Fußball halt

Mal was anderes

FUSSBALLBIERCHEN

Triggerwarnung: Der folgende Inhalt behandelt das Thema Alkoholismus und häusliche Gewalt

Eigentlich behandelt er die Themen Alkohol, häusliche Gewalt und Fußball. Alkoholismus, also die Suchterkrankung, kommt gar nicht vor. Aber ganz ohne Triggerwarnung ist ja auch öde.

Geht also wieder los: Fußballgroßereignis im eigenen Lande, Sommermärchen 2.0, Schlaaand usw. Gefühlt haben wir uns doch gerade erst zum Austragungsort der Fußballweltmeisterschaft 2006 bestochen und uns zum „Weltmeister der Herzen“ gekürt, weil wir irgendwie nicht verstanden haben, dass man sich so einen Titel nicht selbst verleiht, sondern verliehen bekommt.

Ich weiß nicht, wer „wir“ ist. 2006 ist mein Vater gestorben. Das ist 18 Jahre her. Wer an meinen Vater bewusste Erinnerungen hat oder an die WM in D. ist lange erwachsen. Nebenbei habe ich niemanden bestochen. Aber ja, Fußball ist doof.

Jetzt werden Autos also wieder doppelbeflaggt, in den Discountern Deutschlandschminke verkauft und vor allem Bierchen gezischt. Ja genau: Fußball und Bier bilden in Deutschland eine nahezu unverbrüchliche Einheit, mit der viel Geld verdient wird.

Es gibt schon eine „größere“ Schnittmenge, aber es scheint mir nicht so zu sein, dass man immer auf WM oder EM wartet, um Bier zu trinken. Insbesondere nicht die Alkoholiker.

Da spielt es dann auch keine Rolle, ob Länder wie Irland mit Alkoholwerbeverboten rund um Sport seit Jahren sehr erfolgreich sind …  spätestens nachdem 2008 in der Debatte um ein mögliches Verbot mit der Monsterzahl von 800 Millionen Euro Verlust für den deutschen Profisport Panik gemacht wurde, wird an der gruseligen Verbindung aus Sport und Alkohol nicht mehr wirklich gerüttelt.

Kann ja sein. Bzw., außer denen, die damit Geld verdienen, können vermutlich alle auf Werbung für Alkohol verzichten. Andererseits würden die, die damit sonst Geld verdienen, die Kosten versuchen, über Ticketverkäufe wieder reinzuholen, also von den Fans und so, und dass ist dann die Panik. (Bis hier stimme ich ihm also eigentlich zu…)

Weite Teile des Amateurfußballs würden ohne Brauereisponsoring nicht funktionieren, Bitburger ist einer der Hauptsponsoren der anstehenden Europameisterschaft und Alkohol Volksdroge Nummer eins.

Ok, hier würde ich trotzdem einhaken: was stellt sich Pickert als Konsequenz vor? Der Amateur-Fußball – also da, wo Eintrittpreise einstellig sind, 1-stellig, bitteschön – soll sich bitte andere Sponsoren suchen? Oder andernfalls eingestellt werden?

Über 170 Millionen Liter Alkohol werden in Deutschland versteuert und bescheren dem Staat Einnahmen von ca. 2,2 Milliarden Euro. Dem gegenüber stehen allerdings rund 40 Milliarden Euro Folgekosten aufgrund von alkoholbedingten Krankheiten und Ausfällen.

Das wäre ein Argument gegen Alkohol generell. Aber auf der Pro-Seite sind ja die ganzen Arbeitsplätze, die daran hängen. Und natürlich ist es wie bei Abtreibungen: die Alternative zu legalen Alkoholtrinken ist nicht kein Alkoholtrinken, sondern illegales Alkoholtrinken.

3,4 Millionen Erwachsene sind von alkoholbezogenen Störungen betroffen? Muss man verstehen, bei uns ist das Kultur.

„Mein Bauch gehört mir!“

Und warum erzähle ich das auf einer feministischen Plattform? Wieso ist es wichtig, den fahrlässigen Umgang mit der Droge Alkohol in Politik, Gesellschaft und zu EM-Zeiten insbesondere im Fußballsponsoring zu problematisieren?

Jaaaa, einfach nur Schuldgefühle sind nie genug. Es müssen Schuldgefühle wegen Frauen sein.

Weil nicht nur ein freudiges Sportereignis ansteht, sondern auch die zu solchen Gelegenheiten sehr üblichen Tage der (häuslichen) Gewalt. Vor allem gegen Frauen.

Einmal Props dafür, dass er nicht so tut, als richte sich häusliche Gewalt ausschließlich gegen Frauen. Und einmal Punktabzug, weil er Gewalt gegen Frauen für schlimmer hält.

