich behaupte nicht, dass das Männer aus irgendwelchen Gründen dergleichen besser könnten als Frauen, sondern ich behaupte – beweisen Sie mir das Gegenteil – dass das Frauen, Männer und Diverse lernen und trainieren müssen. Und da sehe ich ein Problem bei Zwangsquoten – wenn bei den Grünen etwa 60% Männer um 50% aller verfügbaren Mandate konkurrieren, und 40% Frauen um die anderen 50% Mandate, dann ist der Konkurrenzdruck bei den Männern 50% höher als bei den Frauen. D.h., sowohl Kooperation als auch Konkurrenz ist dann bei den Grünen-Männern ausgeprägter, die sich deshalb mehr anstrengen müssen. Weshalb die Männer, die am Ende Mandate kriegen, in Hinsicht auf Kooperation und Konkurrenz besser sind. Im Unterschied zu den FDPlern, wo jedes Parteimitglied ungeachtet seines(neutrum) Geschlechtes dieselbe Chance auf ein Mandat hat? Achja, solange die Frauenquote nicht für Parteimitglieder entweder per Gesetz oder durch sonstige Regelungen bei unter 50% liegt, die Frauenquote bei Mandaten aber 50% liegen muss, haben männliche Parteimitglieder geringere Chancen auf Mandate als Frauen. Was keine ChancenGLEICHheit ist. Und wenn eine Partei das so beschließt und also so haben will, ist das ja ok, aber wenn einer anderen Partei dazu gezwungen wird, mischt sich der Staat stärker in Parteiinterna ein, als es ihm zusteht.

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