Vor allem gegen Frauen. 2021 wurde in Großbritannien eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie sehr Alkoholkonsum gewalttätige Übergriffe gegen Frauen befeuert.

Gut, dass die EM nicht in England stattfindet, was? Nebenbei, man beachte, wie er von „3,4 Mio. Erwachsene leiden unter (ihren eigenen) alkoholbedingten Störungen“ zu „eigentlich interessiert mich das nur, wenn die gewalttätig werden UND sich diese Gewalttätigkeit nicht gegen Männer richtet.“ umschwenkt.

Bei nüchternen Fans ändert sich das Verhalten kaum bis gar nicht, während alkoholisierte Fans vermehrt zu Gewaltausbrüchen gegen ihre Partnerinnen und Kinder neigen. Und das muss noch zu dem Umstand addiert werden, dass bei Fußballgroßereignissen die Gewaltbereitschaft gegen Frauen generell ansteigt.

Das ist nebenbei ein Widerspruch, der möglicherweise bereits zwischen den verschiedenen Untersuchungen besteht, oder den Pickert irgendwie selbst generiert: entweder, man verändert sein Gewaltverhalten wegen Fußball nicht, sondern nur, wenn man betrunken ist, und dann wird das nicht addiert, oder, man ändert es auch bei Fußball, wenn man dabei nüchtern bleibt, und Fußball plus Alkohol ist besonders schlimm. Jedenfalls hat weder Pickert noch die Redaktion das bemerkt.

Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss verübt werden und dass Städte und Gemeinden sich immer noch als „Spaßbremsen“ bezeichnen lassen müssen, wenn sie dagegen Maßnahmen ergreifen

DIE wollen übrigens auch verhindern, dass Fans sich gegenseitig verprügeln. Im Unterschied zum Feminismus.

Und auch die Moral von der Geschicht ist eindeutig: Deutschland untergräbt auch unter dem Zugriff der Alkohollobby wie im Rausch notwendige Gewaltprävention.

Ein Stück weit ja, aber eigentlich finde ich die Fußballlobby schlimmer. Die FIFA ist mWn als Gemeinnütziger Verein steuerfrei.

Zwei Drittel aller Gewalttaten finden im familiären Nahbereich statt – Tendenz steigend.

Diese Tendenz kann auch komplett an einer Abnahme des Dunkelfeldes liegen. Was natürlich auch nur ein halber Trost ist, aber trotzdem erwähne ich das.

Über 80% der Opfer sind Frauen.

Wiederum ohne Dunkelziffer. Auch das ist natürlich kein Trost für die Opfer.

Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren (Ex)Partner.

Also rund dreimal so schnell, wie man bei Parship…

Und das bei vollkommen überbelegten und unterfinanzierten Frauenhäusern. Rund 4000 Plätze gibt es in 400 Einrichtungen.

Mitleid muss man sich verdienen, Neid kriegt man nachgeschmissen. Jedenfalls wäre jedes männliche Gewaltopfer FROH, nur ein Zehntel so viele potentielle Plätze zu haben.

Laut Istanbul Konferenz sollten es mindestens 21000 Plätze sein.

Das hieße Istanbul-Konferenz. Aber egal, bei 20% Anteil an den Opferzahlen häuslicher Gewalt, ohne Dunkelziffer, müsste es ein Viertel von 21.000 Plätzen für Männer geben. Das wären 5.250. Statt 42, in Worten, zweiundvierzig Männerschutzplätzen. Wie gesagt, Neid kriegt Ihr nachgeschmissen.

Also von uns aus: Wenn das irgendwem die Freude an der EM verdirbt, dann sind wir eben die Spaßbremsen.

Wer ist denn jetzt schon wieder „wir“? Aber egal, wenn betrunkene Fußballfans nur einander verprügeln würden, oder wenn Alkoholiker (nicht unbedingt dasselbe wie betrunkene Fußballfans) sich einfach nur zu Tode trinken, interessiert es „Euch“ ja auch nicht. Also: Keks.

Ein Gedanke zu “Fußball halt

  1. Öffentliche Veranstaltungen und Bier gehören in Deutschland zusammen. Es gibt immer einen Grund zum Saufen. Und wenn es kein Bier gibt, dann eben Wein, Likör, was auch immer. Hat nichts mit Patriarchat zu tun. Auf der Cologne Pride wird ebenso gesoffen.

    Ansonsten hast du es gut erfasst: Alkoholmissbrauch und Missbrauch unter Alkohol sind zwei unterschiedliche Dinge.

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